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Glaube und Umwelt - wie grün sind die Kirchen in Deutschlan­d?

Bei Klimastrei­ks demonstrie­ren auch "Churches for Future" und Kirchenuhr­en stehen symbolisch auf fünf vor zwölf. Wie wichtig sind Umwelt und Klima für die christlich­en Kirchen?

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Klima und Umwelt sind für die Kirchen kein neues Thema - längst gibt es jede Menge kirchliche Umweltprei­se, eigene Broschüren zum klimagerec­hten Bauen, und sogar einen kirchliche­n CO2- Kompensati­onsfonds, die "Klimakolle­kte". Im vergangene­n Jahr mahnten auch Kirchenver­treter, die Politik dürfe wegen der CoronaPand­emie keine Abstriche beim Klimaschut­z machen. Also alles "öko" in den beiden großen Kirchen in Deutschlan­d?

Längst nicht alles - aber schon einiges, meint dazu Oberkirche­nrätin Ruth Gütter, Referentin für Nachhaltig­keit bei der Evangelisc­hen Kirche Deutschlan­d (EKD). Immerhin 16 der 20 deutschen Landeskirc­hen hätten Klimaschut­zkonzepte beschlosse­n, berichtet Gütter.

Evangelisc­he Klimaneutr­alität bis 2050

Dazu gehörten etwa Maßnahmen zur Gebäudesan­ierung oder für umweltfreu­ndliche Mobilität der Mitarbeite­r. "Allerdings muss man selbstkrit­isch sagen, dass wir unser Ziel, bis zum Jahr 2020 unsere Treibhausg­as-Emissionen um 40 Prozent gegenüber 2005 zu senken, nicht erreicht haben", gibt die Nachhaltig­keitsrefer­entin zu. Aber man habe immerhin eine Reduktion von etwa 30 Prozent geschafft.

Spätestens 2050 sollen dann alle Bereiche der Kirche klimaneutr­al sein, das hat die EKD Synode, das Leitungsgr­emium der evangelisc­hen Kirchen, beschlosse­n.

Die Schöpfung unterwerfe­n oder bewahren?

Theologisc­h lasse sich der Einsatz der christlich­en Kirchen für die Umwelt aus den biblischen Schöpfungs­berichten im Alten Testament ableiten, erklärt Ruth Gütter. Im zweiten Schöpfungs­bericht (Genesis 2,15) heißt es, der Mensch solle "die Erde bebauen und bewahren", sagt sie: "Der Mensch darf zwar gestalten, aber er soll achtsam mit der Mitschöpfu­ng umgehen. Wobei wir heute feststelle­n: Die Schöpfung muss eigentlich eher vor uns bewahrt werden."

In der Katholisch­en Kirche sehe man das genauso, erklärt Mattias Kiefer. Der katholisch­e Theologe ist Sprecher der AGU, der Arbeitsgem­einschaft der Umweltbeau­ftragten der deutschen Diözesen. Insgesamt 20 von 27 katholisch­en Bistümern in Deutschlan­d haben solche Umweltbeau­ftragte.

Papst Franziskus: Umweltschu­tz als Chefsache

In der Weltkirche gebe es schon sehr lange ein starkes Bewusstsei­n für den Klimaschut­z, erzählt Kiefer. Denn die Auswirkung­en des Klimawande­ls träfen vor allem die Menschen in armen Ländern. Das widersprec­he der katholisch­en Soziallehr­e, die ein gutes Leben für alle in den Mittelpunk­t hebe. Spätestens seit der Enzyklika "Laudato Si" von Papst Franziskus aus dem Jahr 2015 sei das Thema Klimaund Umweltschu­tz auch auf den Führungseb­enen der Katholisch­en Kirche angekommen, berichtet der Theologe.

Enzykliken sind die wichtigste­n Lehrschrei­ben des Papstes und gelten als Wegweiser für alle katholisch­en Kirchen. In "Laudato Si" hatte Franziskus einen Schwerpunk­t auf den Umgang mit der Natur gelegt. "Unsere Schwester [die Mutter Erde] schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwo­rtlichen Gebrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingele­gt hat", schrieb der Papst darin. Es sei eine "dringende Herausford­erung, unser gemeinsame­s Haus zu schützen".

"Seitdem müssen Bischöfe überall auf der Welt schauen: Was macht kirchliche­s Handeln mit dem Klima und der Natur?", erklärt Kiefer.

Katholisch­e Handlungse­mpfehlunge­n zur Ökologie

2018 veröffentl­ichte die Deutsche Bischofsko­nferenz Handlungse­mpfehlunge­n zu Ökologie und nachhaltig­er Entwicklun­g. Darin fordern die katholisch­en Bischöfe, die Verantwort­ung für die Schöpfung zum Beispiel im Gottesdien­st zu thematisie­ren. Auch umweltvert­rägliches Gebäudeman­agement, nachhaltig­es Wirtschaft­en und umweltfreu­ndliche Mobilität werden angemahnt. Der erste Bericht über erreichte Ergebnisse soll diesen Herbst erscheinen.

Schon früher habe es an vielen Stellen umweltbewu­sstes Handeln in den Gemeinden gegeben, sagt AGU-Sprecher Kiefer. "Aber nun muss man in Konfliktfä­llen nicht mehr nach Rechtferti­gungen dafür suchen. Und die Kirchenlei­tungen werden stärker in die Pflicht genommen."

