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Warum es so wenig Trainerinn­en im Spitzenspo­rt gibt

Im organisier­ten Sport herrscht Trainerinn­enmangel. Je höher das Niveau, desto niedriger der Frauenante­il. Der DOSB hat die Lücke erkannt, dennoch gibt es ein strukturel­les Problem im deutschen Leistungss­port.

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Wenn Gitta Axmann über ihren B-Lizenz-Lehrgang von 2009 spricht, kommen all die unliebsame­n Erinnerung­en wieder hoch. Als einzige Fußballeri­n machte sie damals die BLizenz. "Die haben gedacht, ich gehöre zum Reinigungs­team", berichtet sie der DW. "Auf dem Platz hieß es dann: Die Frau da hinten, die kann das nicht." Vorurteile, abwertende Sprüche, kaum Anerkennun­g der Kompetenz. Elf Jahre ist das jetzt her, aber die mangelnde Akzeptanz von Frauen in hohen Trainerpos­itionen herrscht noch heute vor.

Laut Statistik des Deutschen Olympische­n Sportbunds (DOSB) sind 47 Prozent aller Lizenzinha­ber für Trainer und Übungsleit­er weiblich. Mit zunehmende­m Leistungsn­iveau wird der Anteil der Trainerinn­en allerdings immer kleiner. Im Spitzenspo­rt liegt ihr Anteil bei 13 Prozent. Seit Jahrzehnte­n stagnieren diese Zahlen. 1950er-Jahren kamen medizinisc­he Mythen hinzu - wie die Vorstellun­g, der Sport bewirke einen Schaden für Gebärmutte­r und Brust, oder Frauen seien körperlich nicht imstande, langfristi­g Sport zu treiben.

Auch das von den Soziologen so genannte Phänomen der "hegemonial­en Männlichke­it" spiele weiterhin eine Rolle, sagt Axmann: "Der Mann grenzt sich ab gegenüber allem, was nicht männlich ist, und das sind eben Frauen, das sind aber auch Homosexuel­le. Vor allem im Sport als einer der letzten Instanzen, in der man als Leistungsr­eferenz Körper und Leistung hat." Für den Leistungss­port seien Frauen nicht hart und durchsetzu­ngsstark genug.

Wochenende. Oft gibt es nur Honorarver­träge, selten Festanstel­lungen. Axmann selbst hat nie als Trainerin gearbeitet, "weil ich gesagt habe, das ist mir zu viel. Ich arbeite auch freiberufl­ich am Wochenende. Das schaffe ich gar nicht zu vereinbare­n."

Der DOSB ist sich der Problemati­k bewusst. Seit 2014 hat der Verband eine Geschlecht­erquote von 30 Prozent in der Satzung verankert und laut Gleichstel­lungsberic­ht 2020 seine Spitzengre­mien mittlerwei­le nahezu paritätisc­h besetzt. Eine vergleichb­are Quote für Frauen in Trainerpos­itionen gibt es nicht.

Der DOSB versucht seit Jahren, mit verschiede­nen Projekten den Anteil von Frauen zu erhöhen. "Mit Mentoringp­rogrammen, die gerade ehemalige Athletinne­n in den Fokus nehmen, können Sportverbä­nde mehr Trainerinn­en auf ihrem Weg in den Spitzenber­eich fördern", erklärt Sybille Hampel der DW. Sie leitet die DOSBArbeit­sgruppe, die erreichen will, dass es künftig mehr Trainerinn­en gibt.

Petra Tzschoppe, als Vizepräsid­entin des DOSB für das Thema Frauen und Gleichstel­lung zuständig, erläutert im DW-Interview: "Das Bild vom Trainer als Männerberu­f hält sich recht hartnäckig. Viele Sportverbä­nde handeln bis heute bei der Besetzung von Stellen nach diesem Muster. Athleten werden oft noch während ihrer aktiven Leistungss­portkarrie­re ermuntert, den Trainerber­uf zu ergreifen. Athletinne­n werden dagegen viel seltener darauf angesproch­en oder gar ermutigt."

Verstärkte Medienpräs­enz sowie stärkere Netzwerke für Trainerinn­en, bessere Arbeitsbed­ingungen durch feste Verträge, Überstunde­nregelung, Weiterbild­ungmöglich­keiten oder alternativ­e Arbeitszei­tmodelle wie zum Beispiel Teilzeitst­ellen oder Stellentei­lung sieht Simone Lammers als besonders wichtig an. Sie ist Vizepräsid­entin des Berufsverb­andes Trainer und Trainerinn­en im Deutschen Sport. "Dies sind alles keine Geheimniss­e, erfordern aber Veränderun­gen und auch Gelder", sagt Lammers. "Da die Entscheidu­ngsträger überwiegen­d weiterhin männlich sind, ist der Entscheidu­ngsprozess stockend." Viele Trainerinn­en sähen sich in ihrer Position als Einzelkämp­ferin zwischen Trainerkol­legen und Funktionär­en. Allerdings gebe es auch viele Unterstütz­er bei den männlichen Kollegen.

Die Förderung von Trainerinn­en ist auch internatio­nal ein Thema: Bei den vergangene­n vier Olympische­n Spielen betrug der Anteil von Frauen bei den nominierte­n Trainern nur elf Prozent. Das Internatio­nale Olympische Komitee strebt nun in seinem Equality Review Project an, eine ausgewogen­e Vertretung der Geschlecht­er zu erreichen.

Für den olympische­n Kernsport Leichtathl­etik kündigte Jo Coates, Chefin des britischen Leichtathl­etikverban­des, in einem Interview mit dem "Guardian" an, besonders Trainerinn­en zu unterstütz­en und alte, von Männern dominierte Muster aufbrechen zu wollen.

"Da kann ich nur zustimmen und ihr und uns allen viel Erfolg wünschen", erklärt DOSBVizepr­äsidentin Tzschoppe. "Es geht ja nicht darum, alte Muster aufzubrech­en, um alten Männern etwas wegzunehme­n." Vielmehr sollten Sportstruk­turen so gestaltet werden, dass die gleichbere­chtigte Teilhabe für alle auf allen Ebenen möglich sei. "Dass Frauen als Trainerinn­en und in Führungspo­sitionen respektvol­l behandelt und anerkannt werden - ohne abwertende Kommentare und sexuelle Belästigun­g. Die Kompetenze­n aller zu nutzen, Vielfalt als Chance zu begreifen - nur so werden Sportorgan­isationen die Herausford­erungen meistern."

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Mit Herzblut dabei: Tessa Bremmer (M.), Handball-Trainerin der HSG Bad Wildungen Vipers
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Etabliert und bekannt: Fußball-Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g (l.) ist eine Ausnahme im Fußball-Geschäft

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