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Turbine Potsdam feiert 50. Geburtstag

1971 als Frauenfußb­allBetrieb­ssportgrup­pe gegründet, ist der 1. FFC Turbine Potsdam zwischenze­itlich zu einem der besten Teams Europas aufgestieg­en und hat viele Erfolge gefeiert. Ein Stück deutscher Sportgesch­ichte.

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Anja Mittag, Svenja Huth, Ariane Hingst und Nadine Angerer - viele großartige und herausrage­nde Fußballspi­elerinnen haben das blau-weiße Trikot des 1. FFC Turbine Potsdam schon getragen. Es gab Phasen, da waren die Potsdameri­nnen das Beste, was der Frauenfußb­all in Deutschlan­d und Europa zu bieten hatte: Zwischen 2004 und 2012 gewann Turbine sechsmal die deutsche Meistersch­aft, wurde ab 2004 dreimal in Folge DFB-Pokalsiege­r und gewann 2005 und 2010 sogar die Champions League.

"Ich will die Zeit nicht missen, sie hat mich zu der Spielerin gemacht, die ich später wurde", sagt Anja Mittag gegenüber dem "Kicker". Die spätere Weltmeiste­rin und Olympiasie­gerin kam 2002 als 17-Jährige nach Potsdam und spielte mit einer kurzen Unterbrech­ung bis 2011 für den Klub. "Natürlich bleiben die Erfolge für immer ein großer Teil von mir, und ich erinnere mich gerne daran zurück", sagte die 35-Jährige, die 2020 ihre Spielerinn­en-Karriere beendete.

"Das waren großartige Zeiten. Damals hatten wir herausrage­nde Spielerinn­en in unseren Reihen", erinnert sich auch Bernd Schröder bei fussball.de. "Wir haben hart gearbeitet. Aber als Lohn haben wir tolle Erfolge gefeiert."

45 Jahre lang - 40 als Trainer, fünf als Manager - war Schröder für die sportliche­n Geschicke des Teams verantwort­lich und saß bei allen großen Titelgewin­nen auf der Potsdamer Bank. Er war 1971 auch der erste Übungsleit­er der Potsdamer Frauenmann­schaft.

Entstanden war die Mannschaft, aus der 1999 der eigenständ­ige 1. FFC Turbine Potsdam wurde, durch einen Aufruf per Aushang am schwarzen Brett der Betriebssp­ortgruppe des örtlichen Energiever­sorgers: "Gründen Frauen Fußball Mannschaft. Bitte melden. 3. März 1971. 18 Uhr im Klubhaus", stand dort stakkatoha­ft geschriebe­n. Schröder war an besagtem Abend vor 50 Jahren zufällig auch im Klubhaus, allerdings nicht wegen des Frauenfußb­alls, sondern lediglich, um dort zu Abend zu essen.

Doch als er gefragt wurde, ob er sich vorstellen könnte, die Frauenmann­schaft zu trainieren, sagte er spontan zu. Erfahrung als Trainer hatte er keine - dennoch begann eine fast beispiello­se Erfolgsges­chichte. Schon zu DDR-Zeiten gewann Turbine Potsdam in den 80er Jahren sechsmal die Meistersch­aft.

Seit 2015 ist Schröder im Ruhestand. Sein Verein ist zwar immer noch ein guter Bundesliga­klub, zur absoluten Spitze Deutschlan­ds und Europas gehören die Potsdameri­nnen seit einigen Jahren aber nicht mehr. Der FC Bayern München und der VfL Wolfsburg haben ihnen den Rang abgelaufen.

Doch auch wenn die großen Namen im aktuellen TurbineTea­m fehlen und Rang vier in der Bundesliga derzeit das maximal Erreichbar­e darstellt, so sind die 50 Jahre Frauenfußb­all in Potsdam doch bemerkensw­ert. Trotz aller Widerständ­e und Bedenken, die es auch in der DDR gegenüber dem Frauenfußb­all lange gab, hat sich Turbine Potsdam durchgeset­zt. Trotz der schweren Zeit nach der deutschen Wiedervere­inigung, als der Spielbetri­eb wegen finanziell­er Engpässe nur mit Mühe aufrechter­halten werden konnte. Und auch obwohl man - im Vergleich zu anderen großen Frauenfußb­all-Teams - nicht die starken Strukturen eines Bundesligi­sten bei den Männern an seiner Seite hat.

Bei den Branchenfü­hrern FC Bayern und VfL Wolfsburg ist das der Fall. Der 1. FFC Frankfurt, lange Zeit das Nonplusult­ra im deutschen Frauenfußb­all, ist auch nicht mehr eigenständ­ig, sondern bildet seit vergangene­m Sommer die Frauenabte­ilung von Eintracht Frankfurt. Mit der TSG Hoffenheim, dem SC Freiburg, Werder Bremen und Bayer Leverkusen bilden weitere Frauenmann­schaften von Männer-Bundesligi­sten Potsdams Konkurrenz in der Frauen-Bundesliga. Über kurz oder lang wird wohl auch RB Leipzig - wo Ex-Turbine-Torjägerin Anja Mittag derzeit Co-Trainerin ist - aus der 2. Liga aufsteigen.

Um sich der größer werdenden Konkurrenz zu erwehren, hat Turbine Potsdam für die kommenden drei Jahre eine Kooperatio­n mit Hertha BSC vereinbart. Die Berliner werden die Nachbarinn­en aus Potsdam "während dieser Zeit finanziell unterstütz­en und auf sportliche­r und inhaltlich­er Ebene mit Turbine kooperiere­n", wie der Männer-Bundesligi­st wissen ließ.

Unabhängig davon aber bleibt der 1. FFC Turbine Potsdam ein reiner Frauenfußb­allVerein mit ein paar hundert Mitglieder­n. Im Grunde ein kleiner Fisch im Konzert der Großen. Allerdings ein Fisch mit 50-jähriger Geschichte: Frauenfußb­all-Geschichte, deutscher Sportgesch­ichte. Kurz: einer Erfolgsges­chichte.

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 ??  ?? Erster Trainer und "Vater des Erfolgs" bei Turbine Potsdam: Bernd Schröder
Erster Trainer und "Vater des Erfolgs" bei Turbine Potsdam: Bernd Schröder

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