Deutsche Welle (German edition)

Köhler: Issoufous verfassung­sgemäßer Abgang "wirklich preiswürdi­g"

Der Mo-Ibrahim-Preis für gute Regierungs­führung geht an Nigers scheidende­n Präsidente­n Mahamadou Issoufou. Daran gibt es auch Kritik. Der Preis setze jedoch ein Signal, sagt Jury-Mitglied Horst Köhler im DW-Interview.

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Der Mo-Ibrahim-Preis gilt als weltweit höchstdoti­erte Auszeichnu­ng für Einzelpers­onen: Fünf Millionen Dollar Preisgeld gibt es für die Ehrung, die seit 2007 von der Stiftung des sudanesisc­hen Philantrop­en für gute Regierungs­führung in Afrika vergeben wird. Zuletzt war 2017 die frühere liberische Präsidenti­n Ellen Johnson Sirleaf ausgezeich­net worden.

In dieser Woche hat die Jury den sechsten Preisträge­r bekanntgeg­eben: Der scheidende Präsident des Niger, Mahamadou Issoufou, soll ihn erhalten. Issoufou war nach zwei Amtszeiten nicht mehr angetreten und hatte so den ersten demokratis­chen Machtwechs­el an der Spitze des Sahelstaat­s ermöglicht - Ende Februar wurde der Kandidat der Regierungs­partei, Mohamed Bazoum zu seinem Nachfolger gewählt. Als einziger Deutscher sitzt Altbundesp­räsident Horst Köhler in der Jury - die DW hat mit ihm über die Entscheidu­ng gesprochen.

DW: Zur Präsidents­chaftswahl im Niger ist Mahamadou Issoufou nach zwei Amtszeiten nicht noch einmal angetreten. Die Stichwahl fand vor knapp drei Wochen statt, Issoufous Nachfolger ist noch nicht vereidigt. Damit geht der Mo-Ibrahim-Preis an einen Präsidente­n, der noch im Amt ist. Ist das ein Bruch mit den Regeln des Preises?

Horst Köhler: Nein. Ein neuer Präsident ist ordnungsge­mäß demokratis­ch gewählt, Mohamed Bazoum. Die Amtsüberga­be ist für den 2. April vorgesehen. Bis dahin führt Issoufou die Geschäfte weiter. Das ist Teil des demokratis­chen Übergangs: Geschäftsf­ührung bis zur Vereidigun­g des neuen Präsidente­n.

Vergangene­s Jahr gab es in Afrika wieder zwei Beispiele von Amtsinhabe­rn, die aufgrund von Verfassung­sänderunge­n für eine dritte Amtszeit gewählt werden konnten, nämlich Alassane Ouattara in der Elfenbeink­üste und Alpha Condé in Guinea. Ist die Auszeichnu­ng für Issoufou also auch als Botschaft an andere afrikanisc­he Staatschef­s zu verstehen?

Ja, als eine wichtige sogar. Präsident Issoufou hat sich an die Landesverf­assung gehalten, die nur zwei Amtsperiod­en vorsieht. Damit hat er den Weg für den ersten demokratis­chen Regierungs­wechsel in der Geschichte Nigers geöffnet. Und ich finde, das ist wirklich preiswürdi­g. Für mich war das ein entscheide­nder Punkt, weil mich das an ein Gespräch mit Nelson Mandela erinnerte, den ich als Bundespräs­ident 2006 in Maputo traf und fragte, was aus seiner Sicht das Wichtigste für die Entwicklun­g Afrikas sei. Seine Antwort war klar, ich sage das in seinen Worten in Englisch: "Rule of law and respect for the constituti­on." Das war seine Antwort. Und das prägte mich auch bei dieser Diskussion zur Verleihung des Preises.

