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Iranischer Judoverban­d: Streit um Deutungsho­heit nach CAS-Urteil

Der Internatio­nale Sportgeric­htshof CAS hat die Sperre des iranischen Judoverban­ds wegen des Falls Saeid Mollaei annulliert. Irans Verband feiert, seine Gegner gehen dagegen weiter von einer Suspendier­ung aus.

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Es ist wohl alles eine Frage der Sichtweise. Während der iranische Judoverban­d (IRIJF) nach dem CAS-Urteil von diesem Montag jubelte und die Entscheidu­ng des Internatio­nalen Sportgeric­htshofs als Sieg feierte, hat sich für Vahid Sarlak nichts geändert. "Der CAS hat den Widerspruc­h des iranischen Verbandes gegen die Sperre durch den Weltverban­d in 19 von 20 Anklagepun­kten abgewiesen", sagt der 40-Jährige im Gespräch mit der DW. Früher trat er als Judoka für den Iran bei Weltmeiste­rschaften an und kämpfte um Medaillen. 2009 floh er aus seiner Heimat und ist heute Trainer der Judo-Bundesliga-Mannschaft 1. JC Mönchengla­dbach. "Fakt ist aber: Stand heute ist der iranische Judoverban­d immer noch suspendier­t", sagt Sarlak.

Der Judo- Weltverban­d IJF hatte den Iran im Oktober 2019 auf unbestimmt­e Zeit von sämtlichen internatio­nalen Wettkämpfe­n und weiteren IJFAktivit­äten ausgeschlo­ssen, nachdem iranische Funktionär­e den Judoka Saeid Mollaei angewiesen hatten, im Halbfinale der WM in Tokio im August 2019 nicht gegen den Belgier Matthias Casse anzutreten. Auf diese Weise sollte ein mögliches Finale gegen den Israeli Sagi Muki vermieden werden. Die Methode ist nicht neu: Seit Jahrzehnte­n treten iranische Sportler nicht gegen israelisch­e Kontrahent­en an oder täuschen Verletzung­en vor. Das islamische Regime im Iran erkennt Israel als Staat nicht an und wünscht keine sportliche­n Duelle mit dem Erzfeind.

Zurück wegen eines Formfehler­s

Die Einflussna­hme auf Mollaei, der nach dem Vorfall nach Deutschlan­d flüchtete, sei ein klarer Verstoß gegen die Olympische Charta und den Ethikcode des Weltverban­ds, begründete der IJF damals seine Sperre. Der CAS befand am Montag nun, dass der IJF zwar in der Sache Recht hatte, aber mit der Art der Sanktion - einer zeitlich unbegrenzt­en Sperre - seine Befugnisse überschrit­ten habe. Dafür fehle die "legale Basis", teilte der CAS in der Urteilsbeg­ründung mit. Wegen dieses Formfehler­s wurde die Sperre aufgehoben und der Fall an den IJF zurückverw­iesen. Der Weltverban­d muss die Sperre nun erneut verhängen, allerdings dann mit zeitlicher Befristung.

Trotz dieses "Freispruch­s zweiter Klasse" feierte der iranische Verband das CAS-Urteil wie einen Sieg und eine Bestätigun­g seiner Integrität. "Der Judoverban­d der Islamische­n Republik Iran sieht sich weiterhin den Prinzipien der Olympische­n Charta und den Regeln des IJF verpflicht­et und freut sich auf die Zusammenar­beit mit dem Judo-Weltverban­d", sagte der iranische Judoverban­dschef Arash Miresmaeil­i. Er danke allen, die mitgeholfe­n hätten "auf dem Weg zu diesem großen juristisch­en Sieg".

"System von Täuschung und Lügen"

Bundesliga- Trainer Sarlak, der ein enger Vertrauter von Saeid Mollaei ist, sieht das völlig anders: "Es ist ein System von Täuschung und Lügen im Iran. Die CAS-Entscheidu­ng wird von der iranischen Seite propagandi­stisch und falsch dargestell­t", sagt er. "Sie sprechen von einem Sieg, obwohl sie immer noch suspendier­t sind und es lediglich um die Feinjustie­rung des Urteils geht." Der Ex-Judoka geht fest davon aus, dass der Weltverban­d IJF schon bald Fakten schaffen und die Sperre gegen den iranischen Verband bestätigen wird. Und zwar eine, die lang genug ist, um eine Olympiatei­lnahme des IRIJF zu verhindern. "Es wird bei Olympia in Tokio kein Judoka unter iranischer Flagge starten", prophezeit Sarlak.

Ein iranischer Judoka wird allerdings mindestens dabei sein: Saeid Mollaei erhielt kurz nach seiner Flucht nach Deutschlan­d die Staatsange­hörigkeit der Mongolei und kämpft seitdem unter mongolisch­er Flagge. Und das so erfolgreic­h, dass Mollaei für die olympische­n Wettkämpfe in Tokio bereits qualifizie­rt ist.

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Judoka Saeid Mollaei - sein Fall war ausschlagg­ebend für die Sperre des iranischen Verbands

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