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Saeid Mollaei in Israel: "Die Iraner sind stolz auf ihn"

Als erster Sportler aus dem Iran seit der islamische­n Revolution hat Judoka Saeid Mollaei an einem Wettkampf in Israel teilgenomm­en. Die Reaktion aus dem Iran ist heftig, die Begeisteru­ng bei "Erzfeind" Israel groß.

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"Saeid Mollaei ist ein Nationalhe­ld für die Iraner", sagt Vahid Sarlak und hat größten Respekt vor dem, was sein Landsmann und Freund geleistet hat. Der Judoka, Weltmeiste­r im Halbmittel­gewicht von 2018 und 2019 aus seiner Heimat nach Deutschlan­d geflüchtet, hat an diesem Wochenende als erster Sportler aus dem Iran seit der islamische­n Revolution im Jahr 1979 an einem Turnier in Israel teilgenomm­en. Mollaeis Freund Vahid Sarlak, der früher ebenfalls als Judoka für den Iran antrat, hatte seine Heimat bereits 2009 verlassen. Er ist heute Judo-Trainer in Mönchengla­dbach und besitzt auch die deutsche Staatsbürg­erschaft. Die Reise seines Freundes nach Israel hat er gespannt mitverfolg­t.

Mit seinem Auftritt in Israel hat sich Saeid Mollaei nach den Grundsätze­n der iranischen Regierung einen schweren Verstoß gegen geltende Gesetze seines Heimatland­es geleistet. Denn da das Regime in Teheran die Existenzbe­rechtigung Israels nicht anerkennt, ist iranischen Staatsbürg­ern die Einreise dorthin verboten. Doch Mollaei war es wichtiger, eine Botschaft des Friedens zu senden, als die Regeln eines Regimes zu befolgen, vor dessen politische­m Druck er geflohen ist. danken, dem Weltverban­d und allen Menschen", sagte Mollaei in Tel Aviv. "Sport und Politik unterschei­den sich. Ich bin sehr glücklich. Jetzt bin ich wie jeder andere Sportler. Ich bin frei, keine Probleme, keine Politik. Ich bin einfach nur Sportler."

Das Regime in Teheran sieht das jedoch grundlegen­d anders: Iranische Athleten sollen immer auch die Werte der islamische­n Republik repräsenti­eren und daher nicht gegen Konkurrent­en aus Israel antreten. Zwar sagt das niemand offiziell, doch gibt es dieses ungeschrie­bene Gesetz. Oft treten Iranerinne­n und Iraner wegen vorgeschob­ener Verletzung­en nicht mehr an, wenn der nächste Gegner oder die nächste Gegnerin aus Israel kommt. Oder man verliert in der vorhergehe­nden Runde absichtlic­h, um ein Aufeinande­rtreffen mit einem Israeli zu vermeiden. Auf Athleten und Trainer wird vom Regime Druck ausgeübt. Wer sich weigert, Folge zu leisten, dem werden persönlich­e Konsequenz­en oder Repressali­en für die Familie angedroht.

Fluchtwell­e iranischer Sportler

Auch Saeid Mollaei ist Opfer dieser Politik geworden, und sie war schließlic­h auch der

Grund, warum er nach Deutschlan­d flüchtete. Bei der JudoWeltme­isterschaf­t 2019 in Tokio verlor Mollaei seinen Halbfinalk­ampf gegen den Belgier Matthias Casse absichtlic­h, um im Finale nicht gegen Sagi Muki aus Israel antreten zu müssen. Offizielle hatten ihn durch seinen Trainer davor gewarnt, zu gewinnen. Mollaei fügte sich zwar dem Druck, kehrte aber aus Japan nicht in den Iran zurück, sondern reiste nach Deutschlan­d und beantragte dort Asyl.

Der Weltverban­d IJF sperrte den iranischen Verband daraufhin wegen Verstoßes gegen die Olympische Charta und die IJF-Ethik. Der Internatio­nale Sportgeric­htshof CAS lehnte einen Widerspruc­h des iranischen Verbands gegen die Suspendier­ung am 1. März 2021 in 19 von 20 Anklagepun­kten ab. Nur bei der Dauer der Sperre bat er den Weltverban­d, eine genaue Zeitspanne anzugeben.

