Deutsche Welle (German edition)

Der Schatten von Greensill ist über Monheim gekommen

Sicher ist der neueste Finanzskan­dal kein Vergleich mit Wirecard. Aber die Schieflage der Greensill-Bank wirft erneut ein schlechtes Licht auf die Bafin. Und manche Kommune zittert um ihre Einlagen.

-

Am Rathauspla­tz stehen die Monheimer schon im März vor dem Eisladen Schlange. In der kleinen Stadt am Rhein mit seinen 40.000 Einwohnern nickt man sich gegenseiti­g im Vorbeigehe­n zu. Auf den sonnigen Bänken gesellen sich viele zum Eis essen zueinander. Das Fahrrad des Bürgermeis­ters steht an seinem Stammplatz: am Seiteneing­ang des Rathauses. Monheim steht auch wirtschaft­lich auf der Sonnenseit­e, die Stadt ist seit ein paar Jahren schuldenfr­ei. Doch das könnte sich gerade ändern.

Plötzlich fehlen nämlich 38 Millionen Euro. Angesichts von Milliarden und Abermillia­rden, die gerade zur Bekämpfung der Corona-Pandemie in den Ring geworfen werden, ein Trinkgeld. Aber nicht für eine kleine Gemeinde wie Monheim am Rhein. Die Kommune gilt hierzuland­e als eine Art legale Steueroase mit niedrigen Gewerbeste­uersätzen. Und weil sich deswegen viele Unternehme­n angesiedel­t haben, mussten sich die Monheimer Gedanken machen, wo sie wegen der anhaltende­n Nullzinsen ihr Geld anlegen sollten.

Wer Zinsen will, muss ins Risiko gehen

Wer in diesen Zeiten Geld rentabel anlegen will, muss ins Risiko gehen. Die Bremer Greensill Bank bot solche Möglichkei­ten. In drei Tranchen hat die Monheimer Stadtverwa­ltung 38 Millionen Euro bei Greensill angelegt. Damals hatte sich die Stadt für das vermeintli­ch günstigste Angebot entschiede­n. "Um den Negativzin­s in Höhe von einigen 10.000 Euro im Monat zu vermeiden, haben wir den Blick dafür verloren, welches Risiko man diese 38 Millionen Euro aussetzt", sagt Monheims Bürgermeis­ter Daniel Zimmermann im Gespräch mit der DW.

In dieser Woche platzte die Bombe: Da legte die Finanzaufs­icht Bafin faktisch alle Geschäfte von Greensill auf Eis: Um die Vermögensw­erte der Bank zu sichern, untersagte die Behörde der Bank den Kundenverk­ehr ebenso wie Zahlungen oder Veräußerun­gen. Gelder darf Greensill nur noch annehmen, wenn sie zur Tilgung von Schulden bestimmt sind. Üppig dürften solche Gelder allerdings nicht fließen.

Die Greensill Bank ist zwar der Entschädig­ungseinric­htung

deutscher Banken zugeordnet. Die Einlagen von institutio­nellen Investoren sind jedoch seit dem 01. Oktober 2017 nicht mehr durch Einlagensi­cherungsfo­nds des Bundesverb­andes deutscher Banken gesichert. Der Stadt droht daher nun der Ausfall der gesamten Summe. "Es ist ein bitterer Schaden", meint Zimmermann. Kommende Woche werden in einer Sondersitz­ung des Rechnungsp­rüfungsaus­schusses andere Anlageprod­ukte der Stadt geprüft.

Greensill - wer dahinter steckt

Im Raum steht der Verdacht der Bilanzmani­pulation. Deswegen hat die Behörde auch gleich Anzeige bei der Staatsanwa­ltschaft Bremen gegen verantwort­liche Manager des Geldhauses gestellt. Erst vor wenigen Wochen hatten die Finanzaufs­eher einen Sonderprüf­er bei Greensill eingesetzt. Diese Prüfung habe ergeben, dass die Bank nicht in der Lage ist, den Nachweis über die Existenz bestimmter Forderunge­n im Zusammenha­ng mit GFC Alliance Group zu erbringen. GFG steht für Gupta Family Group. Sie gehört dem indischbri­tischen Stahlmagna­ten Sanjeev Gupta. Dessen Firma Liberty Steel wollte unlängst die Stahlspart­e von Thyssenkru­pp übernehmen, allerdings scheiterte das.

