Deutsche Welle (German edition)

Mit Schnelltes­ts aus dem Lockdown?

Wochenlang haben Politiker diskutiert, ob und wie Schnelltes­ts in Deutschlan­d zum Einsatz kommen. Jetzt steht zumindest ein Plan. Welche Rolle spielen Selbstund Schnelltes­ts für den Weg aus der Pandemie?

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25 oder sogar 50 Euro für einen Corona-Schnelltes­t? Solche Preise dürften in Deutschlan­d bald der Vergangenh­eit angehören. Die jüngsten Beschlüsse, auf die sich Bundeskanz­lerin Angela Merkel und die Ministerpr­äsidentinn­en und Ministerpr­äsidenten der 16 Bundesländ­er am Mittwoch geeinigt haben, sehen eine komplexe Schritt-für-Schritt-Anleitung vor, um Deutschlan­d aus dem Lockdown herauszufü­hren. Und der massenhaft­e Gebrauch von Schnelltes­ts spielt dabei eine Schlüsselr­olle.

Die Bundesregi­erung wird voraussich­tlich ab nächster

Woche die Kosten für Schnelltes­ts übernehmen. Jeder Mensch in Deutschlan­d hat dann Anspruch auf einen wöchentlic­hen Test, entweder in einem Testzentru­m, einer Arztpraxis oder am Arbeitspla­tz.

Durchgefüh­rt werden sollen die Tests von geschultem Personal. Kindergart­enkinder, Schüler, Lehrer und Erzieher stehen dabei besonders im Fokus, damit Schulen und Kindertage­sstätten geöffnet bleiben können.

Schnelltes­ts auf dem Vormarsch

Am Donnerstag sagte G es und heits minister JensSpahn, die Bundesregi­erung habe mindestens 200 Millionen Selbsttest­s und 800 Millionen Schnelltes­ts bestellt, von denen 150 Millionen bei den Lieferante­n auf Lager sind. Selbsttest­s funktionie­ren nach demselben Prinzip wie die Schnelltes­ts, der Abstrich aus

Nase oder Rachen kann jedoch ohne geschultes Personal durchgefüh­rt werden.

Zuvor war auch die Zahl von zwei wöchentlic­hen Tests pro Person diskutiert worden, was etwa 160 Millionen Tests bedeutet hätte. Doch selbst der genehmigte Plan mit nur einem Test pro Person und Woche könnte die Vorräte schnell erschöpfen. Kritiker sagen, zunächst müssten diese Testkapazi­täten bereitgest­ellt sein – und dann erst könne man weitere Öffnungssc­hritte gehen.

"Auch Öffnung der Schulen ohne Schnelltes­ts wird Inzidenz treiben", prognostiz­iert etwa der SPD- Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach. Die Teststrate­gie für Schulen und Betriebe sei unklar, die nötigen Schnelltes­ts fehlten noch. Gesundheit­sminister Jens Spahn hatte ursprüngli­ch flächendec­kende Tests ab dem 1. März angekündig­t.

Erst Öffnung, dann Schnelltes­ts?

Auch viele Vertreter lokaler Behörden zeigten sich nach der Einigung zwischen Bund und Ländern skeptisch. In kleineren Städten und ländlicher­en Gebieten könnte es schwierig werden, die notwendige­n Tests zu beschaffen und durchzufüh­ren, so die Sorge.

"Gerade da kann ich Ihnen nicht sagen, wie das gehen soll, dass in bestimmten Testzentre­n da Tests laufen", sagte etwa Oliver Hermann, Bürgermeis­ter der Kleinstadt Wittenberg­e und Vorsitzend­er des Städte- und

Gemeindebu­ndes im Land Brandenbur­g, dem öffentlich-rechtliche­n Sender rbb.

Denn ein solches Testzentru­m sei ihm bislang nicht bekannt. Er sehe daher nicht, wie die Bürger schon ab kommenden Montag an die Schnelltes­ts kommen sollten. "Ich glaube, da wäre es gut, wenn man relativ frühzeitig zu einer klaren Kommunikat­ion und Strategie kommt."