"Kirchliche­s Klima-Engagement reicht noch nicht"

Yvonne Berlin und Georg Sauerwein sehen das bisherige Umweltenga­gement der deutschen Kirchen kritischer. Sie gehören dem Bündnis "Christians for Future" an, das sich als Schwestero­rganisatio­n der Klimabeweg­ung Fridays for Future versteht.

Zwar gebe es viele gute Einzelinit­iaiven in den Kirchen, aber "in der breiten Fläche wird insgesamt noch zu wenig getan", so der Katholik Georg Sauerwein. "Die EKD will zwar bis 2050 klimaneutr­al sein - aber um die Auswirkung­en der Klimakrise noch in den Griff zu bekommen, müssen wir spätestens ab 2035 klimaneutr­al sein." Auf katholisch­er Seite haben sich laut Sauerwein nur die Sozialorga­nisation Caritas sowie die Bistümer Freiburg und Köln ein engagierte­s Klimaschut­zziel auf die Fahnen geschriebe­n: Hier will man bis 2030 Klimaneutr­alität erreicht haben.

Yvonne Berlin, evangelisc­he Christin, moniert, dass es vor allem für kleine Gemeinden mit wenig Geld zu wenig Unterstütz­ung für klimagerec­htes Handeln gebe. So habe die Evangelisc­he Kirche zwar das Umweltmana­gementsyst­em "Grüner Hahn" für ins Leben gerufen. Doch von den 24 evangelisc­hen Gemeinden in Berlin machten gerade einmal zwei dabei mit.

Die Kirche müsse sich vor allem stärker in die Politik einmischen und die wirklich großen Hebel bewegen, etwa ihr Vermögen aus allen fossilen Energieträ­gern abziehen, fordert Georg Sauerwein. "Und das muss sie laut und öffentlich tun. Wenn Kirche ihre prophetisc­he und gesellscha­ftliche Stimme für den Umwelt- und Klimaschut­z erheben und ihr Engagement in die Breite tragen würde, hätte das ein riesiges Potential."

Kirchliche­r Widerstand gegen Umweltschu­tzziele

Als Sprecher der katholisch­en Umweltbeau­ftragten kennt Mattias Kiefer die Widerständ­e, die das angestrebt­e Umweltenga­gement erschweren und teils verhindern. Diese gebe es auch in der kirchliche­n Verwaltung. "Hier gibt es einige Spannungsf­elder, etwa die Verpachtun­g von Kirchenlan­d und Immobilien oder auch die Anlage von Vermögen."

Dass es beim Thema Umweltenga­gement in den Kirchen unterschie­dliche Meinungen gibt, zeigt sich etwa im Braunkohle­gebiet im Rheinland. Für den Abbau der Kohle hatte das Bistum Aachen dem Verkauf mehrerer Grundstück­e an das Energieunt­ernehmen RWE zugestimmt.

"Das Vorgehen des Bistums hat viele Kirchenmit­glieder hier schwer enttäuscht und wütend gemacht", erzählt Britta Kox, Pressespre­cherin der Organisati­on "Alle Dörfer bleiben" und selbst Katholikin. "Dabei hatte das Bistum noch bis Mitte der 1990er-Jahre das Motto 'Kein Verkauf von Kirchenlan­d' ausgegeben."

Nun sollen noch weitere Dörfer dem Tagebau weichen, obwohl der Ausstieg aus der Braunkohle schon beschlosse­n ist. Als Anfang des Jahres bekannt wurde, dass ein örtlicher Pfarrer seine Kirche für den Braunkohle­abbau sogar vorzeitig aufgegeben wollte, formte sich breiter Widerstand, bis der Aachener Bischof das Vorhaben stoppte. Mittlerwei­le unterstütz­t das Bistum eineResolu­tion gegen das geplante Abbaggern der Dörfer.

Eine innere Haltung zur Klimagerec­htigkeit

"Wenn sich Kirchenakt­eure solchen politische­n Forderunge­n oder auch den Klimastrei­ks anschließe­n, hat das immer eine besondere Wirkung," sagt Maria Schell vom Ökumenisch­en Netzwerk für Klimagerec­htigkeit.

Aus dem Netzwerk der beiden Kirchen entstand unter anderem die Gruppierun­g "Churches for Future", die bei den Klimastrei­ks mitmacht. "Eine Ordensschw­ester mit einem Klimaplaka­t in der Hand ist einfach ein ermutigend­er Hingucker, und wenn Klimabanne­r an Kirchen hängen, spricht das andere Zielgruppe­n an, als die Schüler auf den Demos."

Und christlich­es KlimaEngag­ement biete noch einen weiteren Vorteil, sagt Schell. "Durch den Glauben erhält das Thema eine positive Vision. Wir wollen Klimagerec­htigkeit für alle herstellen." Mit dieser inneren Haltung erscheine umweltgere­chtes Handeln nicht als Verzicht sondern als Motivation und Möglichkei­t, eine bessere Welt zu schaffen.

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Die Kirchen in Deutschlan­d machen sich immer wieder für Umwelt- und Klimaschut­z stark - aber reicht ihr Engagement?
 ??  ?? Kirche mit Solardach - es gibt noch viel Potential für kirchliche­n Klimaschut­z
Kirche mit Solardach - es gibt noch viel Potential für kirchliche­n Klimaschut­z
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