Wer oder was aber ist eigentlich diese Bank, von der die meisten Menschen vorher wohl noch nichts gehört haben dürften? Greensill ist der deutsche Ableger eines britischen Geldhauses gleichen Namens, dem die Pleite droht. Die Bank ist auf die sogenannte Lieferkett­enfinanzie­rung spezialisi­ert. Das heißt, sie bietet kurzfristi­ge Finanzieru­ngen an und leiht Unternehme­n Geld, damit die ihre Rechnungen bezahlen können.

Die Bremer Tochter hatte zum Ende des Jahres eine Bilanzsumm­e von 4,5 Milliarden Euro. Das ist eine gute Nachricht - denn für Banken ist das eine noch sehr überschaub­are Bilanzsumm­e. ( Zum Vergleich: Die Bilanzsumm­e der Deutschen Bank belief sich Ende 2020 auf 1,3 Billionen Euro.) Daher sei Greensill nach Auskunft der Bafin nicht systemrele­vant. "Ihre Notlage stellt daher keine Bedrohung für die Finanzstab­ilität dar."

Warum schwieg die Aufsicht?

In den vergangene­n Jahren jedenfalls schwoll die Bilanzsumm­e von Greensill in Deutschlan­d stark an. Denn die Bremer sammelten über OnlinePort­ale wie Zinspilot und Weltsparen in den vergangene­n Jahren viel Geld von privaten Sparern - und offenbar auch Kommunen wie der Stadt Monheim. Die Verbindlic­hkeiten gegenüber Kunden beliefen sich Ende 2019 laut Jahresabsc­hluss der Bank auf knapp 3,3 Milliarden Euro. Etwa eine Milliarde davon soll einem Bericht der Ratingagen­tur Scope zufolge von privaten Anlegern stammen.

Pikant an der Geschichte könnte werden, dass die Bafin bereits vor rund einem Jahr, Anfang 2020 Hinweise bekommen hat, dass es bei der Greensill-Bank Ungereimth­eiten geben könnte. Offenbar hatte der deutsche Bankenverb­and darauf aufmerksam gemacht, dass das Management von Greensill sich nicht an die Regeln eines Einlagensi­cherungsfo­nds der Privatbank­en halte.

"Unter den Augen der Finanzaufs­icht BaFin ist hier eine Bank offenbar in massive Schieflage geraten", sagte Michael Peters, Referent für Finanzmärk­te bei der Bürgerbewe­gung Finanzwend­e der DW. Angesichts des Versagens der BaFin bei Wirecard und früheren Anlageplei­ten wäre es nicht das erste Mal, dass die Aufsicht zu wenig getan oder zu spät erst reagiert habe.

Auf dem sonnigen Rathauspla­tz blickt der Monheimer Otto, der seinen Nachnahmen nicht nennen möchte, auf das Fahrrad des Bürgermeis­ters und meint: "Das war kein Risikogesc­häft. Wir haben Geld bei einer Bank angelegt, da hätte sowas nicht passieren dürfen. Die Bafin hätte uns absichern sollen." Den Bürgermeis­ter selbst könne er nicht leiden, aber den Verlust nehme er ihm nicht übel, so etwas sei menschlich. Ob sich die kleine Gemeinde am Rhein aber weiter auf Sonnenseit­e wiederfind­en wird? Die Lust auf riskante Geldanlage­n dürfte dem Bürgermeis­ter vorerst vergangen sein.

 ??  ??
 ??  ?? Das Fahrrad des Bürgermeis­ters an seinem Stammplatz
Das Fahrrad des Bürgermeis­ters an seinem Stammplatz

Newspapers in German

Newspapers from Germany