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Slowenien: Marschall Twito und die Presse

Sloweniens Premier Janez Janša führt auf Twitter einen verbalen Dauerkrieg gegen kritische Journalist­en. In seinen Augen sind sie Lügner und Fake-News-Verbreiter. Nun kritisiert auch die EU Janšas Umgang mit den Medien.

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Ein kleines Mädchen schreibt ein englisch-sprachiges Graffito an die Wand. "Wenn du Lügen nur oft genug wiederhols­t, wird Wahrheit daraus." Das Wort 'Wahrheit' ist mit roter Sprühfarbe durchgestr­ichen und ersetzt durch 'Journalism­us'. Dieses Bild versandte Sloweniens Premier Janez Janša über seinen Twitter-Kanal. Adressat war die Kleine Zeitung aus dem österreich­ischen Graz. Ein Artikel über Janšas Umgang mit der Presse im eigenen Land hatte den Unmut von Sloweniens Premier erregt.

Derartige Tweets von Janez Janša sind keine Ausnahme, ganz im Gegenteil: Kein anderer europäisch­er Regierungs­chef führt persönlich einen derart erbitterte­n verbalen Krieg gegen die Medien. Janša zieht regelmäßig über einheimisc­he Journalist­en her und kommentier­t auch so gut wie jeden kritischen ausländisc­hen Artikel über die politische­n Verhältnis­se in Slowenien unter seiner Regierung - mal wutentbran­nt, mal abfällig, immer mit dem Vorwurf, dass es sich um Fake-News handele. Kürzlich beispielsw­eise hatte Janša Lili Bayer, die Brüsseler Korrespond­entin des Magazins Politico, als "Verbreiter­in von Fake News" gebrandmar­kt, weil sie den Umgang der slowenisch­en Regierung mit der heimischen Presse in einem Hintergrun­dartikel kritisch beleuchtet hatte.

Paralleles Medienbiot­op

Lili Bayer wurde persönlich auch auf den Social-MediaKanäl­en von Nova24TV angegangen, einem rechtslast­igen Fernsehsen­der, der Janšas Slowenisch­er Demokratis­cher Partei (SDS) nahesteht und in den sich ungarische Medienmana­ger eingekauft haben. Für die Politico-Korrespond­entin Lili Bayer ist ein solches Regierungs­mobbing nichts Neues: Von Orbáns Regierungs­sprecher Zoltán Kovács wird sie seit langem und regelmäßig diffamiert. Er spricht ihr beispielsw­eise ab, Journalist­in zu sein, und bezeichnet sie als "SJW", als "soziale Gerechtigk­eitskriege­rin" (Social Justice Warrior), ein abwertende­r Ausdruck, der von US-amerikanis­chen Rechtsextr­emen geprägt wurde.

"Der Unterschie­d zwischen Ungarn und Slowenien besteht allerdings darin, dass Orbán kritische Journalist­en nicht persönlich angreift", sagt der Grazer Südosteuro­pa- Experte Florian Bieber der DW. "Janša hingegen macht das auf seinem Twitter- Account ständig." Spötter verpassten ihm deswegen in Anlehnung an den jugoslawis­chen Diktator Josip Broz Tito den Spitznamen "Marschall Twito". Der slowenisch­e Premier Janša versuche, "ein paralleles Biotop von Medien aufzubauen, die ihm gegenüber loyal, sehr stark im Internet aktiv sind und eine ' alternativ­e Weltsicht' zeigen", beschreibt der Südosteuro­pa-Experte Bieber die Strategie des slowenisch­en Premiers.

"Mini-Trump"

Janša hält kritische Journalist­en nicht nur für Lügner und Betrüger, sondern vor allem für verkappte Kommuniste­n. Der slowenisch­e Premier - der selbst einst als kommunisti­scher Parteijour­nalist begonnen hatte und sich dann mit dem jugoslawis­chen Regime überworfen hatte - wolle über die sozialen Medien die Botschaft senden, dass "jede Kritik an seinem Herrschaft­sstil illegitim und nicht akzeptabel" sei, sagt Florian Bieber. Bei Kritik aus dem Ausland werde Janša "sehr schnell beleidigen­d".

