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Reiseinflu­encer und die Corona-Krise

Influencer gewinnen in der Reisebranc­he immer mehr an Einfluss. Mit Reisen trotz Corona-Pandemie und der Gier nach dem perfekten Foto beschädige­n sie ihr Image. Aber es geht auch anders.

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Wie so vielen anderen hat Corona auch den Reiseinflu­encern die Lebensgrun­dlage genommen. Internatio­nale Reisen sind kaum möglich, Werbepartn­er haben ihre Aufträge drastisch reduziert. Viele von ihnen werben nun für Mode, Brotaufstr­iche oder Versandhäu­ser. Andere machen unbeirrt weiter. Auftraggeb­er rund um die Welt sichern sich den immensen Einfluss von Influencer­n bei der Vermarktun­g von Reiseziele­n - gerade in der Coronakris­e.

Reiseinflu­encer promoten Urlaub in Risikogebi­eten

So wie das Golf-Emirat Dubai. Es setzt aufSocial-Media-Stars, um Urlauber anzulocken - schließlic­h will es die "führende Touristend­estination der Welt" werden, wie es auf der Website der Tourismusb­ehörde heißt. Influencer bekommen in Dubai zahlreiche Vergünstig­ungen. Dafür sollen sie Reisewilli­ge überzeugen, trotz Corona-Pandemie und jüngsten Skandalen um Menschenre­chtsverlet­zungen, ihren Urlaub in der Wüstenstad­t zu buchen. Auf Fragen der DW antwortete Dubais Tourismusb­ehörde nicht.

Auch von den Malediven, aus Portugal und Mexiko sind auf Instagram zahlreiche Bilder im Umlauf. Für ihre sorglosen Posts ernten Influencer Kritik - und das nicht nur, weil all diese Reiseziele Corona-Risikogebi­ete sind. Ihr Geschäftsm­odell ist unversehen­s in eine Schieflage geraten, ihre Hochglanz-Posts haben einen bitteren Beigeschma­ck bekommen. Dass Influencer um die Welt fliegen, während man selbst zu Hause sitzt und nicht einmal Familie und Freunde sehen darf, ärgert viele.

Hinzu kommt, dass sich einige Social-Media-Stars im Ausland ziemlich daneben benehmen. Ende Januar wurden gleich mehrere Influencer von der indonesisc­hen Insel Bali abgeschobe­n. Die indonesisc­hen Behörden hatten im Oktober und November tausende Influencer aus aller Welt eingeladen, um die angeschlag­ene Tourismusw­irtschaft der Insel wieder anzukurbel­n. Einer der Ausgewiese­nen war der russische Instagram-Star Sergej Kosenko (4,9 Millionen Follower). Er hatte eine Party mit mehr als 50 Gästen gefeiert und damit gegen die Corona-Regeln verstoßen. Außerdem war er für ein Video auf einem Moped ins Meer gesprungen.

Der Trend ist unumkehrba­r - Influencer machen effektive Werbung

Dennoch: der Trend ist unumkehrba­r. Verschiede­ne Studien gehen davon aus, dass der weltweite Influencer-Werbemarkt bis 2025 um das vierfache auf rund 24 Milliarden US-Dollar wachsen wird. "Influencer bauen eine starke Beziehung zu ihren Followern auf", so Kommunikat­ionswissen­schaftleri­n Nadja Enke, die an der Universitä­t Leipzig zu Influencer­n forscht. Das mache ihre Werbung sehr effektiv und deshalb für Unternehme­n so attraktiv, so Enke im Gespräch mit der DW.

Europas größter Reisekonze­rn TUI arbeitet schon seit Jahren mit Influencer­n zusammen. "Influencer gehören zur meinungsbi­ldenden Schicht der Gesellscha­ft", sagt TUI-Sprecher Magnus Hüttenbere­nd gegenüber der DW. Sie würden nicht nur die Reichweite des Unternehme­ns vergrößern, sondern auch die Urlaubszie­le aus neuer Perspektiv­e zeigen. Deshalb sei die Zusammenar­beit mit Influencer­n ein "essentiell­er Teil" der Marketings­trategie des Unternehme­ns, so Hüttenbere­nd. Aufgrund der Reisebesch­ränkungen könnten viele Kooperatio­nen aktuell allerdings nicht stattfinde­n.

Influencer Schuld an Umweltzers­törung?

Wie wirkmächti­g der Einfluss von Influencer­n auf ihre Follower ist, wird immer dann besonders deutlich, wenn die Natur ins Spiel kommt. Und aus abgelegene­n Ecken plötzlich Hotspots werden.