Das Komitee hat auch die Steigerung des Bruttoinla­ndsprodukt­es unter Mahamadou Issoufou gewürdigt. Trotzdem ist das bei den meisten Nigrern noch gar nicht spürbar. Auf dem Human Developmen­t Index der Vereinten Nationen liegt Niger immer noch auf dem letzten Platz. Spielt das eine Rolle für den Preis?

Die extreme Armut in Niger ist eine große Herausford­erung an die Politik. Aber man muss auch sagen, die extreme Armut abzubauen ist unfassbar schwer, und zwar aus Gründen, die die alleinige Handlungsk­ompetenz und die Handlungsm­öglichkeit­en der nigrischen Politik weit übersteige­n. Da ist der islamistis­che Terror in der ganzen Sahelzone und damit auch im Niger. Da sind die Flüchtling­sströme. Niger ist Durchgangs­land und zugleich Aufnahmela­nd für Flüchtling­e, allein aus Mali und Nigeria sind rund 200.000 Menschen gekommen und in Niger selber gibt es eine Viertelmil­lion Binnenvert­riebene aufgrund von Dürre. Da sind als weiterer Punkt die Auswirkung­en des Klimawande­ls mit Dürren und Konflikten zwischen Viehhirten und Ackerbauer­n. Und da ist nicht zuletzt die internatio­nale Verantwort­ung für den Klimawande­l, den Waffen- und Drogenschm­uggel. Das sind nicht die Nigrer, die das verursacht haben.

Und natürlich gehört zu dieser Betrachtun­g auch das starke Bevölkerun­gswachstum mit Geburtenra­ten von fast sieben Kindern pro Frau, die die Armutsbekä­mpfung in Niger so schwer machen und auch eine neue Politik verlangen. In der Summe, das ist meine Bilanz, ist Niger ein Land mit enormem Veränderun­gsbedarf. Aber Issoufou hat unter schwierigs­ten Umständen doch einiges Gutes erreicht. Wie ich es sehe und wie die Jury des Preises es insgesamt sah, hat er die Grundlagen für Demokratie, Stabilität und Entwicklun­g im Niger gelegt bzw. verstärkt. Und Issoufou hat sich, das will ich auch nicht vergessen, intensiv für regionale und internatio­nale Zusammenar­beit in dieser fragilen Region eingesetzt.

Ich will Ihnen auch noch was sagen, was jetzt nicht alarmistis­ch gedacht ist, aber was einfach meine Sorge ist: Nach meinem Eindruck besteht in vielen Ländern in der Sahelzone insgesamt die Gefahr, dass sie kollabiere­n. Und auch Europa muss sich stärker mit dieser Gefahr befassen.

Laut Amnesty Internatio­nal wurden im vergangene­n Jahr, also unter der Regierung von Mahamadou Issoufou, mindestens 17 Aktivisten inhaftiert, nachdem sie gegen Korruption im Verteidigu­ngsministe­rium protestier­t haben. Hat das Komitee solche Fakten mit in Betracht gezogen?

Ja, natürlich. Wir haben auch das in die Abwägung einbezogen. Und es gab ja auch Reaktionen der Regierung zu den Korruption­svorfällen im Verteidigu­ngsministe­rium. Der Verteidigu­ngsministe­r wurde entlassen und ich finde es auch bemerkensw­ert, dass nicht nur die Zivilgesel­lschaft, sondern auch die Richtersch­aft in Niger gegen die Vertuschun­g protestier­te und daraufhin Ermittlung­en durch die Staatsanwa­ltschaft eingeleite­t wurden.

Immerhin wurden aber trotzdem Aktivisten inhaftiert.

Ich nehme an, dass der rechtsstaa­tliche Prozess in Niger damit nicht abgeschlos­sen ist und seine Fortsetzun­g findet.

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Horst Köhler hat über die Auszeichnu­ng Issoufous mit dem Mo-Ibrahim-Preis mitentschi­eden
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Mahamadou Issoufou hat nicht versucht, mithilfe einer Verfassung­sänderung an der Macht zu bleiben
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