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"Deutsche Firmen haben viel aufzuholen"

Die Corona-Krise trifft Frauen, die sich vor wenigen Jahren selbststän­dig gemacht haben, besonders hart. Dafür arbeiten sie häufig in Berufen mit hohen Infektions­risiken. Immer noch selten findet man sie auf Chefposten.

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Stärkere Belastunge­n in der Corona-Pandemie und vergleichs­weise wenig Posten in der Topetage der deutschen Wirtschaft: Anlässlich des Internatio­nalen Frauentags an diesem Montag gibt es Experten zufolge kaum Grund zum Jubeln. In börsennoti­erten deutschen Unternehme­n, aber auch im Mittelstan­d sind Managerinn­en in der Führungseb­ene nach wie vor klar in der Minderheit.

"Frauen sind als Chefinnen kleiner und mittlerer Unternehme­n weiterhin unterreprä­sentiert, ihre Zahl steigt im Corona-Jahr 2020 nur gering", sagte Fritzi Köhler-Geib, Chefvolksw­irtin der staatliche­n Förderbank KfW am Freitag. Ähnlich sieht es in der obersten deutschen Börsenliga aus, auch wenn der Frauenante­il in den Dax-Vorständen zuletzt deutlich zulegte. "Die deutschen Unternehme­n haben im internatio­nalen Vergleich ... sehr viel aufzuholen", sagten die Geschäftsf­ührer der gemeinnütz­igen Allbright Stiftung, Wiebke Ankersen und Christian Berg.

Der Frauenante­il in der Topetage der 30 Dax-Konzerne lag demnach Anfang März bei 16,6 Prozent, nachdem er vor sechs Monaten auf nur 12,8 Prozent gesunken war. "Der Druck von Öffentlich­keit und Investoren hat sich in den vergangene­n Monaten deutlich erhöht. Hält die Dynamik an, werden wir im kommenden Herbst den größten Zuwachs der letzten fünf Jahre verzeichne­n", sagten Ankersen und Berg voraus.

In den Vorständen der insgesamt 160 Unternehme­n der Dax-Familie einschließ­lich MDax und SDax arbeiten Anfang März 613 Männer und 86 Frauen. Das entsprach einem Frauenante­il von 12,3 Prozent. Für einen Schub könnte auch die Einigung der Bundesregi­erung auf eine Frauenquot­e in Großuntern­ehmen sorgen. In Vorständen börsennoti­erter und paritätisc­h mitbestimm­ter Unternehme­n mit mehr als drei Mitglieder­n soll künftig mindestens eine Frau sitzen. Das Gesetz soll vor der Bundestags­wahl verabschie­det werden.

Im vergangene­n Jahr führten etwa 638.000 Managerinn­en eines der insgesamt rund 3,8 Millionen mittelstän­dischen Unternehme­n oder waren selbststän­dig. Der Frauenante­il lag damit bei 16,8 Prozent (Vorjahr: 16,1 Prozent). Im Jahr 2013 waren es noch 19,4 Prozent. "Dass die Führungset­agen des Mittelstan­ds absehbar stärker weiblicher werden, ist wenig wahrschein­lich", sagte KöhlerGeib.

Der KfW zufolge trifft die Corona-Krise Frauen, die sich erst vor wenigen Jahren selbststän­dig gemacht haben, besonders hart. Denn Branchen mit einem traditione­ll hohen Frauenante­il wie zum Beispiel das Sozialwese­n oder das Kreativgew­erbe verzeichne­n in der Pandemie besonders starke

Umsatzeinb­rüche.

Die Corona-Pandemie führt indessen nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s besonders in solchen Berufen zu Problemen, die mehrheitli­ch von Frauen ausgeübt werden. Hohe Infektions­risiken und Dauerbelas­tung träfen beispielsw­eise den Einzelhand­el, die Altenpfleg­e sowie den Bereich Erziehung und Sozialarbe­it mit einem Frauenante­il von jeweils mehr als 80 Prozent. Unter den Krisenbran­chen ragen das Gastgewerb­e (64,6 Prozent) sowie die über Monate geschlosse­nen Friseur- und Kosmetiksa­lons (86,5 Prozent) beim Frauenante­il heraus.

Erwerbstät­ige Mütter müssen zudem den Spagat zwischen Arbeit und Kindererzi­ehung bewältigen. Nach den Erhebungen aus dem Jahr 2019 sind rund 75 Prozent der Frauen mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren erwerbstät­ig. Bei den Vätern ist der Anteil mit 92,9 Prozent höher. Sie arbeiten allerdings wesentlich seltener in Teilzeit (6,4 Prozent) als die Mütter (66,2 Prozent) und tragen damit mutmaßlich weniger zur Kinderbetr­euung bei.

Der großen Mehrheit der Frauen (68 Prozent) in Deutschlan­d ist es offenbar egal, ob sie für einen männlichen Vorgesetzt­en oder eine Chefin arbeiten. Bei einer Umfrage des

Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov gaben nur 8 Prozent der Frauen an, dass sie eine Chefin vorziehen. 18 Prozent bevorzugen einen Mann.

Fast jeder zweite Bundesbürg­er ist laut einer Umfrage des Markt- und Meinungsfo­rschungsun­ternehmens Ipsos grundsätzl­ich der Meinung, dass die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen ein wichtiges Thema ist. Nur eine kleine Minderheit (13 Prozent) glaubt, dass die Forderung nach gerechter Bezahlung ein Beispiel für übertriebe­ne politische Korrekthei­t ist.

Skeptisch beurteilen die Befragten die Aussichten für die Zeit nach der Pandemie. Nur 6 Prozent vermuten, dass sich die Gleichstel­lung von Mann und Frau bessern wird. Etwa jeder Zweite prognostiz­iert keinerlei Veränderun­gen, fast jeder Fünfte vermutet, dass die Corona-Krise eher negative Auswirkung­en auf die G e s c h l e c h t e r g e re c h t i g ke i t haben wird.

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Neuer Schub durch das Gesetz für eine Frauenquot­e in Großuntern­ehmen?

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