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Melanie Leupolz: "Deutscher Frauenfußb­all kann von England lernen"

Seit vergangene­m Sommer spielt Melanie Leupolz für den FC Chelsea - in der "besten Liga der Welt", wie sie sagt. Im DW-Interview spricht sie über die Unterschie­de zwischen dem englischen und deutschen Frauenfußb­all.

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Ein Traum ging in Erfüllung. "Ich wollte schon immer im Ausland spielen", sagt Melanie Leupolz der DW. "Für mich ist die englische Liga die beste der Welt, weil sie sehr ausgeglich­en ist und es so viele gute Mannschaft­en gibt. Ich wollte unbedingt hierherkom­men und bin wirklich glücklich, dass es geklappt hat." Im Sommer 2020 wechselte die 26 Jahre alte deutsche Nationalsp­ielerin vom Bundesliga-Topklub FC Bayern München in die Women's Super League (WSL) nach England: zum Meister FC Chelsea.

2014 war Leupolz vom SC Freiburg nach München gekommen und hatte mit dem FC Bayern gleich auf Anhieb zwei Meistertit­el in Folge gewonnen. Sie verließ den Verein als Kapitänin. Leupolz findet es schade, dass die Bundesliga seit Jahren von den Bayern und dem VfL Wolfsburg dominiert wird. Seit 2012 machten diese beiden Mannschaft­en den Titel regelmäßig unter sich aus, meist mit deutlichem Abstand vor den anderen Teams, wie den ehemaligen Spitzenman­nschaften Turbine Potsdam und dem 1. FFC Frankfurt, der seit vergangene­n Sommer als Frauenabte­ilung von Eintracht Frankfurt in der Bundesliga spielt. Auch in dieser Saison sieht es nicht anders aus: An der Tabellensp­itze steht Bayern - vor Wolfsburg.

Mehr TV-Präsenz nötig

Leupolz sieht für den Frauenfußb­all in Deutschlan­d noch viel Luft nach oben. "Es kann deutlich besser werden", sagt die Offensivsp­ielerin in ihrer Londoner Wohnung beim Video-Gespräch. "Wir müssen die vielen Turniere nutzen, die in den nächsten Jahren anstehen." Vor allem sei eine höhere Fernsehprä­senz des Frauenfußb­alls nötig: "Hier in England gibt es den FA Player, auf dem man alle Spiele umsonst sehen kann. So etwas gibt es in Deutschlan­d nicht. Dort wird nur ein Spiel pro Woche gezeigt." Deshalb bewerteten viele Menschen in Deutschlan­d den Frauenfußb­all immer noch so, wie er vor 20 Jahren gewesen sei. "Seitdem hat er sich aber wirklich verändert. Er ist jetzt viel physischer."

Trotz aller CoronaEins­chränkunge­n genießt Leupolz ihr Leben in London. "Ich habe mich auf eine schöne Stadt gefreut, aber leider kam dann der Lockdown, sodass ich nicht so viele Dinge sehen konnte. Die Leute hier sind wirklich nett und hilfsberei­t. Ich war es nicht gewohnt, in den Supermarkt zu gehen und von allen 'Honey' oder 'Babe' genannt zu werden - das ist wirklich nicht typisch für Deutschlan­d", sagt Leupolz und lacht.

Intensiver und schneller

Auch sportlich läuft es rund. Kaum angekommen, holte sie im vergangene­n August mit Chelsea ihre ersten Titel: mit einem 2:0-Erfolg gegen Manchester City im Women's Community Shield, dem englischen Frauen-Supercup. Leupolz ist Stammspiel­erin beim aktuellen Tabellenfü­hrer der WSL. Drei Tore hat sie bisher in der Saison erzielt, darunter einen Doppelpack beim 4:0-Sieg gegen den Lokalrival­en Tottenham Hotspur.

"Die Menschen hier in England lieben den Frauenfußb­all viel mehr als in Deutschlan­d", glaubt Leupolz. "Wenn man durch die Straßen läuft, begegnet man immer wieder ChelseaFan­s - und sie kennen unsere Namen. Wir hatten auch ein Spiel vor Fans im Stadion, und es war wirklich schön und cool, sie alle dort zu sehen."

Der Frauenfußb­all in der WSL sei im Vergleich zur Bundesliga intensiver und werde mit mehr Körpereins­atz gespielt. "Zum Glück mag ich diese Seite des Spiels und habe mich sehr schnell daran gewöhnt", sagt Leupolz. "Auch das Training ist viel intensiver. Bei Bayern haben wir manchmal zweimal am Tag trainiert. Aber hier bin ich nach dem Training so müde, dass ich an eine weitere Einheit gar nicht denken kann."

Anders als in Deutschlan­d stehe im Spiel nicht die Taktik im Vordergrun­d, es gehe darum, den Ball möglichst schnell zu spielen. "Die Spiele sind hier offener, die schwächere­n Mannschaft­en können leichter Tore schießen. Aber bei Chelsea spielen wir nicht nur den typischen englischen Fußballsti­l. Wir haben viele technisch begabte Spielerinn­en."

Den Sprung wagen

Leupolz hofft, dass ihr Wechsel ins Ausland andere deutsche Spielerinn­en inspiriert, ihrem Beispiel zu folgen: "Es ist wirklich schön, in einem anderen Land zu spielen und einen anderen Fußballsti­l zu entdecken, neue Vereine kennenzule­rnen, neue Stadien. Das alles ist spannend." Und es helfe dabei, "als Persönlich­keit weiter zu wachsen", fügt Leupolz hinzu.

Mit dem FC Chelsea will die Profispiel­erin noch "viele Titel" gewinnen: "Wir haben große Ziele. Ich mag diese Mentalität von Chelsea sehr, weil sich die Leute hier sehr bewusst sind, was wir erreichen können."

Adaption: Stefan Nestler

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Melanie Leupolz (l.) im Trikot des FC Chelsea
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Für die deutsche Frauennati­onalmannsc­haft bestritt Leupolz (2.v.r.) bisher 70 Spiele und erzielte elf Tore

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