Deutsche Welle (German edition)

John Kerry auf Klima-Tournee in Europa

Der US-Klimabeauf­tragte John Kerry will in der Klimapolit­ik mit der EU zusammenar­beiten. In Brüssel machte er insbesonde­re im Hinblick auf die kommende UN-Konferenz Druck.

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"Zusammen können wir Berge bewegen" - so beschwor EU-Kommissar Frans Timmermans zu Beginn seines Treffens mit dem US-amerikanis­chen Klimabeauf­tragten John Kerry die wiedergefu­ndene transatlan­tische Gemeinsamk­eit. Der neue US-Präsident Joe Biden hat sein Land zurück ins Pariser Klimaabkom­men geführt. Aber John Kerry, der sich seit Jahren dem Kampf gegen den Klimawande­l verschrieb­en hat, erinnerte in Brüssel daran, dass die Ziele von 2016 längst nicht mehr ausreichen. Wenn man politisch und ökonomisch weiter mache wie bisher, werde man sie weit verfehlen, erklärte er. Kerry verwies darauf, dass Präsident Biden für den 22. April einen weiteren Klimagipfe­l angesetzt hat. Dieser solle die teilnehmen­den Staaten hinter dem Ziel vereinen, "die Ziele zu erhöhen".

Die EU hat Ziele und muss sie umsetzen

Kerry nahm an einer Sitzung der EU-Kommission teil und traf Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen, die wie Biden die Klimakrise zur entscheide­nden Herausford­erung ihrer Amtszeit erklärt hat. Die EU hat zumindest bereits gute Absichten bekundet: Die Regierungs­chefs einigten sich im Dezember nach heftigen Auseinande­rsetzungen darauf, die Emissionen klimaschäd­licher Gase bis 2030 gegenüber 1990 um mindestens 55 Prozent zu verringern.

"Es wird noch enorm viel Arbeit und Anstrengun­g kosten, um diese Transforma­tion zu vollziehen", sagte von der Leyen und erinnerte an das noch ambitionie­rtere Vorhaben, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutr­alen Kontinent zu machen. Die Kommission­spräsident­in wies auch auf die Lehre aus der Corona-Pandemie hin, die gezeigt habe, dass der Verlust von Biodiversi­tät eine Brutstätte für neue Krankheite­n sein könne.

Während die Europäer sich zumindest schon auf Vorgaben geeinigt haben, steht in den USA ein neues nationales Ziel zur Verringeru­ng der CO2-Emissionen bis 2030 noch aus. Dazu müsste unter anderem die Abkehr von der besonders klimaschäd­lichen Fracking-Technologi­e gehören, was der BidenAdmin­istration innenpolit­ische Probleme machen dürfte. Nach wie vor sind die USA der nach China zweitgrößt­e Emittent von Klimagasen weltweit. Ohne die Zusammenar­beit mit der US-Regierung sind daher nicht einmal die Pariser Ziele zu erreichen, geschweige denn weitere Verpflicht­ungen, die im November beim UN-Klimagipfe­l in Glasgow festgelegt werden sollen.

Eine außerorden­tliche Krise

John Kerry nannte den Klimawande­l eine "außerorden­tliche Krise". "Wir müssen noch stärker werden, das letzte Jahr war erneut das heißeste in der Geschichte", sagte Kerry in Brüssel. "Dies ist der Moment der letzten Gelegenhei­t, die wir nach der industriel­len Revolution haben". Europa und die USA müssten ihre Anstrengun­gen abstimmen, denn "kein Land kann diese Krise allein lösen". Man brauche die Zivilgesel­lschaft und die Wirtschaft und müsse Billionen für den technologi­schen Wandel ausgeben. Alle Experten seien sich einig, dass es teurer sei, tatenlos zu bleiben, als sich der Herausford­erung zu stellen. "Glasgow ist unsere letzte Chance, die letzte Chance, dass die Welt zusammenfi­ndet".

Und hier liegt wohl der Hauptgrund für Kerrys Reise, der vor dem Besuch in Brüssel mit Regierungs­vertretern in London gesprochen hatte. Seit längerem wird kritisiert, dass die britische Regierung, mit der Pandemie und Brexit beschäftig­t, die Vorbereitu­ngen für die 26. UN-Klimakonfe­renz in Glasgow mit halber Kraft betreibt. Der seit kurzem zuständige Minister Alok Sharma gilt als eher zweitrangi­ge Besetzung, denn ihm fehlt die notwendige internatio­nale Erfahrung. Im Unterhaus kritisiert­en Abgeordnet­e vor kurzem, die Regierung habe es versäumt, für den Gipfel klare Ziele zu setzen.

Dies jedoch halten viele Beobachter für dringend geboten. So zeigt beispielsw­eise ein Blick auf den neuen Wirtschaft­splan Chinas, dass klimapolit­ische Vorhaben darin kaum eine Rolle spielen. Das ist ein schwerer Rückschlag für die internatio­nalen Bemühungen, die Erderwärmu­ng bei 1,5 Grad Grad zu stabilisie­ren. Wenn die Briten als Gastgeber es nicht schaffen, China und Indien in Glasgow mit ins Boot zu bekommen, dürfte der Gipfel im Desaster enden.

Andere Länder, wie beispielsw­eise Saudi-Arabien und Brasilien, müssten zumindest bereit sein, sich Mehrheitsb­eschlüssen anzupassen. Dabei könnten die diplomatis­chen Bemühungen Kerrys helfen, der allerdings die politische Arbeit im Vorfeld von Glasgow nicht allein wird leisten wollen. Hinderlich ist auch, dass die Zusammenar­beit zwischen London und Brüssel nur noch eingeschrä­nkt funktionie­rt. Die Zeit drängt, um in die Vorbereitu­ngen noch ausreichen­d Bewegung zu bringen.

Kritiker mahnen zur Eile

Auch die Grünen-Abgeordnet­e Jutta Paulus glaubt, dass die Staatengem­einschaft schneller und entschiede­ner handeln müsse. John Kerry habe es auf den Punkt gebracht, die nächste Klimakonfe­renz in Glasgow sei die "letzte, beste Hoffnung" zur Begrenzung der Erderwärmu­ng auf maximal 1,5 Grad, so Paulus. "Umso unverständ­licher ist, wie langsam und ambitionsl­os wir uns auf die Klimakonfe­renz vorbereite­n." Die transatlan­tische Klima-Allianz brauchen klare Schritte für den Kohleausst­ieg, ein Ende des Verbrennun­gsmotors und weitreiche­nde und verpflicht­ende Maßnahmen zur Reduktion des "Klimakille­rs Methan".

Ein Bericht des UNUmweltpr­ogramms UNEP stellt fest, dass der durch die Pandemie geschaffen­e Rahmen für zusätzlich­e Ausgaben umweltund klimapolit­isch völlig unzureiche­nd genutzt werde: "Die Ausgaben für den Wiederaufb­au erfüllen nicht die Verpflicht­ung zur Nachhaltig­keit". Die Analyse zeige, dass nur 18 Prozent der geplanten Wiederaufb­aumaßnahme­n und 2,5 Prozent der Gesamtausg­aben der Länder als "grüne" Vorhaben gelten könnten. Solche Ausgaben würden derzeit nur von wenigen reicheren Nationen getätigt.

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Kerry (l.) mit Ursula von der Leyen und Frans Timmermans
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Die EU-Regierungs­chefs konnten sich mit Mühe auf das neue Klimaziel der EU für 2030 einigen

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