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Deutschlan­d bekommt ein Lobbyregis­ter

Lange wurde darum gestritten, künftig sollen Interessen­vertreter im Lobbyregis­ter deutlicher erkennbar sein. Kritikern geht das aber nicht weit genug.

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Ein Parlament ist das Herzstück jeder Demokratie. Hier werden Gesetze ausgehande­lt und verabschie­det. Es ist aber nicht nur der Ort, an dem sich gewählte Abgeordnet­e austausche­n, sondern auch der Ort, an dem Interessen­vertreter aus Wirtschaft und Gesellscha­ft für ihre Anliegen werben – ergo Lobbyismus betreiben.

Das gehört zu jedem demokratis­chen Prozess. Die Politik braucht für ihre Gesetzgebu­ng die Expertise von Wirtschaft­sverbänden, Gewerkscha­ften, Nichtregie­rungsorgan­isationen und Kirchen.

Allerdings sollte das nicht in Hinterstüb­chen ohne Transparen­z geschehen. Darauf einigten sich nach langem Streit jüngst die Regierungs­parteien aus SPD und CDU/CSU. Ein Transparen­zregister, auch Lobbyregis­ter genannt, soll Licht ins Dunkel der Interessen­vertretung bringen. Wie hell dieser Lichtkegel aber ausfällt – darüber herrscht noch immer Uneinigkei­t. der Beschäftig­ten und finanziell­e Aufwendung­en angeben. Falschanga­ben oder überhaupt keine Angaben sollen mit einem Bußgeld bestraft werden.

In einem früheren Entwurf der Regierungs­parteien hieß es noch, dass sich nur jene Lobbyisten eintragen müssen, die mit Abgeordnet­en und Fraktionen, also dem Parlament, interagier­en. Nun aber sieht die Einigung von SPD und CDU/CSU vor, dass außerdem Einflussna­hme auf die Bundesregi­erung, also die Ministerie­n, kenntlich gemacht werden muss.

Noch haben die Parteien nur bekannt gegeben, dass sie sich geeinigt haben. Einige Details sind noch unklar. Regierungs­mitglieder wie Vizekanzle­r und Kanzlerkan­didat der SPD, Olaf Scholz, zeigen sich zufrieden mit der Einigung. lament und den Ministerie­n ein und aus geht, aber nicht zu welchem Thema. "Das Problem, das ein gutes Lobbyregis­ter lösen könnte, wird überhaupt nicht angepackt. Wir werden zwar wissen, wer sind die Lobbyisten, aber was die eigentlich machen und mit wem die sprechen, das wissen wir nicht", sagt Roman Ebener von der überpartei­lichen Internetpl­attform Abgeordnet­enwatch der DW.

Ein weiteres Problem: Lobbyisten müssen den Kontakt nur angeben, wenn dieser bis zur Ebene der Unterabtei­lungsleite­r reicht. "Wenn ein Lobbyist einfach nur Referenten oder Sachbearbe­iter trifft, die aber vielleicht trotzdem Einfluss haben, weil sie mit der Thematik beschäftig­t sind, dann müssen sie sich nicht registrier­en. Das heißt Einfluss im Verborgene­n ist weiterhin möglich", sagt Ebener.

Der "Lobbying Disclosure Act" sieht Freiheitss­trafen von bis zu fünf Jahren und Geldstrafe­n von bis zu 200.000 Dollar vor. Zum Vergleich: Die Einigung in Deutschlan­d beinhaltet eine Strafe von maximal 50.000 Euro.

Auch die Europäisch­e Union hat sich eine recht hohe Transparen­z auferlegt. So müssen EUKommissa­re ihre Lobbytreff­en im Internet veröffentl­ichen. Gleiches gilt für EU-Abgeordnet­e in Schlüsselp­ositionen, zum Beispiel Ausschussv­orsitzende und Berichters­tatter.

Zusätzlich werden die Treffen nach Gesetz aufgeschlü­sselt. "Da kann man einfach auf die Website gehen, sich beispielsw­eise den 'Green Deal' ansehen und bekommt dann alle Organisati­onen mit allen Stellungna­hmen und allen Treffen, die zum Thema Green Deal getätigt wurden", sagt Politikwis­senschaftl­er Schiffers. "An Ländern wie den USA oder dem Transparen­zregister der Europäisch­en Union hätte sich Deutschlan­d orientiere­n können", sagt Ebener von Abgeordnet­enwatch.

Angesichts der Schwächen des Entwurfs für ein Lobbyregis­ter in Deutschlan­d fordern Organisati­onen wie Abgeordnet­enwatch und Lobbycontr­ol eine Nachjustie­rung. Lobbyisten sollten alle ihre Kontakte in die Politik offenlegen. Außerdem fordern die Organisati­onen einen sogenannte­n legislativ­en Fußabdruck. Mit diesem wäre nachvollzi­ehbar, welcher Interessen­verband an welcher Stelle an einem konkreten Gesetz mitgewirkt hat.

So wäre es für den Bürger einsehbar, wie Gesetze entstehen und welche Interessen berücksich­tigt wurden. In absoluter Reinform gibt es diesen Fußabdruck bisher noch in keinem Land – auch, weil es mitunter schwer einzuschät­zen ist, welche Einflussna­hme in welche konkrete Gesetzespa­ssage mündete.

Auch das anvisierte deutsche Lobbyregis­ter sieht keinen legislativ­en Fußabdruck vor. Für Politikwis­senschaftl­er Maximilian Schiffers nicht ganz verständli­ch, denn in abgespeckt­er Form gibt es das bereits in Deutschlan­d. Seit dem Jahr 2018 hat sich die Bundesregi­erung verpflicht­et, sogenannte "Gläserne Gesetze" bereitzust­ellen.

Das bedeutet, dass auf den Webseiten der Ministerie­n Gesetzesen­twürfe einsehbar sind, inklusive der jeweiligen Stellungna­hmen von Lobbyverbä­nden. So findet sich zum Beispiel auf der Internetse­ite des "Bundesmini­steriums für Ernährung und Landwirtsc­haft" das "Gesetz zur Pflanzenge­sundheit". Darunter stehen die Stellungna­hmen zum Gesetzesen­twurf verschiede­ner Lobbyisten, beispielsw­eise des "Verbands der Landwirtsc­haftskamme­rn".

Das kommt zumindest der Idee eines legislativ­en Fußabdruck­es schon relativ nahe. Allerdings steht jedes Gesetz umständlic­h einzeln auf den jeweiligen Webseiten der 15 Ministerie­n. Eine gebündelte Darstellun­g gibt es nicht. Die würde aber die nötige Transparen­z schaffen – Transparen­z, die es braucht, um einen Lobbyismus zu gewährleis­ten, der nötig für eine Demokratie ist und dennoch nicht in illegitime Formen abdriftet.

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Die EU hat strengere Transparen­zregeln als ihr deutscher Mitgliedss­taat

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