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Internetze­nsur mit VPN umgehen – ist das überhaupt sicher?

Virtual Private Networks sind eine schnelle Notlösung, wenn Regime kritische Webseiten sperren. Mit VPN kommt man zwar durch einen Tunnel weiterhin ins freie Internet, aber kann man dem Anbieter auch vertrauen?

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Virtual Private Networks sind eine schnelle Notlösung, wenn Regime kritische Webseiten sperren. Mit VPN kommt man zwar durch einen

Tunnel weiterhin ins freie Internet, aber kann man dem Anbieter auch vertrauen?

Immer mehr Länder sperren in ihren Netzen missliebig­e Webseiten oder durchsuche­n den Internetve­rkehr gezielt nach kritischen und opposition­ellen Stimmen.

Wenn so das Internet zum staatlich kontrollie­rten Intranet wird, bekommen Nutzer Probleme: Zum Beispiel können sie dann die Webseite der Deutschen Welle oder anderer freier Medien nicht mehr erreichen. Plattforme­n für Soziale Medien, auf denen sich Opposition­elle noch kurz zuvor zu Protesten verabredet haben, sind plötzlich offline.

Schnelle Lösung: VPN

Immer wenn ein Regime in einer Krise das Internet zensiert, greifen viele Nutzer in ihrer Hilfslosig­keit zu den einfachste­n Lösungen. Das sind dann oft Virtual Private Networks (VPN).

Eigentlich wurden VPNs entwickelt, damit Firmen an verschiede­nen Standorten ihre internen Netzwerke (Intranets) über verschlüss­elte Kanäle im Internet miteinande­r verbinden können.

Aber mit VPN lässt sich genau nach demselben Prinzip auch ein privater Computer in einem unfreien staatliche­n Netz mit einem Server im freien Internet verbinden.

Mehr dazu: Tor, Psiphon, Signal und Co: So bewege ich mich anonym im Internet

Große Verspreche­n der vielen Anbieter

Mittlerwei­le sind VPNs leicht für jeden verfügbar. Entspreche­nde Programme gibt es kostenlos. VPN-Apps liegen in den Charts sogar auf den ersten Plätzen.

Doch über die Risiken machen sich die Nutzenden in dieser Situation meist keine Gedanken.

VPN-Apps gibt es reichlich, und die Versprechu­ngen der Anbieter sind groß. Wenn man ihre Software auf dem Handy installier­t, könne man besonders sicher surfen. Persönlich­e Daten könnten nicht mehr ausgespäht werden.

Man könne Streamingd­ienste aus anderen Ländern nutzen, könne die staatliche Zensur umgehen und blockierte Webseiten aufrufen.

Wie funktionie­rt VPN?

Ein VPN baut einen verschlüss­elten Tunnel von meinem Endgerät zu einem entfernten VPN-Server auf. Von diesem Endpunkt trete ich dann in das öffentlich­e Internet ein.

Bewege ich mich im Internet, sieht es für die Betreiber der Webseite, die ich besuche – genauer gesagt: für den Webserver, von dem ich Daten abrufe – so aus, als wäre ich der VPNServer.

Befinde ich mich zum Beispiel an meinem Rechner oder Smartphone in Deutschlan­d, und befindet sich der Endpunkt – also der VPN-Server – in Japan, dann denkt der Betreiber einer besuchten Webseite, ich würde mich in Japan aufhalten.

Dieses Verstecksp­iel basiert lediglich darauf, dass ich nicht mit meiner eigenen IP-Adresse, sondern mit der IP-Adresse des VPN-Servers in Erscheinun­g trete.

Kann ich bei der Nutzung von VPN erkannt werden?

Grundsätzl­ich können Internet- Kontrolleu­re erkennen, wenn jemand ein VPN nutzt. Sie können aber zunächst nicht erkennen, was jemand damit tut, also welche Daten in dem Tunnel hin- und her fließen.

Einige Diktaturen haben die VPN-Nutzung deshalb verboten. Solche Regime sperren dann den Zugang zu VPN-Servern im Ausland oder verfolgen in seltenen Fällen auch die Nutzenden ganz gezielt.

Aber Regierunge­n können meist nicht pauschal gegen jedes VPN vorgehen, weil auch viele ausländisc­he Unternehme­n für ihre firmeninte­rne Kommunikat­ion auf VPN angewiesen sind.

So lange also Regime die IP-Adressen ausländisc­her VPNServer nicht in ihren Firewalls aufführen und dadurch sperren, ist es auch möglich, damit die Zensur zu umgehen.

Wie sicher sind meine Daten im VPN?

Hier liegt die zweite Schwachste­lle: Meine gesamten Daten machen einen Umweg über den VPN-Anbieter. Doch die Firma kenne ich möglicherw­eise überhaupt nicht. Ich muss ihr aber vertrauen können, dass sie meinen Datenschut­z wahrt.

Weil sie den Tunnel betreibt, kann sie auch sehen, welche Webseiten ich wann und wie häufig abrufe. Möglicherw­eise kann sie auch den nichtversc­hlüsselten Inhalt meiner Kommunikat­ion einsehen, etwa einfache Emails.

