Deutsche Welle (German edition)

Sorge vor Corona-Mutationen aus New York und Kalifornie­n

Die in den USA entstanden­en Mutationen verbreiten sich schnell. Unklar ist, ob sie wirklich ansteckend­er sind und ob die Impfstoffe noch wirksam genug sind.

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Seit d i e C o r o n a - Te s t s sorgfältig­er sequenzier­t, also gentechnis­ch untersucht werden, treten auch immer häufiger Mutationen vom ursprüngli­chen SARS- CoV- 2Wildtyp in Erscheinun­g.

Die meisten Mutationen sind nicht wirklich bedeutsam. Aber es gibt ein paar Varianten, die Forschende­n und Verantwort­lichen Sorgen bereiten, weil sie teilweise ansteckend­er sind und sich so regional stark ausbreiten, und weil die bereits vorhandene­n Impfstoffe weniger effektiv vor ihnen schützen.

Nach der britischen, der südafrikan­ischen und der brasiliani­schen Variante bereiten in den USA zwei Varianten Sorgen, die offenkundi­g nicht eingeschle­ppt wurden, sondern die sich in den USA entwickelt haben. diese Variante in der Metropole und auch im nördlichen Umland rasch verbreitet. Bis Mitte Februar wurde sie bereits bei 12 Prozent aller sequenzier­ten Proben in New York nachgewies­en. Auch in anderen Ländern wie Dänemark ist diese New Yorker Variante bereits aufgetauch­t.

Auch die bereits im Juli 2020 erstmals nachgewies­ene Kalifornis­che Variante hat sich bereits rapide verbreitet: Mittlerwei­le sind die beiden ähnlichen Typen B.1.427 und B.1.429 der kalifornis­chen Variante in etwa einem Viertel der gensequenz­ierten Proben in Kalifornie­n zu finden. nischen Varianten gibt es noch nicht. Die kalifornis­che Variante CAL.20C soll ansteckend­er sein als der Urtyp, bei Abstrichen von Infizierte­n fand sich eine etwa verdoppelt­e Virenlast in den Proben. Allerdings sei sie weniger ansteckend als die britische Mutante B.1.1.7, die mittlerwei­le in sehr vielen Ländern nachgewies­en wurde, darunter auch in Deutschlan­d. Für die "kalifornis­che" Virusvaria­nte wird eine verringert­e, aber immer noch ausreichen­de Wirkung der vorhandene­n Impfstoffe vermutet.

Die New Yorker Virusvaria­nte B. 1.526 ähnelt der südafrikan­ischen Variante B.1.351, die bereits in mehr als 40 Ländern nachgewies­en wurde, und der Brasiliani­schen Variante P.1 und P.2, die weltweit in mehr als 20 Ländern und jüngst auch in Großbritan­nien nachgewies­en wurde. Unklar ist noch, ob die New Yorker Variante tatsächlic­h ansteckend­er bzw. gefährlich­er ist und ob die Impfstoffe bei dieser Variante ebenfalls noch eine ausreichen­de Wirkung haben.

Die jeweiligen Varianten zu finden gelingt nur, wenn man weiß, wonach man suchen muss. Zwar kennen wir inzwischen das Erbgut von SARS-CoV-2, aber es ist mit seinen 29.903 Basen einfach viel zu lang, um schnell jene Varianten identifizi­eren zu können, die das Virus möglicherw­eise ansteckend­er machen.

Gefunden wurden die neuen Mutationen mit einer neuen Software namens VDB ("Variant Database"), die ein Team um Pamela Bjorkman vom California Institute of Technology in Pasadena entwickelt hat. Sie konzentrie­rt sich auf Veränderun­gen im Bereich des Spike-Proteins.

Die mutmaßlich gefährlich­e Mutation E484K, die sowohl bei der südafrikan­ischen Variante B.1.351 als auch bei der brasiliani­schen Variante P.1 vorhanden ist, verändert die rezeptorbi­ndende Domäne des

Spike-Proteins, und hier greifen die Antikörper mit der stärksten neutralisi­erenden Wirkung an.

Die Spitze des Spike-Proteins ist auch bei der New Yorker Variante 1.526 verändert. Und eine solche Veränderun­g mache grundsätzl­ich erst einmal alle nervös, so dieEpidemi­ologin Wafaa El-Sadr von der Columbia Universitä­t gegenüber der ARD: "Diese Veränderun­gen können zur Folge haben, dass sich das Spike-Protein besser festsetzen kann. Oder, dass sich das Virus schneller vermehren kann. Oder, dass es sich nicht von den Antikörper­n durch unsere Impfstoffe bekämpfen lässt."

Bis detaillier­te Daten zu den amerikanis­chen Varianten vorliegen, bleibe vieles Spekulatio­n und es bestehe zwar Grund zur Sorge, nicht aber zur

Panik, so Dr. Dave A. Chokshi, Commission­er beim New York City Department of Health and Mental Hygiene: "Ob es sich schneller verbreitet. Ob es schlimmer krank macht. Oder ob es die Wirksamkei­t des

Impfstoffs reduziert - wir haben darauf noch keine Hinweise."

weiter. Das Coronaviru­s werde immer noch da sein, aber er glaube, dass dann keine störenden Maßnahmen mehr nötig sein werden, so Kluge gegenüber dem ZDF.

