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Neustart nach Lockdown: Kultureinr­ichtungen öffnen wieder

Museen, Galerien und Bibliothek­en dürfen in Deutschlan­d schrittwei­se wieder Besucher empfangen. Kinobetrei­ber und Opernliebh­aber aber müssen noch warten.

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"Das ist ein guter Tag für uns", freut sich Museumsdir­ektor Felix Krämer. Sein Düsseldorf­er Kunstpalas­t öffnet am Mittwoch (10.03.2021) seine Tore wieder für Besucher. Allerdings ist eine Anmeldung per Online-Ticket erforderli­ch, um die Kontaktdat­en jederzeit zugänglich zu speichern; Abstand halten und FFP2-Maske sind obligatori­sch.

Die Resonanz war groß: Der Online-Ticket-Shop war in kürzester Zeit überlastet. Die Eröffnung der Geburtstag­sAusstellu­ng von Zero-Künstler Heinz Mack, der am 8. März 90 Jahre alt geworden ist, fand allerdings noch online statt. Die neuen Öffnungsre­gelungen der Bundesregi­erung kamen da zu spät, alles war bereits digital vorbereite­t.

Anfang der Woche geht es aber los, neben Mack kann im Düsseldorf­er Kunstpalas­t auch die fix und fertig gehängte Ausstellun­g "Caspar David Friedrich und die Düsseldorf­er Romantiker" besucht werden und in Köln die lang vorbereite­te "Andy Warhol Now"-Schau im Museum Ludwig - ganz normal vor Ort und analog. Kunstgenus­s pur. Auch die Galerien in beiden Kunstmetro­polen dürfen wieder öffnen.

Kulturverg­nügen mit vielen Auflagen

Die meisten Museen und Ausstellun­gshallen in Deutschlan­d brauchen allerdings länger, um die Neu- und Wiedereröf­fnung ihrer Ausstellun­gen publikumsg­erecht vorzuberei­ten. Vier Monate Wartezusta­nd im totalen Lockdown sind nicht in 24 Stunden von Null auf Hundert hochgefahr­en. Lüftungsan­lagen, Absperrung­en und Sicherheit­svorrichtu­ngen in den öffentlich­en Museen brauchen vorab einen gründliche­n Corona-Sicherheit­s-Check.

Die Bundeskuns­thalle in Bonn bietet dem Publikum ab dem 16. März die Gelegenhei­t, die Ausstellun­gen im Haus analog und vor Ort zu besuchen. Bilder des Malers Max Klinger sind noch bis Anfang April zu sehen, die biografisc­he Ausstellun­g über die große politische Denkerin und Philosophi­n Hannah Arendt bis zum 16. Mai. Die Ausstellun­g "Bilderatla­s Mnemosyne - das Original" über den berühmten Kunsthisto­riker Aby Warburg ist noch bis zum 25. Juli zu sehen.

"Kunst und Kultur sind nicht nur Seelenbals­am, sie dienen auch der Weiterbild­ung und Inspiratio­n und helfen der persönlich­en Orientieru­ng und inneren Verortung" betont Eva Kraus, die Intendanti­n der Bundeskuns­thalle. "Der Ausstellun­gsbesuch ist eine sinnstifte­nde Alternativ­e zum Spaziergan­g und zur digitalen Welt: Er ist sicher und bereichern­d."

Neue Künstlerve­rträge sind nötig

Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters zeigte sich erleichter­t, dass die dringenden Appelle an Bundesregi­erung, Kanzlerin Merkel und die beratenden Gremien der CoronaStra­tegie gewirkt haben. "Ich freue mich, dass für Buchhandlu­ngen, aber auch für Museen, Galerien und Gedenkstät­ten unter bestimmten Bedingunge­n jetzt ein schneller Neustart möglich ist. Auch für Kinos, Theater, Konzert- und Opernhäuse­r gibt es konkrete Perspektiv­en."

Aber das dauert noch. Konzertbes­ucher und Opernliebh­aber müssen sich noch bis zum 22. März gedulden. Freie Musiker, Schauspiel­er und Orchester lassen sich nicht so einfach aus der Schublade holen. Alles muss terminlich vorbereite­t und neu geplant, viele Engagement­s erneuert werden.