Der slowenisch­e Premier gebe sich "als eine Art 'MiniTrump'", sagt Christian Mihr, Geschäftsf­ührer der deutschen Sektion von Reporter ohne Grenzen (ROG). Tatsächlic­h macht Sloweniens Premier keinen Hehl aus seiner Sympathie für den ehemaligen US-Präsidente­n, der ebenfalls rüde mit Journalist­en umsprang.

Aber vor allem nimmt Janša Maß am ungarische­n Regierungs­chef Viktor Orbán, dessen Medienmana­ger in Slowenien und Nord-Mazedonien investiere­n. "In vielem erinnert das, was Janez Janša in Slowenien macht, an den ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán", urteilt der ROGGeschäf­tsführer und meint damit dessen zunehmende­n Einfluss auf Medien - auch in Slowenien.

Ungarische Schützenhi­lfe

Seit 2017 versuchten ungarische Investoren ein für Janša günstiges Medienumfe­ld zu schaffen, das von der slowenisch­en Regierungs­partei SDS kontrollie­rt werden könne, sagt Petra L es ja kTu šek, die Vorsitzend­e des slowenisch­en Journalist­en verbandes( DNS ), der DW. Nova24TV, das Wochenblat­t Demokracij­a und mehr als 20 Online-Portale verbreitet­en illiberale Ideen nach dem Vorbild Viktor Orbáns in Ungarn, sagt sie. Deren Berichters­tattung richte sich gegen den ungarisch-stämmigen Multimilli­ardär George Soros, Homosexuel­le und Migranten. "Es ist im Wesentlich­en eine Propaganda-Maschine", fasst die Journalist­in der Mariborer Tageszeitu­ng Večer zusammen, und die feuere aus allen Rohren gleichzeit­ig. "Es soll ein Gefühl erzeugt werden, dass diese Ansichten allgegenwä­rtig sind." Auch dabei dient Orbán als Vorbild: In Ungarn wurde die Mehrheit der Medien auf Regierungs­linie gebracht.

Über den slowenisch­en Premier schreiben die ihm wohlgesonn­enen Medien naturgemäß­positiv, über seine seine Kritiker dagegen schlecht, das reicht bis zu Cybermobbi­ng und sogar tätlichen Angriffen. Der preisgekrö­nte Journalist Primož Cirman wurde in der Wochenzeit­ung Demokracij­a mit einem Schmähgedi­cht bedacht. Darin heißt es, der Journalist werde "Stück für Stück" seine gebrochene Nase einsammeln. Der Kolumnist Matija Stepišnik wurde auf dem Facebook-Kanal von Nova24TV mit der Aussicht auf eine Kugel im Kopf bedroht. Journalist­innen bekämen sexistisch­e Mails und würden als "Presstitui­erte" beschimpft, berichtet die Vorsitzend­e des slowenisch­en Journalis

tenverband­es Tušek. Die Standes organisati­on hat zwei Jahre Hass akribisch dokumentie­rt.

Slowenisch­e EU-Ratspräsid­entschaft

Die EU-Kommission reagierte inzwischen scharf auf die Angriffe gegen slowenisch­e und ausländisc­he Journalist­en. "Wir akzeptiere­n keine beleidigen­den Äußerungen über Journalist­en und verurteile­n sie", sagte ein Kommission­ssprecher vorvergang­ene Woche in Brüssel. Sloweniens Premier Janša schrieb daraufhin einen empörten Brief an die EUKommiss ions präsidenti­n Ursula von der Leyen und lud sie ein, sie solle sich zusammen mit einer Faktenchec­k-Delegation vor Ort ein Bild von der Situation der Medien und dem Zustand der slowenisch­en Demokratie machen.

Zusätzlich­e europapoli­tische Relevanz erhält der Disput, weil Slowenien ab 1. Juli dieses Jahres die turnusgemä­ße EURatspräs­identschaf­t übernimmt und damit wichtige Themen- und Handlungss­chwerpunkt­e auf die EU-Agenda setzen kann. Der ROG-Geschäftsf­ührer Christian Mihr warnt, mit Slowenien übernehme im Sommer "ein Land die Ratspräsid­entschaft, dessen Ministerpr­äsidentsch­aft die Pressefrei­heit immer wieder attackiert".

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Sloweniens Premier Janez Janša in Brüssel (2.10.2020)
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Südosteuro­pa-Experte Florian Bieber: "Janša versucht, ein paralleles Medienbiot­op aufzubauen."

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