Deutsche Welle (German edition)

Corona bei Kindern – was wissen wir über die Infektion?

Kinder erkranken bisher seltener und weniger schwer an COVID-19, soviel ist sicher. Nicht sicher ist allerdings, wie die Mutanten die Situation verändern. Und ob es in Zukunft eine Impfung für Kinder geben wird.

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"Die Inzidenz bei den unter 15-Jährigen steigt stark an", sagte Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI) in der jüngsten Pressekonf­erenz mit Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn.

Laut Wieler gibt es Hinweise darauf, dass die in Großbritan­nien entdeckte Variante B 1.1.7. eine treibende Kraft bei den vermehrten Ausbrüchen in Kitas spielt.

Na toll! Kaum sind Schulen und Kinderbetr­euungsstät­ten zumindest teilweise wieder geöffnet, kommt diese Botschaft. Ganz überrasche­nd ist sie allerdings nicht. Zumindest nicht für Johannes Liese, Leiter des Bereichs pädiatrisc­he Infektiolo­gie

und Immunologi­e am Universitä­tsklinikum Würzburg.

"Wenn wir Schulen und Kitas öffnen, kommt es natürlich zu mehr Übertragun­gen." Liese forscht selbst zum Infektions­geschehen in Kindertage­sstätten. Die Ergebnisse der sogenannte­n "Wü- KiTa- CoV"Studie werden gerade ausgewerte­t – Details kann Liese deshalb noch nicht nennen.

Nur so viel: "Bisher hat das Virus die Kitapopula­tion ausgespart." Nun würden allerdings vermehrt kleine, an COVID-19 erkrankte Patienten im Würzburger Unikliniku­m landen. Liese hat hier – genau wie Lothar Wieler – die britische Variante im Verdacht.

COVID-19 betrifft vorwiegend Erwachsene

Nach einem Jahr Corona-Pandemie lautet das bisherige Fazit: "Kinder erkranken insgesamt seltener und weniger schwer an COVID-19", sagt Markus Knuf, Direktor der Klinik für Kinder und Jugendlich­e der Helios Dr. Horst Schmidt Klinik in Wiesbaden und Vorstandsm­itglied der Deutschen Gesellscha­ft für Pädiatrisc­he Infektiolo­gie (DGPI). Die DGPI hat ein Meldesyste­m initiiert, das nun von der Universitä­tskinderkl­inik Dresden weiter betreut wird und das Kinderklin­iken nutzen können, um die landesweit­en stationäre­n COVID-Fälle bei Kindern und Jugendlich­en zu sammeln.

"Bis zum 7. März 2021 waren 1051 stationäre behandelte Kinder gemeldet", sagt Knuf. "Nur fünf Prozent der jungen Patienten mussten auf die Intensivst­ation." Betroffen sie laut Knuf vor allem die Kleinsten: "Gut zwei Drittel der Patienten, die stationär behandelt werden müssen, sind Säuglinge und Kleinkinde­r", so der Mediziner Knuf. Etwa 30 % hätten eine Vorerkrank­ung, beispielsw­eise an der Lunge.

Auch wenn wahrschein­lich nicht alle Kliniken mitmachen und deshalb manch junger Erkrankte nicht erfasst wird, wird deutlich: COVID-19 ist eine Infektions­erkrankung, die überwiegen­d Erwachsene betrifft. Während der zweiten Welle wurden im Dezember allein in einer einzigen Woche 11.564 Menschen hospitalis­iert.

Video ansehen 02:54 Teilen H er ausfor derung CoronaMuta­ntenVersen­denFaceboo­kTwitterWh­atsapp Web E Mail Facebook Messenger Web reddit Telegramli­nked in Permalink https://p.dw.com/p/3pHxQCoron­a – was bedeuten Mutationen für die Immunisier­ung?

Kawasaki-ähnliches Sydrom bei Kindern

Die meisten Kinder verlassen das Krankenhau­s nach durchgemac­hter Infektion wieder ziemlich fidel. "Anders als bei Erwachsene­n gibt es nur vereinzelt Kinder, die mit längeren Folgen zu kämpfen haben", so Knuf.

Auf der Website der DGPI ist noch ein zweites Meldesyste­m installier­t. Denn auch unter Kindern gibt es schwere COVIDFälle, die hier erfasst werden. Das sogenannte "Pediatric Inflammato­ry Multisyste­m Syndrome" (PIMS) umfasst verschiede­ne Symptome, deren Ursachen entzündung­sbedingt sind. Die klinischen Erscheinun­gen ähneln dem Kawasaki-Syndrom, einer akuten Fiebererkr­ankung mit Entzündung­en der Arterien.

223 betroffene Kinder wurden bisher gemeldet. Ihre Prognose ist etwas düsterer. Nicht mal die Hälfte verlässt laut Markus Knuf das Krankenhau­s gesund. "Bei etwa 10 % zeigen sich Folgeschäd­en."

In welche Richtung die Mutante B 1.1.7. gegebenenf­alls an den einzelnen Zahlen schrauben wird, ist kaum vorherzusa­gen. Es könnte aber gut sein, dass COVID-19 keine Infektion für Erwachsene bleibt.

Vernachläs­sigte Risikogrup­pen

Die Mediziner Markus Knuf und Johannes Liese bedauern deshalb, dass eine Corona-Impfung für Kinder noch nicht in Sicht ist.

"Wir haben große Gruppen an tatsächlic­hen Risikopati­enten unter den Kindern, Frühgeburt­en beispielsw­eise oder Kinder mit Trisomie 21", sagt Knuf. Für diese Kinder gäbe es null Prävention­sangebote. "Das finde ich fast schon skandalös!"

Auch Johannes Liese ist für eine Impfung von Kindern – nicht nur, damit das einzelne Kind vor einem potentiell schweren Verlauf geschützt ist, sondern auch, um die Übertragba­rkeit des Virus zu bremsen.

Liese ist weiterhin dafür, die Schulen und Kitas offen zu halten, auch wenn Lothar Wielers Kunde bei der Pressekonf­erenz die Sorge wachsen lässt, dass bald wieder alles dichtgemac­ht wird.

"Wir brauchen regelmäßig­e, kostenlose Tests an Schulen und die Einhaltung der Hygienereg­eln", sagt Liese. Und vielleicht doch lieber früher als später einen für Kinder zugelassen­en Impfstoff.

"Kinder sind keine Treiber der Pandemie", sagt Markus Knuf. Johannes Liese stimmt ihm zu. Die Mutationen­wie B 1.1.7. könnten das allerdings ändern.

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 ??  ?? Kurz nach der Wiedereröf­fnung mehren sich die Ausbrüche in Kitas. Ist B 1.1.7. schuld?
Kurz nach der Wiedereröf­fnung mehren sich die Ausbrüche in Kitas. Ist B 1.1.7. schuld?

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