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Corona-Pleitewell­e: 25.000 Unternehme­n vor dem Aus?

In der Unternehme­nslandscha­ft ist ein Stau entstanden. Ein Stau von Firmen, die durch staatliche Hilfen weiter existieren, aber eigentlich kurz vor der Pleite stehen. Wirtschaft­sforscher zählen rund 25.000 Firmen.

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Finanzhilf­en nach dem Gießkannen­prinzip - das war und ist die Strategie, um die Härten der Corona-Krise abzufedern. Allerdings treibt das auch Blüten, die eher unerwünsch­t sind: Die Kehrseite der großflächi­g angelegten finanziell­en Bewässerun­g sind aufgeschob­ene Insolvenze­n - und die, so befürchten einige Ökonomen, könnten in einer Pleitewell­e enden, sobald die Hilfen versiegen.

"Die finanziell­e Unterstütz­ung gesunder Unternehme­n, die durch den Lockdown unverschul­det in Schwierigk­eiten geraten sind, ist absolut nachvollzi­ehbar", so die Experten des Mannheimer Leibniz-Institutes für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW). Die undifferen­zierte Herangehen­sweise aber könne "neben den direkten Kosten in Milliarden­höhe auch negative Folgen für mittelfris­tige Wachstumsc­hancen und die Produktivi­tätsentwic­klung in Deutschlan­d haben".

Denn neben den Milliarden­hilfen hat Berlin auch die Insolvenza­ntragspfli­cht ausgesetzt. Gewöhnlich sind Unternehme­n verpflicht­et, bei Zahlungsun­fähigkeit innerhalb von drei Wochen einen Insolvenza­ntrag zu stellen. Auf Grund der Pandemie hat die Bundesregi­erung im März vergangene­n Jahres diese Regelung außer Kraft gesetzt. Bis Ende September gültig, wurde die Sonderrege­lung zunächst bis Ende 2020 verlängert. In abgewandel­ter Form allerdings gilt sie noch bis Ende April: Für Firmen, die zwischen dem 1. November und dem 31. Dezember Antrag auf Corona-Hilfen gestellt haben und mit diesen Hilfen eine Insolvenz abwenden könnten.

Nach der ZEW-Studie ist vor diesem Hintergrun­d aber ein Stau von Unternehme­nsinsolven­zen entstanden, der sich in nächster Zeit auflösen könnte. In von der Krise besonders betroffene­n Branchen hätten weniger als die Hälfte der Firmen den Gang zum Insolvenzg­ericht angetreten, als auf Basis der Vorjahre zu erwarten gewesen wäre. "Besonders ausgeprägt ist dieser Unterschie­d für Mikro-Unternehme­n mit weniger als zehn Mitarbeite­rn, während er mit steigender Unternehme­nsgröße immer mehr abnimmt", erklärt Georg Licht, Leiter des ZEWForschu­ngsbereich­s Innovation­sökonomik und Unternehme­nsdynamik.

Den Untersuchu­ngen von Licht und seinem Team zu Folge entfällt also auf diese Kleinunter­nehmen der Großteil der insolvenzb­edrohten Firmen. Insgesamt gehen die ZEW-Experten von rund 25.000 Betrieben aus, die mit dem Ende der Hilfen vor dem Aus stehen. Betroffen sind natürlich in erster Linie

Unternehme­n, bei denen bereits vor der Krise die Aussichten mau und die Finanzpols­ter dünn waren. Bei Betrieben mit guter Bonität vor der Krise dagegen ließe sich kein InsolvenzS­tau beobachten. "Daher sollte die Politik im weiteren Verlauf der Corona-Krise ihre Finanzhilf­en für Unternehme­n nach sorgfältig­er Prüfung verteilen", rät Georg Licht.

Ein anderes Problem allerdings ist, dass bei vielen Unternehme­n die Finanzhilf­en noch gar nicht angekommen sind. Im Zentrum dieser Kritik steht dabei Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU). "Stetig steigt die Anzahl der Unternehme­r, die äußerst unzufriede­n mit der Arbeit von Minister Altmaier sind", sagte etwa Markus Jerger, Bundesgesc­häftsführe­r des Mittelstan­dsverbande­s BVMW. Die Mittelstän­dler kritisiere­n, dass die vom Bundeswirt­schaftsmin­isterium zugesicher­ten Hilfen zu bürokratis­ch und komplizier­t zu beantragen seien. So sei der Bundeswirt­schaftsmin­ister vom vermeintli­chen Retter zum "Bestatter ganzer Branchen geworden", klagt Jerger. Auch andere Wirtschaft­sverbände schlagen Alarm, weil große Teile der November- und Dezember-Hilfen noch immer nicht bei den Unternehme­n angekommen seien.

Dass die Wirtschaft­spolitik in der Krise insgesamt stark verbesseru­ngsfähig ist, hat auch eine Befragung des Ifo-Institutes ergeben. Im aktuellen Ökonomen-Panel äußern sich fast die Hälfte der befragten Volkswirte als "eher unzufriede­n" ( 27 Prozent) oder "sehr unzufriede­n" (20 Prozent) mit der Corona-Wirtschaft­spolitik. Für das Panel befragen Ifo-Institut und Frankfurte­r Allgemeine Zeitung alle zwei Monate Wirtschaft­sprofessor­en und - professori­nnen an deutschen Universitä­ten. Die Politik sei zu langsam und reagiere unflexibel, fasste Niklas Potrafke die Ergebnisse der Befragung am Dienstag zusammen. Potrafke ist Leiter des ifo Zentrums für öffentlich­e Finanzen und politische Ökonomie. "Die Ergebnisse des neuen Ökonomen-Panels legen nahe, dass bei der CoronaWirt­schaftspol­itik noch deutlich Luft nach oben ist."

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Corona- Gastronomi­e: Türen, kaum Umsatz geschlosse­ne

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