Deutsche Welle (German edition)

Deutsche Fahrradbra­nche boomt und boomt

Während der Pandemie haben immer mehr Menschen das Radfahren für sich entdeckt, auch mit elektrisch­er Unterstütz­ung. Der von Corona verstärkte Boom geht weiter - und sorgt für neue Probleme.

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Wie kaum eine andere Branche haben Fahrradind­ustrie und Fahrrad-Fachhandel 2020 von der Corona-Pandemie profitiert. Überall gingen die Umsätze steil nach oben, besonders bei E-Bikes und Lastenfahr­rädern. Auch im laufenden Jahr rechnen die Fachleute mit einer hohen Nachfrage, die sogar zu erneuten Lieferengp­ässen führen könnte.

Vor allem teure E-Bikes trieben den Absatz und Durchschni­tts-Verkaufspr­eis in die Höhe, wie die Verbände ZIV ( Zweirad- Industrie- Verband) und VDZ (Verband des deutschen Zweiradhan­dels) am Mittwoch in Frankfurt mitteilten. Dabei wird der Verkauf von E-Bikes immer wichtiger und lukrativer für die Branche: Mit 1,95 Millionen verkauften EBikes legte der Absatz batteriege­triebener Fahrräder im vergangene­n Jahr um 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. für einen zusätzlich­en Schub für die ohnehin boomende Branche: Viele Menschen meiden aus Angst vor einer Ansteckung nach vor wie den öffentlich­en Nahverkehr und suchten Bewegung an der frischen Luft. Außerdem verbrachte­n viele Deutsche ihren Urlaub im Inland, wo sie oft das eigene Fahrrad mit im Gepäck hatten, lautet die Erklärung der beiden Branchenve­rbände ZIV und VDZ.

Insgesamt legte der deutsche Fahrradmar­kt im Jahr 2020 deutlich mit mehr als 5 Millionen verkauften Fahrrädern und E-Bikes um 16,9 Prozent gegenüber 2019 zu. Auch der Cargobike-Boom setzte sich 2020 fort. Mehr als 100.000 verkaufte Lastenräde­r fanden neue Besitzer, davon sind rund 78.000 mit elektrisch­er Unterstütz­ung unterwegs. Im Schnitt gaben die Verbrauche­r 1279 Euro pro Fahrzeug aus. Der

Umsatz kletterte um 60,9 Prozent auf 6,44 Milliarden Euro. Die heimischen Hersteller profitiert­en von der stark gestiegene­n Nachfrage nach hochwertig­en E-Bikes und steigerten sowohl Produktion als auch Export.

Allerdings bekamen nicht alle Kunden im vergangene­n Jahr ihr Wunschmode­ll, räumte Thomas Kunz vom Handelsver­band Zweirad (VDZ) ein. Auch in den Werkstätte­n kam und kommt es immer wieder zu langen Wartezeite­n. Die Händler hätten ihre Geschäfte im Herbst annähernd leer verkauft. Für das laufende Jahr verfüge man aber wieder über volle Lager.

"Industrie und Handel haben alles in Bewegung gesetzt, um eine möglichst gute Warenverso­rgung in der kommenden Fahrradsai­son zu gewährleis­ten", so Kunz. Die Kunden sollten sich aber bei mehreren Händlern umschauen und sich nicht auf ein einziges Modell festlegen.

Aktuell schwächelt der Rahmen- Nachschub aus Asien, erklärte Industriev­ertreter Ernst Brust. Auch weitere FahrradKom­ponenten könnten wegen knapper See-Container verspätet eintreffen.

Der deutsche E-Motoren-Produzent Brose berichtet von ähnlichen Engpässen wie in der Auto-Industrie: "Probleme bereiten uns derzeit die Hersteller von Mikrochips, beziehungs­weise deren Vorliefera­nten, die ihre Produktion nicht entspreche­nd der Marktentwi­cklung steigern können", sagte der Leiter EBike-Systeme, Thomas Leicht, in Berlin.

Die Händler stört, dass sie wegen der Corona-Beschränku­ngen noch nicht in allen Bundesländ­ern loslegen können. Um den bevorstehe­nden Ansturm auf neue Räder zu entzerren, sollten die Fahrradges­chäfte unabhängig von der Corona-Inzidenz öffnen dürfen, verlangt Kunz. Man wundere sich schon sehr über die sehr unterschie­dlichen Bestimmung­en, denn immerhin ermöglicht­en Fahrräder eine infektions­sichere Mobilität. Zudem bedeuteten die vollen Lager für die Betriebe auch eine sehr hohe Kapitalbin­dung.

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) begrüßt zwar die "tolle Entwicklun­g", dass im Krisenjahr so viele Menschen neu aufs Rad gestiegen seien. Die Infrastruk­tur könne da aber bei weitem nicht mithalten, kritisiert­e Verkehrsex­pertin Stephanie Krone in Berlin:

"Die Radwegenet­ze waren schon vor der Krise katastroph­al, deshalb verschärfe­n sich jetzt die Probleme bei zunehmende­m Radverkehr." Die Städte müssten jetzt das Fenster der Gelegenhei­t für den Ausbau der Radinfrast­ruktur nutzen. "Es ist so viel Geld wie noch nie vom Bund dafür da - und die Menschen gieren förmlich danach, mehr Rad zu fahren", sagte Krone. Das werde auch mit der Corona-Pandemie nicht enden.

tko/hb (dpa, VDZ, ZIV)

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 ??  ?? Auf Pedalen durch die Corona-Krise: Fahrradkun­den stehen Schlange in Hannover
Auf Pedalen durch die Corona-Krise: Fahrradkun­den stehen Schlange in Hannover

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