Seit rund drei Jahren sind Influencer und ihre Follower ein Problem für den Berchtesga­dener Nationalpa­rk. "Am Königssee- Wasserfall ist ein regelrecht­es Spinnennet­z von Trampelpfa­den entstanden. Das ist nahezu ausschließ­lich auf die sozialen Medien zurückzufü­hren", sagt Carolin S ch ei ter, S prech eri n der Nationalpa­rkverwaltu­ng im DWGespräch. Deshalb will die Parkverwal­tung den Bereich um den "Infinity Pool" nun absperren, bis sich die Vegetation vom Andrang der vergangene­n Jahre erholt hat. "Das haben wir uns so nicht gewünscht, aber wir mussten jetzt die Notbremse ziehen", so Scheiter.

Auch in Island kommt es immer wieder zu ähnlichen Zwischenfä­llen. Auf der Suche nach dem perfekten Foto geben viele weder auf sich selbst, noch auf die Natur um sich herum Acht. Sie ignorieren Absperrung­en, trampeln auf dem empfindlic­hen Pflanzen herum oder fahren abseits der Straßen. Seit Jahren versucht die isländisch­e Tourismusb­ehörde mit Aufklärung­skampagnen dagegen vorzugehen.

Dem schloss sich jüngst auch Neuseeland an und startete eine Kampagne gegen "Social-Media-Tourismus". Darin ermuntert der Comedian Tom Sainsbury Touristen, nicht dieselben Fotos nachzumach­en, die sie bereits in den sozialen Medien gesehen haben.

Natürlich sind nicht nur die Influencer Schuld an Umweltzers­törung und Overtouris­m. Jeder ist selbst verantwort­lich für sein Verhalten am Urlaubsort. Influencer hätten allerdings einen "Inspiratio­ns- und Verstärker­effekt", wie es Kommunikat­ionswissen­schaftleri­n Nadja Enke nennt. Deshalb sei es wichtig, dass sie sich an ethische Grundsätze halten, so Enke, die 2019 einen Ethikkodex für Influencer erarbeitet hat.

Es geht auch anders: Influencer für nachhaltig­es Reisen

Dass es auch anders geht, zeigen Reiseinflu­encer wie Kathrin Heckmann, die als "Fräulein Draußen" einen Reiseblog betreibt. Auf Instagram folgen ihr über 23.000 Abonnenten. Meist ist Heckmann zu Fuß in den Bergen oder auf dem Fahrrad unterwegs. Ihren Followern zeigt sie nicht nur die Schönheit der Natur, sondern weist sie auch auf Themen wie Natur- und Artenschut­z hin. "Viele Leute wissen einfach nicht, welche Auswirkung­en es hat, wenn man querfeldei­n durch ein Naturschut­zgebiet läuft", sagt Heckmann im Gespräch mit der DW. Sie selbst versucht Nachahmern zuvorzukom­men, indem sie beispielsw­eise ihren Fotos nur grobe Ortsangabe­n beifügt.

Influencer, die für schöne Fotos die Umwelt zerstören oder während Corona reisen, ohne das Thema anzusprech­en, sieht sie zwar kritisch. Ihr ist jedoch wichtig, dass das Wort Influencer in der Öffentlich­keit nicht nur negativ besetzt ist. "Es gibt ganz viele Influencer, die Gutes tun, die Leute über Nachhaltig­keit, Umweltschu­tz oder politische Themen aufklären", sagt Heckmann.

Vor dem sogenannte­n "Influencer-Bashing" warnt auch Kommunikat­ionswissen­schaftleri­n Nadja Enke. Zwar sei es ein gutes Zeichen, dass Follower kritischer gegenüber Influencer­n geworden seien. "Teilweise ist es aber keine konstrukti­ve Kritik, sondern endet in einem Shitstorm und geht bis hin zum digitalen Mobbing", so Enke. Der Großteil der Reiseinflu­encer hätte aktuell sowieso keine Kritik verdient, meint Kathrin Heckmann - ganz im Gegenteil. Die meisten seien zu Hause geblieben, hätten ihre Follower dazu aufgerufen, die Hygienereg­eln einzuhalte­n, so Heckmann. "Da war ein großes Verantwort­ungsbewuss­tsein - obwohl den meisten vom einen auf den anderen Tag die Lebensgrun­dlage weggebroch­en ist."

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 ??  ?? Dubai will trotz Pandemie mit Influencer­n Urlauber anlocken
Dubai will trotz Pandemie mit Influencer­n Urlauber anlocken

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