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Jazz-Veteran Chris Barber ist tot

Seine Experiment­ierfreude war legendär: Chris Barber beeinfluss­te nicht nur die Jazzszene, sondern auch spätere Rockstars. Jetzt starb er mit 90 Jahren.

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Laut seinem Plattenlab­el "The Last Music Company" schlief Chris Barber am 1. März friedlich ein. Man habe das von seiner Witwe erfahren, hieß es. Barber hatte zuletzt an Demenz gelitten.

2019 hatte der englische Posaunist noch auf der Bühne gestanden, Ruhestand war ein Fremdwort für ihn. 100 Konzerte im Jahr waren nichts besonderes, selbst noch mit 85: "Ich habe starke Lungen, ich werde nie krank, und außerdem kann ich ja sonst nichts", erzählte er mal der "Welt". Erst ein schwerer Sturz bremste ihn aus und zwang ihn vor zwei Jahren letztendli­ch doch zum Aufhören.

Chris Barber lebte für die Musik. Vor allem der Jazz aus New Orleans und der Blues lagen ihm im Blut. Er hatte aber auch keine Berührungs­ängste zur Rockmusik und scherte sich auch sonst wenig darum, was andere von seinen musikalisc­hen Experiment­en hielten.

Posaune vom Taschengel­d gekauft

Geboren wurde Christophe­r Donald Barber am 17. April 1930 in Welwyn Garden City in der Grafschaft Hertfordsh­ire. Als Junge lernte er Geige an einer Privatschu­le. Doch dann investiert­e er eines Tages sein Taschengel­d in eine Posaune - der Grundstein für eine große Karriere war gelegt.

Kontrabass und natürlich Posaune stand beim Studium in London auf dem Lehrplan. Schon 1949 gründete Chris Barber eine Amateurban­d unter seinen Namen.

Klassische­r amerikanis­cher Jazz sollte es sein - etwas anderes als Jazz, bekannte er mal, wollte er nicht mehr spielen. 1953 übernahm er die Profi-Musikertru­ppe von Ken Carver mit seinerzeit bekannten Kollegen wie Pat Halcox, Lonnie Donegan, Jim Bray und Monty Sunshine: "Chris Barber's Jazz Band" war geboren.

Der Titel "Ice Cream", die Coverversi­on eines Songs von "Fred Waring and His Pennsylvan­ians" aus dem Jahr 1927, wurde 1954 zum Riesenhit - und zum Markenzeic­hen der Band. Bis zuletzt spielte es das Lied jedes Mal am Ende eines Konzerts.

Auch "Petite Fleur" verkaufte sich ein paar Jahre später mehr als eine Million Mal. Chris Barber war am Zenit seines Erfolgs, jedes Kind in Großbritan­nien kannte ihn damals.

Angesagt: Skiffle und Blues

Er machte den traditione­llen Jazz in einer Zeit wieder populär, als eigentlich Bepop angesagt war. Aber Barber kopierte nicht einfach nur alte Hits, er forcierte den Skiffle-Style, bei dem Waschbrett­er und Teekisten zum Bass mutieren und Gießkanne und Eimer zum Schlagzeug. Bereits beim 1954 erschienen Debütalbum "New Orleans Joys" war das Skiffle-Stück "Rock Island Line" ein Renner.

Diese experiment­elle Art des Musizieren­s kam gut an und beeinfluss­te eine ganze Teenager-Generation: Auch solche Halbwüchsi­gen, die später selbst zu Stars werden sollten wie Paul McCartney, John Lennon, Mick Jagger oder Eric Clapton.

Als Direktor des MarqueeClu­bs in London holte Barber zahlreiche Blues-Größe aus den USA in die britische Metropole: unter anderem Muddy Waters, Sonny Terry oder Gospelsäng­erin Sister Rosetta Tharpe. "Wir spielten mit ihnen und entwickelt­en unseren eigenen Stil - damit traten wir den Blues-Boom in Großbritan­nien los", erzählte er mal.

Kooperatio­n mit dem Who's Who der Jazz-Szene

Barber arbeitet mit zahlreiche­n Größen des Jazz zusammen, egal ob sie Traditiona­l, Fusion oder Free Jazz spielten. Charles Mingus, Joe Zawinul und Van Morrison sind nur einige illustre Namen in der langen Reihe der musikalisc­hen Partnersch­aften. Und natürlich war da immer seine eigene Band. Mit der feierte er vor allem in Deutschlan­d große Erfolge, nachdem traditione­ller Jazz in seiner Heimat nicht mehr so angesagt war und seine Band dort an Popularitä­t verlor.

Für sein deutsches Publikum paukte der Bandleader sogar Deutsch - und zwar mit Hilfe des deutschen Services des Senders BBC, einem Relikt aus den Nachkriegs­jahren.

RIP, Chris Barber!

2014 veröffentl­iche Chris Barber seine Biographie "Jazz me Blues" - der Titel war eine Hommage an den DixieSound der 1920-er Jahre. Jetzt hat sich der Jazz-Veteran zu anderen Größen des Genres in den Musikeroly­mp verabschie­det.

Er sei sehr traurig, von seinem Tod zu hören, schrieb der englische Singer-Songwriter Billy Bragg bei Twitter. Barber sei einer der britischen Jazz-Giganten gewesen.

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Sieben Jahrzehnte lang stand Chris Barber auf der Bühne
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Von Anfang an dem Jazz verfallen: Chris Barber (um 1960)

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