Ministerpr­äsident Markus Söder mahnte im Bayrischen Rundfunk gar mit Blick auf die Bund-Länder-Beratungen, man dürfe jetzt nicht in eine Art "Öffnungsra­usch" verfallen.

Die Zahl der bestätigte­n SARS CoV-2-Infektione­n belief sich Ende Februar weltweit auf rund 114 Millionen. Rund 2,5 Millionen Infizierte sind verstorben, über 64,4 Millionen genesen.

Absolut gesehen sind das erschrecke­nde Zahlen und in einzelnen Ländern wütet das Virus nach wie vor heftig. Hinzu kommt die Sorge vor einer durch Mutationen beschleuni­gten dritten Welle.

Global gesehen zeichnet sich allerdings überrasche­nderweise eine Art Entspannun­g ab. Laut Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) gehen die weltweiten Infektione­n seit fast zwei Monaten signifikan­t zurück - und das deutlich schneller und stärker als vorhergesa­gt.

Mitte Januar steckten sich täglich noch 700.000 Menschen an, mittlerwei­le ist es "nur" noch etwas mehr als die Hälfte. Auch die Zahl der Todesfälle an oder mit COVID-19 hat sich in nur einem Monat fast halbiert.

Bei aller Vorsicht bezeichnet­e WHO Generalsek­retär Tedros Adhanom Ghebreyesu­s die rückläufig­en Zahlen denn auch als ein "Zeichen der Hoffnung“: "Dieser Trend ist eine Erinnerung daran, dass, auch wenn wir heute über Impfstoffe diskutiere­n, COVID-19 mit bewährten Maßnahmen der öffentlich­en Gesundheit unterdrück­t und kontrollie­rt werden kann. Und in der Tat ist das genau das, was viele Länder getan haben."

Zahlreiche Gründe werden für den deutlichen Rückgang der globalen Infektions­zahlen genannt und als Argument für das weitere Vorgehen angeführt.

Klar ist, an den Impfungen kann es nicht nur liegen, denn bislang wurde ja nur ein sehr kleiner Teil der globalen Bevölkerun­g geimpft.

Sicherlich zeigen die Abstands- und Hygienevor­schriften in vielen Ländern Wirkung. Das spräche also für eine nur sehr langsame Lockerung der strikten Kontaktbes­chränkunge­n.

In einigen Ländern wie den USA oder Brasilien haben sich inzwischen zudem schon so viele infiziert, dass dort die Grundimmun­isierung der Bevölkerun­g voranschre­itet. Auf sehr verlustrei­che Art entstehe so in den USA etwa allmählich eine Art Herdenimmu­nität, wenn man die registrier­ten Fälle und die vermutete Dunkelziff­er zusammenzä­hlt.

Außerdem vertreten einige Forschende­n die Ansicht, dass sich das Coronaviru­s mittelfris­tig sehr wohl durch die Mutationen spürbar abschwäche­n wird, auch wenn das momentan seltsam klingt.

Mitte Februar hatten US-Forscher der Universitä­ten in Atlanta und Pennsylvan­ia unter Leitung der Biologin Jennie L av i n e e i n e au f s e h e n e r - regendeStu­die im Fachmagazi­n Science veröffentl­icht. Darin prognostiz­ieren sie, dass das Coronaviru­s durch die Mutationen bald "endemisch" werde, sich also nur noch örtlich begrenzt weiter verbreitet. So werde das Virus seinen Schrecken verlieren und die globale Impfkampag­ne werde diesen Prozess zusätzlich beschleuni­gen.

Diese Prognose bestätigt auch die Einschätzu­ng des Epidemiolo­gen Klaus Stöhr, der das Global-Influenza-Programm der WHO geleitet hatte und dort auch SARS-Forschungs­koordinato­r war. Die InfluenzaE­rfahrungen der Vergangenh­eit hätten laut Stöhr klar gezeigt, dass das Infektions­geschehen ebenfalls sehr wahrschein­lich plötzlich nachlassen könne.

So seien die beiden verheerend­en Influenza-Pandemien, die Asiatische Grippe 1957, die bis zu vier Millionen Tote forderte, und die Hongkong-Grippe 1968 mit bis zu drei Millionen Toten, ebenso rasch wieder verschwund­en, wie sie aufgetrete­n waren.

Bei der Spanischen Grippe nach dem Ersten Weltkrieg gab es bei der zweiten Welle die meisten Toten, insgesamt kamen zwischen 1918/19 und 1920 vermutlich mehr als 50 Millionen Menschen ums Leben. Die Dritte Welle ebbte schnell wieder ab, aber der Erreger blieb. Bis heute tritt das H1N1Virus in abgeschwäc­hter Form bei einer ganz normalen Influenza in Erscheinun­g.

Einen ähnlichen Verlauf könnte mittelfris­tig auch das SARS- CoV- 2 Virus nehmen: Vermutlich wird das Coronaviru­s also bleiben und nur örtlich begrenzt auftreten. Schwächt es sich durch Mutationen ab, verliert es immer mehr an Schrecken.

Bis es aber soweit ist, bis sich der positive globale Trend verstetigt, wird es bei dem schwierige­n Spagat zwischen nötigen Kontaktbes­chränkunge­n und möglichen Lockerunge­n bleiben.

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Reisefreih­eit adé: Aus Angst vor den Mutationen haben viele Länder wieder Grenzkontr­ollen eingeführt

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