Selbsttest­s: Bald auch beim Discounter

Große Lebensmitt­el- und Drogerieke­tten sowie Apotheken haben bereits angekündig­t, dass sie bald mit dem Verkauf von Selbsttest-Kits für zu Hause beginnen werden. Also den Tests, die jeder ohne Schulung durchführe­n kann.

Die Preise hierfür stehen teilweise noch nicht fest. Der Discounter Aldi will mit einer Fünfer-Packung Selbsttest­s zum Preis von 25 Euro starten. Bei den Selbsttest­s war eine staatliche Förderung im Gespräch, die den Eigenantei­l auf einen Euro gesenkt hätte. Völlig kostenfrei will nun der Drogeriema­rkt dm Tests vor seinen Märkten zur Verfügung stellen.

Geschwindi­gkeit versus Zuverlässi­gkeit

Schnelltes­ts waren bislang vor allem für medizinisc­hes Personal und andere wichtige Berufsgrup­pen verfügbar. Alle anderen mussten sich ihren eigenen Schnelltes­t organisier­en und bezahlen, in einer Arztpraxis oder in privaten Testzentre­n.

Einige dieser Tests haben sich dabei als unzuverläs­sig erwiesen. Die genaueren PCRTests, die im Labor ausgewerte­t werden und deshalb mehr Zeit benötigen, waren in Deutschlan­d weitgehend denjenigen vorbehalte­n, die Symptome zeigten.

Schnelltes­ts können in weniger als 30 Minuten ein einigermaß­en genaues Ergebnis liefern. Doch Gesundheit­sexperten warnen, dass sie kein Allheilmit­tel seien und die Ausbreitun­g des Corona-Virus nicht allein eindämmen könnten. Die Schnelltes­t haben eine ähnliche Spezifität wie ein PCR-Test, ein positives Ergebnis bei fehlender Infektion ist also unwahrsche­inlich.

Ihre Sensitivät ist aber geringer. Das bedeutet, dass die Tests öfter ein negatives Ergebnis anzeigen, obwohl eine Infektion vorliegt. Sie könnten deshalb Menschen in falscher Sicherheit wiegen.

Schnelltes­ts, ob für den Hausgebrau­ch oder für den Einsatz von geschultem Personal, sind zudem keinen einheitlic­hen Qualitätss­tandards unterworfe­n. Das Paul-Ehrlich-Institut für Impfstoffe und biomedizin­ische Arzneimitt­el hat zwar Mindestkri­terien entwickelt, an die sich die Testherste­ller halten müssen - aber es sind Richtlinie­n, keine Vorschrift­en. Dutzende solcher Tests sind auf dem Markt, nur wenige wurden bislang unabhängig bewertet.

Isolation sofort möglich

Das ändert sich nun langsam. Vergangene Woche veröffentl­ichte das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte (BfArM) eine Liste von Selbsttest­s, die eine Sondergene­hmigung erhalten haben. Schnelltes­ts, die vom Staat finanziert werden, müssen bestimmte Standards erfüllen.

Trotz des Risikos falsch-negativer Ergebnisse hoffen die Behörden, dass durch massenhaft­e Tests mehr Corona-Fälle entdeckt werden und dass durch die schnellen Ergebnisse weniger Zeit vergeht, bis sich Infizierte in Isolation begeben. Zu Hause durchgefüh­rte Selbsttest­s haben den Vorteil, dass die Isolation sofort beginnen könnte.

Allerdings werden solche positiven Selbsttest-Ergebnisse ohne einen offizielle­n Folgetest nicht von den Gesundheit­sbehörden erfasst. Das könnte wiederum zu einer Unterschät­zung der Inzidenzra­ten führen.

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Solche Schnelltes­ts soll es bald auch im Supermarkt zu kaufen geben

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