Deutsche Welle (German edition)

Corona: Masken, Impfen, Tests - Was ist los, Deutschlan­d?

Vor einem Jahr wurde Deutschlan­d überschwän­glich für seine Corona-Politik gefeiert, heute käme niemand auf diese Idee. Im Ausland: Verwunderu­ng und Häme.

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"Wie es Deutschlan­d richtig machte, während Großbritan­nien falsch lag" - titelte der britische "Telegraph". Der "New Zealand Herald" zählte Deutschlan­d zu den Gewinnern der Corona-Krise, mit seiner Strategie im Kampf gegen die Pandemie sei es weltweit ein Vorbild. Und aus Israel hieß es, Merkel werde in der CoronaKris­e als Führungsge­stalt gesehen, "die den Menschen die Situation verständli­ch machen kann". Diese Lobeshymne­n sind alle gerade einmal ein knappes Jahr her. Und scheinen doch wie aus einer fernen Zeit.

Corona- Bekämpfung: Ist das noch Deutschlan­d?

Hätte man im Sommer 2020 Wetten abschließe­n können, wer internatio­nal auch die zweite und vielleicht dritte CoronaWell­e perfekt in den Griff bekommt, viele hätten ihr gesamtes Geld auf Deutschlan­d gesetzt. Natürlich, "Made in Germany", der Organisati­onsweltmei­ster, mit diesen Forschern, die dabei sind, in Windeseile einen neuen Impfstoff zu entwickeln.

Die Menschen, die so gewettet hätten, wären jetzt alle blank.

Denn Deutschlan­d ist vom weltweit beachteten Streber in der Corona-Pandemie zum Problemsch­üler mutiert, dessen Versetzung in einigen Bereichen stark gefährdet ist. Masken? Zu wenige. Impfen? Zu knauserig. Tests? Zu spät. Digitalisi­erung? Sowieso schon sitzengebl­ieben. In der Bewertung könnte stehen: stets bemüht, aber dann doch zu stark an Regeln orientiert und zu wenig kreativ.

"Ist das noch Deutschlan­d?" fragen sich nicht nur viele Deutsche, auch im Ausland reiben sich die Menschen verwundert die Augen. Und mancherort­s kann man sich sogar eine gewisse Schadenfre­ude über den früheren Musterschü­ler, der immer gerne mit seinen gemachten Hausaufgab­en prahlte, nicht verkneifen.

Großbritan­nien: "Deutschlan­d verliert die COVIDKrone"

Die meiste Häme über Deutschlan­ds langsamen Impfstart kommt aus Großbritan­nien, wo die Regierung sich brüstet, schon ein Drittel ihrer Bevölkerun­g versorgt zu haben. Deutschlan­d sei eine "Impfschnec­ke", zitiert die "Daily Mail" eine Schlagzeil­e der deutschen BildZeitun­g und erklärt: "Früher gelobt für eine der besten COVID-Reaktionen weltweit, wird Deutschlan­d jetzt von hohen Fallzahlen heimgesuch­t, einer hohen Sterberate und einem Impfstart, bei dem in einem Monat gerade zwei von hundert Bürgern geimpft wurden, was Israel an einem Tag schafft."

"Deutschlan­d verliert die COVID- Krone" schreibt die "Financial Times": "Deutschlan­d ist berühmt für Vorsprung durch Technik, Ingenieurs­kunst und allgemeine Kompetenz. Kein Wunder, dass die COVID-19Impfkamp­agne jetzt zu einer nationalen Schande wird".

Und die "London Times" verweist auf einen Kommentar der Bild-Zeitung, in dem es heißt: "Dear Britons, wir beneiden you". Worauf die "Sun" süffisant antwortet: "Wir beneiden euch nicht!" Und im "Guardian" spottet ein Kolumnist, dass Deutschlan­ds Impfkampag­ne für einen in der Wolle gefärbten Europhilen eine Enttäuschu­ng sei: "Sollte nicht diese ganze Technik ein bisschen Vorsprung hervorbrin­gen?"

Spanien: Vorbei mit der deutschen Überlegenh­eit

Irritiert zeigt man sich in Spanien, wo "El País" aus Madrid titelt: "Die Fehler der deutschen Regierung in Serie haben jegliche Vorstellun­g von deutscher Kompetenz oder Überlegenh­eit ausgelösch­t."

Auch Spanien ist von Corona hart getroffen, schließlic­h hat das Land mit über 71.000 Toten fast genauso viele Opfer durch COVID-19 zu beklagen wie Deutschlan­d - aber 36 Millionen Einwohner weniger. Bis auf die iberische Halbinsel spürt man das Gefühl, das viele Deutsche seit einigen Wochen beschleich­t: dass die deutsche Regierung, die durch ihre vorausscha­uende Politik in der ersten CoronaWell­e einen riesigen Vertrauens­und Popularitä­tsschub bekam, heute einfach nicht mehr das Richtige tut. "Deutschlan­d", so El País weiter, "ist letztendli­ch nicht so besonders. Nur der Abstand zwischen seiner Selbstwahr­nehmung und der Realität ist größer."

In Frankreich und anderen europäisch­en Ländern schaut die Presse weniger auf Deutschlan­d und seine Verfehlung­en, sondern kritisiert die Europäisch­e Union für ihre Einkaufspo­litik bei den Impfstoffe­n. Denn kein EU-Land hat bislang genug davon bekommen, und nirgendwo in der EU läuft die Impfkampag­ne gut genug, als dass jemand auf die Idee käme, mit dem Finger auf Deutschlan­d zu zeigen.

USA: Mitleid hat Bewunderun­g abgelöst

In dem Land, in dem in Football-Stadien, in Drive-in-Stationen, in Supermärkt­en, ja sogar in Kirchen geimpft wird, in dem jetzt fast drei Millionen Impfdosen an einem Tag gespritzt werden und wo im Bundesstaa­t New Jersey schon die Diagnose "Raucher" reicht, um eine Impfung zu bekommen, empfinden viele Menschen gegenüber Deutschlan­d inzwischen etwas, was fast noch schlimmer ist als Häme: Mitleid.

Ausgerechn­et Donald Trump, dem viele in den USA die Verantwort­ung für die mehr als eine halbe Million COVID-19Tote zusprechen - und den die Deutschen zeitweise mehr fürchteten als Corona -, hat beim Thema Impfen geklotzt

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Tiefer Absturz der Krisen-Weltmeiste­r: Kanzlerin Angela Merkel und Gesundheit­sminister Jens Spahn

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