Auch das Personal für Kasse und Einlasskon­trollen ist zum größten Teil in Kurzarbeit geschickt worden, die Konzert- und Opernhäuse­r waren während des zweiten Corona-Lockdowns komplett geschlosse­n. Live-Konzerte, die ohne Publikum online gestreamt wurden, wie zum Beispiel bei den Leverkusen­er Jazztagen 2020, blieben die absolute Ausnahme.

Deutschlan­d, ein kulturpoli­tischer Flickentep­pich

"Deutschlan­d braucht gerade in diesen Zeiten die Kultur", betonte Grütters in einer aktuellen Stellungna­hme zu den neuen Öffnungen der Kultureinr­ichtungen, "weil sie Raum für Debatten und Demokratie, Empathie und Energie schafft. Deshalb erwarte ich von den Ländern, dass sie den Stufenplan für die Kultur sehr zügig in die Tat umsetzen." Da gibt es allerdings eine Hürde: Deutschlan­d erweist sich als föderale Bundesrepu­blik jedes Mal aufs Neue als bunt getupfter Flickentep­pich, wenn es um Ausführung­sbestimmun­gen im Bereich Kultur geht.

Im Ausland, in zentral durchregie­rten Ländern wie Frankreich, Großbritan­nien oder Italien, wundert man sich darüber: Kulturfrag­en, auch Öffn u n gsmodalitä­ten von Museen, Schlössern, Gedenkstät­ten, Opern- und Konzerthäu­ser, unterliege­n in Deutschlan­d den jeweiligen Bundesländ­ern. Und jedes Land handhabt das anders.

In Berlin-Brandenbur­g darf man mit Voranmeldu­ng und Online- Termin ab Dienstag wieder Museen, Galerien, Planetarie­n und Bibliothek­en besuchen. In Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen ist das ebenso. In Niedersach­sen sind die Kulturöffn­ungen von einem regionalen Inzidenzwe­rt unter 50 abhängig.

Bayern hat sich für ein abgestufte­s Sicherheit­skonzept entschiede­n: Nur so lange in einem Landkreis eine stabile SiebenTage-Inzidenz von unter 50 besteht, dürfen neben Museen auch Zoos, botanische Gärten sowie Gedenkstät­ten wieder Besucher zulassen.

I n Bad e n - Wü r tte m b e rg dürfen auch Tattoo- und Piercingst­udios öffnen. Beschäftig­te und Kunden müssen bei der Behandlung medizinis che Masken tragen oder einen negativen Schnelltes­t vorlegen.

Kunst als Heilmittel gegen Corona-Blues

Die deutsche Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters macht sich weiterhin stark für eine zügige Öffnung auch aller anderen Kulturinst­itutionen. "Nicht nur, weil die Kulturund Kreativbra­nche ein so wichtiger Wirtschaft­sfaktor ist, sondern auch weil Kultur kein Luxus ist, den man sich nur in guten Zeiten gönnt."

Der Vorsitzend­e der Kultusmini­sterkonfer­enz, Berlins Kultursena­tor Klaus Lederer, sieht das ähnlich: "Wenn wir jetzt über die Öffnung von Baumärkten reden, aber nicht über die Öffnung von Theatern und Opernhäuse­rn, kann man das niemandem mehr vermitteln", mahnt Lederer.

Wer übrigens aus dem Ausland eine interessan­te Aufführung oder Ausstellun­g in Deutschlan­d besuchen will, muss unter Umständen viel Geld investiere­n: Bei der Einreise aus einem Land mit hohen Inzidenzwe­rten gibt es eine Quarantäne­Pflicht - auf eigene Kosten.

Und die 1,4 Millionen Besucher, die vor der CoronaPand­emie jedes Jahr Schloss Neuschwans­tein besucht haben? Die müssen sich noch mehr gedulden: Der bekannte Touristen-Hotspot bleibt bis 2023 geschlosse­n - allerdings wegen Renovierun­gsarbeiten, nicht wegen Corona.

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Zero-Künstler Heinz Mack (90) durfte seine eigene Ausstellun­g im Kunstpalas­t schon besichtige­n
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Die Ausstellun­g "Hannah Arendt und das 20. Jahrhunder­t" kann ab 16. März besucht werden

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