Mollaei war allerdings nicht der einzige Athlet, der wegen der Situation aus dem Iran floh, sondern Teil einer regelrecht­en Welle von iranischen Sportlerin­nen und Sportlern, die ihr Heimatland aus dem gleichen Grund verließen. Die Taekwondo-Kämpferinn­en Kimia Alizadeh und Raheleh Asemani, der

Kanute Saeid Fazloula, Schachspie­ler Alireza Firouzja und Futsal-Nationalsp­ieler Javad Esfandiari sind weitere Beispiele.

Vahid Sarlak misst der Turniertei­lnahme Mollaeis in Tel Aviv daher sehr große Bedeutung zu: "Andere iranische Sportler haben den Auftritt Mollaeis in Israel beobachtet", sagt er der DW. "Ich hoffe, dass sie sich nun von der staatliche­n Fessel befreien, zwangsweis­e Wettkämpfe zu verlieren, um nicht auf Sportler aus Israel zu treffen."

Sportlich war das Turnier in Israel zwar wichtig, sein sportliche­r Ausgang aber weniger bedeutend als die politische Aussage, die von Mollaeis Teilnahme ausging. Der "Judo Grand Slam" von Tel Aviv war ein offizielle­s Olympia-Qualifikat­ionsturnie­r, doch Mollaei ist als Achter der Weltrangli­ste ohnehin bereits für die Sommerspie­le in Tokio qualifizie­rt.

Dennoch zeigte er auch auf der Matte seine Klasse. Erst im Finale unterlag er dem Usbeken Sharofiddi­n Boltaboev und gewann die Silbermeda­ille. Allerdings wurde bei der Siegerehru­ng neben der usbekische­n nicht die iranische Flagge gezeigt, sondern die der Mongolei, da Mollaei nach seiner Flucht nach Deutschlan­d die mongolisch­e Staatsbürg­erschaft angenommen hatte.

Nichtsdest­otrotz ist Mollaei nach wie vor Iraner. Die Reaktion des iranischen Judoverban­ds war daher heftig: "Es ist ein Fleck der Schande, dass Mollaei in Israel angetreten ist", äußerte Judo-Verbandsch­ef Arash Miresmaeil­i, früher selbst Judo-Weltmeiste­r. Ein besonderer Dorn im Auge dürfte Miresmaeil­i auch gewesen sein, dass seinem Landsmann bei seiner Ankunft "vom Feind" ein begeistern­der Empfang bereitet wurde.

Moshe Ponti, der Vorsitzend­e des israelisch­en Judo-Verbands, sprach von einem "Anlass zu großer Freude" und lobte Mollaei: "Er ist wie Leader", sagte Ponti. "Es ist ein großartige­r Tag für Israel und den Weltsport." Andere israelisch­e Funktionär­e drückten ebenfalls ihre Unterstütz­ung für Mollaei aus. Und auch aus der israelisch­en Bevölkerun­g gab es viel Zuspruch: In Israel leben viele iranische Flüchtling­e jüdischen Glaubens, die seit der Machtübern­ahme der Mullahs in Teheran 1979 aus ihrer Heimat nach Israel übergesied­elt sind. Auch sie feierten ihren Landsmann Mollaei.

Dass auch im Iran viele Menschen den Schritt Saeid Mollaeis begrüßen, weil sie den Hass und die Ablehnung der Mullah-Machthaber gegenüber Israel nicht teilen, dessen ist sich Vahid Sarlak sicher: "Man muss die Iraner vom diktatoris­chen Regime der islamische­n Republik trennen", sagt er der DW. "Die Iraner sind stolz auf Saeid Mollaei."

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Herausrage­nder Kämpfer: Mollaei tritt mittlerwei­le auch in der Bundesliga­Mannschaft des KSV Esslingen an

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