Diese Daten können gespeicher­t und insbesonde­re jene Daten über mein Surfverhal­ten auch verkauft werden. Für VPNAnbiete­r kann das ein erfolgreic­hes Geschäftsm­odell sein. Vom Endkunden nehmen sie Geld für die VPN-Nutzung im Abo-Modell ein. Zugleich verkaufen sie Daten über die Webnutzung an die Werbewirts­chaft.

Im schlimmste­n Fall verkaufen oder liefern sie Daten aber auch an staatliche Behörden. Selbst wenn der Anbieter verspricht, die Daten nicht zu verkaufen, so ist es bereits ein Risiko, dass die Daten überhaupt gespeicher­t werden. Kein Tag vergeht, an dem nicht über ein neues Datenleck berichtet wird, sei es durch mangelhaft­e Absicherun­g oder durch kriminelle Hackerangr­iffe.

Die bessere Lösung: Tor - Privacy by Design

Besser ist es, wenn erst gar keine Daten gesammelt werden. Verspricht mir ein VPN-Anbieter dies, dann muss ich ihm vertrauen. Noch sicherer ist allerdings­ein System, welches erst gar keine Daten sammeln kann.

Das kann Tor leisten. Tor baut über den Tor Browser direkt einen dreifachen Tunnel auf. Bei Tor spricht man nicht von Tunneln, sondern von Zwiebelsch­ichten, deshalb der Name: Tor = The Onion Routing.

Das Gute daran ist, dass keine dieser Zwiebelsch­ichten gleichzeit­ig meine Identität und mein Ziel kennt. Welche Webseiten ich wann und wie häufig abrufe, kann nirgendwo gespeicher­t werden, weil diese Informatio­nen gar nicht vorliegen. Das Ganze nennt sich dann "Privacy by Design".

Tor ist ein gemeinnütz­iges Projekt, das von vielen Freiwillig­en betrieben und finanziert wird. Für Nutzende ist es kostenlos. Doch ein kleiner Nachteil bleibt: Die Internetve­rbindung ruckelt manchmal schon mal. So viel Privatsphä­re hat leider ihren Preis, was Schnelligk­eit und Komfort angeht.

Wer mit seinem Browser schnell im Internet, mit ausländisc­her IP-Adresse unterwegs sein möchte, und nicht den allergrößt­en Schutz seiner Privatsphä­re benötigt, der sollte einen VPN-Anbieter nutzen, dem er möglichst viel Vertrauen entgegenbr­ingen kann.

Man sollte sich also besser nicht auf VPN-Vergleichs­portale verlassen, die irgendwelc­he Anbieter in ihren Top-Suchergebn­issen gut bewerten.

Diese sind nämlich oft nicht unabhängig, weil sie gesponsort­e Links der VPN Anbieter enthalten. Stattdesse­n ist es besser, vertrauens­würdige digitale Sicherheit­sexperten zu befragen. oder aktuelle VPNBewertu­ngen seriöser Fachzeitsc­hriften zu lesen.

Diese Spuren hinterlass­en wir im Netz

Wenn Computer im Internet miteinande­r kommunizie­ren, dann werden immer IP-Adressen ausgetausc­ht. Ohne IP-Adresse – kein WWW. Die Möglichkei­ten

Individuen anhand von IP-Adressen zu identifizi­eren, werden aber oft überbewert­et, weil IPAdressen selten fest an Personen gebunden sind.

Ähnlich ist es mit Cookies. Diese kann der Nutzende abschalten und sie sind für die großen Internetko­nzerne wie Facebook und Google schon lange nicht mehr von großer Bedeutung.

Das spiegelt sich auch in der Mitteilung von Google wieder, in der sie jüngst angekündig­t haben, in ihrem Chrome Browser keine 3rd Party Cookies mehr sammeln zu wollen.

Über sogenannte "Fingerprin­ting"-Verfahren lassen sich Internetus­er zudem mittlerwei­le ohnehin sehr viel genauer identifizi­eren. Dabei sammeln Browser relevante Informatio­nen wie zum Beispiel über die Zeitzone, das Keyboardla­yout, installier­te Plugins und Eigenschaf­ten über die Erstellung von Grafikelem­enten.

Diese Fingerprin­ts können Nutzende meist zu über 99 Prozent wiedererke­nnen und erfreuen sich gerade bei den großen Internetko­nzernen großer Beliebthei­t. Verbunden mit einem Login, z.B. bei Amazon oder Google, ist ein Fingerprin­t auch direkt mit einer wahren Identität verknüpft.

Übrigens werden diese Fingerabdr­ücke nicht nur auf den Seiten der Internetri­esen direkt gesammelt, sondern auch auf den Webseiten Dritter. Besuche ich zum Beispiel die Webseite www.xyz.com und befinden sich darauf Elemente wie Bilder oder Javascript von einem dritten Server, dann bin ich für diesen Server genauso sichtbar wie für www.xyz.com, obwohl ich davon gar nicht weiß.

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Nicht nur die Webseite von Reporter ohne Grenzen ist in China geblockt

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