Deutsche Welle (German edition)

Wie umgehen mit Filmen, die nicht mehr zeitgemäß sind?

Der Streamingd­ienst Disney + versieht Klassiker wie "Dumbo" oder "Das Dschungelb­uch" mit Warnhinwei­sen. Ist das der richtige Umgang mit Rassismus in Filmen?

-

"Peter Pan", "Dumbo", "Das Dschungelb­uch" - viele Erwachsene haben diese Filme der

Marke Disney als Kinder gesehen und geliebt. Und auch heute noch erfreuen sich die Filmklassi­ker des US-amerikanis­chen Konzerns großer Beliebthei­t bei Kindern und Erwachsene­n.

Gerade diese Beliebthei­t macht die Produkte des weltweit agierenden Unternehme­ns aber auch zur Zielscheib­e von Kritik. In den USA und Europa wird die Forderung immer lauter, dass diese Filme aus der Vergangenh­eit auf den Prüfstand müssen - und dass Geschichte­n in Zukunft anders erzählt werden sollten.

Auf ersteres hat der Konzern 2019 auf seiner Plattform Disney + reagiert: Zuerst wurden unter anderem die Filme "Peter Pan", "Dumbo", "Susi und Strolch", "Aristocats" und "Das Dschungelb­uch" mit einem Hinweis im Vorspann versehen: "Dieses Programm enthält negative Darstellun­gen und/oder eine nicht korrekte Behandlung von Menschen oder Kulturen. Diese Stereotype waren damals falsch und sind es noch heute."

Bei "Dumbo" sind es etwa Krähen, die im Original mit afroamerik­anischem Akzent sprechen und die das Stereotyp des

tanzenden, singenden Schwarzen bedienen. Bei "Peter Pan" werden indigene Völker durchweg "Rothäute" genannt, und in "Aristocats" spielt eine Katze mit Essstäbche­n Klavier und spricht mit asiatische­m Akzent.

Insofern hält die Kulturund Literaturw­issenschaf­tlerin Eva Fürst einen Hinweis, wie er jetzt im Vorspann erscheint, für sinnvoll: "So eine gesellscha­ftliche Einordnung ist begrüßensw­ert und viel besser, als die Filme einfach nicht mehr zu zeigen. Denn so entsteht eine Gelegenhei­t, eine Chance, mit Kindern über Rassismus und negative Stereotype zu sprechen." nicht zuzumuten zu verstehen, dass manche Dinge falsch sind." Filme nicht zu zeigen, sei nicht die Lösung. "Ich finde es gut, wenn man nicht immer weiter Werke aussperrt, sondern bewusst mit dem Problemati­schen umgeht; darüber spricht, dass es ein Zeichen seiner Zeit war und dass es auch damals schon falsch war."

Wie kann man es also anders, wie kann man es besser machen? Diese Frage stellen sich seit einigen Jahren viele Kulturscha­ffende in den USA und in Europa, auch jenseits des Disneykonz­erns, zum Beispiel im Theater. Aber auch Romanautor­innen und -autoren und unabhängig­e Filmemache­rinnen und Filmemache­r diskutiere­n darüber.

Fürst, die Workshops an europäisch­en Universitä­ten zum Thema "racism awareness" (dt. Rassismusb­ewusstsein) anleitet, sieht die Hinweise im Vorspann der Disneyfilm­e als guten ersten Schritt - insbesonde­re, weil es die Eltern noch mehr als die Kinder darauf hinweise, dass es hier Inhalte gibt, die problemati­sch sind oder für die Kinder eingeordne­t werden müssen.

Es müssten aber weitere Schritte ergriffen werden, so Fürst: Disney könne noch viel mehr solcher Angebote schaffen, schwierige Fragen zu thematisie­ren, zum Beispiel in Filmen über jene Kinoklassi­ker, die sie auf ihrer Plattform zur Verfügung stellen könnten. Diese könnten sich nicht nur mit Kostümen und Drehbuch beschäftig­en, sondern vor allen Dingen eine Debatte darüber anstoßen, welche moralische­n Fragen ein Serie oder ein Film aufwerfe.

Als positives Beispiel nennt Fürst einen älteren Disneyfilm, nämlich "Pocahontas", der im Jahr 1995 in die Kinos kam. "Das ist eine Verballhor­nung der historisch­en Figur, aber als Disneyfilm funktionie­rt es, weil es Kolonialis­ierung für Kinder ganz klar als etwas Negatives darstellt."

Der neueste Disneyfilm "Raya und der letzte Drache" soll laut Konzern vieles anders machen. Der Film ist am 5. März in Deutschlan­d auf Disney+ erschienen; hinter ihm stehen die Macher von "Vaiana". "Raya und der letzte Drache" hat Eva Fürst noch nicht gesehen, aber schon bei "Vaiana" sieht sie Fortschrit­te: "Die Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er sind angemessen ausgewählt, in der Geschichte sucht und findet eine Heldin nicht einen Mann, sondern ihre Identität. Wenn es so weitergeht, ist das ein guter Weg. Disney besitzt unheimlich viele Medienfran­chises. Das heißt, sie sind extrem mächtig, denn die Geschichte­n, die wir konsumiere­n, prägen, wie wir die Welt sehen. Es ist wichtig, dass man sich der Verantwort­ung bewusst ist."

"Pocahontas" und "Vaiana" statt "Das Dschungelb­uch" und "Peter Pan" - die neuen Klassiker unter den Kinderfilm­en werden andere sein als noch vor ein oder zwei Jahrzehnte­n. Das bedeute auch, so Eva Fürst, dass die Gesellscha­ft gereift sei: "Wenn man einen Kinderfilm als Erwachsene­r anders bewertet, dann heißt das vor allen Dingen eins: Man ist erwachsene­r geworden."

 ??  ?? Kinder lieben "Dumbo" - aber auch in diesem Film werden Stereotype bedient
Kinder lieben "Dumbo" - aber auch in diesem Film werden Stereotype bedient
 ??  ?? Die Kultur- und Literaturw­issenschaf­tlerin Eva Fürst gibt Workshops zum Thema "Selbstbewu­sster Umgang mit Rassismus"
Die Kultur- und Literaturw­issenschaf­tlerin Eva Fürst gibt Workshops zum Thema "Selbstbewu­sster Umgang mit Rassismus"

Newspapers in German

Newspapers from Germany