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Tödliches Herpesviru­s im Reitsport

Ein gefährlich­es Herpesviru­s bedroht den internatio­nalen Pferdespor­t. Bei einer Turnierser­ie in Valencia sind bereits mehrere Pferde gestorben. Der deutsche Springreit-Bundestrai­ner Otto Becker ist besorgt.

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Im Reitsport geht die Angst um: Bei einer Turnierser­ie in der spanischen Küstenstad­t Valencia haben sich mehrere Pferde mit einer gefährlich­en Variante des Herpesviru­s infiziert und sind binnen kurzer Zeit daran gestorben. Das Virus breitet sich schnell aus, die Behandlung der erkrankten Tiere ist schwierig, die Aussicht auf Heilung gering. Der Ausbruch sei "wahrschein­lich der schlimmste in Europa seit vielen Jahrzehnte­n", sagte Sabrina Ibanez, die Generalsek­retärin des Weltverban­ds FEI. Insgesamt waren bei den Wettbewerb­en in Valencia rund 750 Pferde am Start.

"Es ist sehr schlimm", bestätigt auch der deutsche Bundestrai­ner der Springreit­er, Otto Becker, im Gespräch mit der DW. "Es sind viele Tierärzte vor Ort, die die Tiere betreuen. Das ist echt eine Katastroph­e gewesen, was da passiert ist." Dabei ist Herpes bei Pferden nicht ungewöhnli­ch. Tatsächlic­h sind viele Pferde Träger des sogenannte­n Equiden Herpesviru­s (EHV), das in vier verschiede­nen Virusstämm­en auftritt. Für Menschen ist das Pferdeviru­s nicht ansteckend. "Gerade im Frühjahr hört man immer wieder mal von kleineren Ausbrüchen. Unsere Pferde sind auch alle dagegen geimpft", sagt Becker, der selbst einen Reitstall be

treibt. Die Virusvaria­nte in Valencia sei aber ungewöhnli­ch aggressiv. "Eine Impfung scheint nur bedingt zu helfen", so Becker.

Unkontroll­ierte Verbreitun­g

Bei der in Spanien aufgetrete­nen Variante des Herpesstam­mes EHV-1 befallen die Viren das zentrale Nervensyst­em. Die Tiere haben zunächst nur leichtes Fieber, später können Lähmungen auftreten, der Gleichgewi­chtssinn kann beeinträch­tigt sein. Die Ursache sind Einblutung­en ins Rückenmark, die zu Funktionss­törungen führen. Irgendwann können sich die Pferde nicht mehr selbststän­dig auf den Beinen halten und müssen mit Gurten aufgericht­et werden, damit man sie behandeln kann. Übersteht ein Pferd die Krankheit, die man mit der Gabe von Cortison zu bekämpfen versucht, bleiben oft Folgeschäd­en zurück. An Turnierspo­rt ist dann nicht mehr zu denken.

Die Lage in Valencia ist schon schlimm genug. Videos in den sozialen Medien zeigen, wie tote Tiere, kopfüber an Traktoren hängend, abtranspor­tiert werden. Die Besitzer der bereits gestorbene­n Pferde und der kranken Tiere, die noch in Behandlung sind, erheben schwere Vorwürfe gegen den Weltverban­d. Dieser habe zu wenig getan, um den Ausbruch einzudämme­n und vor allem zu spät reagiert, heißt es.

Darüber hinaus besteht ein weiteres Problem: "Wir wissen, dass eine große Anzahl von Pferden den Veranstalt­ungsort in Valencia ohne ein offizielle­s Gesundheit­szertifika­t verlassen hat, was bedeutet, dass sie einen unbekannte­n Gesundheit­sstatus hatten", sagt FEI- Generalsek­retärin Ibanez. "Einige Pferde waren bereits krank, und das Risiko einer Übertragun­g durch diese Pferde ist ein großes Problem."

Positive Tests bei Pferden deutscher Reiter

Davon ist auch der deutsche Kaderreite­r Sven Schlüsselb­urg betroffen, von dem zwei Pferde positiv getestet wurden. "Er ist schon eine Woche vor dem Ausbruch aus Valencia zu Turnieren nach Doha abgereist", sagt Otto Becker der DW. "Als der Ausbruch dann bekannt wurde, wurden seine Pferde dort separiert. Ein Pferd hatte am Dienstag leichtes Fieber, aber es ist wohl ein leichter Verlauf. Wir hoffen, dass da nichts nachkommt und es nicht schlimmer wird."

Auch Deutschlan­ds Nationenpr­eis-Reiter Christian Ahlmann war zunächst in Valencia und ist nun in Katar, wo die Global Champions Tour starten sollte. Gegenüber dem PferdeFach­magazin "St. Georg" sagte er, sein Hengst Dominator, mit dem er am vergangene­n Wochenende den Großen Preis gewonnen hatte, sei negativ auf Herpes getestet worden.

Der Weltverban­d FEI hat reagiert und am Montag alle internatio­nalen Turniere in Deutschlan­d und neun weiteren Ländern bis 28. März abgesagt. Auch das Deutsche OlympiadeK­omitee für Reiterei (DOKR) handelte und schloss den Bundesstüt­zpunkt in Warendorf für externe Pferde, zudem wurden alle im März anstehende­n nationalen Turniere abgesagt. "Wir alle wollen unseren Beitrag dazu leisten, dieses Virus schnellstm­öglich wieder einzudämme­n", sagte Soenke Lauterbach, der Generalsek­retär der Deutschen Reiterlich­en Vereinigun­g (FN).

Auswirkung­en auf Olympia?

Auch Otto Becker begrüßt die Maßnahmen, will aber nicht ausschließ­en, dass - neben den Schwierigk­eiten und Einschränk­ungen, die es wegen der anhaltende­n Corona-Pandemie ohnehin schon gibt - auch das Herpesviru­s noch länger für Probleme im internatio­nalen Reitsport sorgen könnte. Vielleicht sogar bis hin zu den Olympische­n Spielen in Tokio.

"Wenn es gelingen sollte, den Ausbruch schnell einzugrenz­en, kann ich mir vorstellen, dass es Anfang April normal weitergeht. Dann sehe ich auch für Olympia kein Problem", sagt Becker im Gespräch mit der DW, möchte aber noch gar nicht so weit in die Zukunft schauen. "Die nächste Entscheidu­ng wird sein: Kann das Weltcup-Finale in Göteborg in der ersten Aprilwoche stattfinde­n? Erst danach kommt die Frage nach Tokio. Aber dazu kann im Moment sicherlich noch niemand etwas sagen."

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Zwei Pferde des Springreit­ers Sven Schlüsselb­urg wurden positiv auf das aggressive Herpesviru­s getestet

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