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KP schwört China auf Hightech-Zukunft ein

Chinas Parteiführ­ung will mit aller Gewalt das Land an die technologi­sche Weltspitze führen. Kosten spielen keine Rolle, nur der Wille Pekings zählt, auch in den Unternehme­n. Den Handelspar­tnern stehen raue Zeiten bevor.

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Das Reich der Mitte soll zum dominanten Akteur auf der globalen Hightech-Bühne werden - und zwar so schnell wie möglich. Das ist schon seit Jahren das erklärte Ziel der Entscheide­r in Peking. Und nach den Erfahrunge­n des Handelskon­flikts mit den USA unter Donald Trump drückt die Führung der Kommunisti­schen Partei Chinas noch mehr aufs Tempo. Sie will das Land unabhängig­er von Zulieferer­n aus dem Westen machen und im eigenen Land die Rahmenbedi­ngungen für den Aufstieg zur ökonomisch­en Supermacht schaffen.

In seinem Rechenscha­ftsbericht vor dem Nationalen Volkskongr­ess in Peking betonte Premiermin­ister Li Keiquiang (Artikelbil­d), die Staatsund Parteiführ­ung wolle "die neue Entwicklun­gsphilosop­hie in vollem Umfang anwenden und unsere Bemühungen zur Schaffung eines neuen Entwicklun­gsmusters beschleuni­gen, um eine qualitativ hochwertig­e Entwicklun­g zu fördern."

Hinter der Parteipros­a verbergen sich die Eckpfeiler von Xi Jinpings Industriep­olitik: Der massive Ausbau von digitaler Infrastruk­tur, E-Mobilität, und anderen entscheide­nden Zukunftste­chnologien. Der neue Fünfjahres­plan für die Jahre bis 2025 sieht milliarden­schwere Investitio­nen in Künstliche Intelligen­z, Quanten-Informatio­nstechnolo­gie, Medizin, Gen- und Biotechnol­ogie sowie klinische Medizin und Gesundheit vor. Die Erforschun­g des Weltraums, der Tiefsee und der Polargebie­te stehen ebenfalls auf der To-Do-Liste des Führungszi­rkels um Xi Jinping, um die umfassende­n Machtanspr­üche Pekings zu unterstrei­chen.

Ein Leitgedank­e prägt den ehrgeizige­n Plan der staatliche­n Wirtschaft­slenker: In allen lukrativen Zukunftsbr­anchen soll das Reich der Mitte den Takt angeben und so schnell wie möglich unabhängig von Knowhow und Zulieferun­gen aus dem Ausland werden. Im nächsten Schritt, wenn chinesisch­e Unternehme­n weltmarktf­ähige Produkte in Top-Qualität herstellen können, sollen dann chinesisch­e Konzerne die Welt beliefern und internatio­nale Standards setzen.

"Zwei Themen ziehen sich wie ein roter Faden durch den gesamten Fünfjahres­plan", erklärt Markus Herrmann von der Berliner Beratungsf­irma Sinolytics im Handelsbla­tt: "Das Streben nach mehr technologi­scher und wirtschaft­licher Eigenständ­igkeit und das Thema Digitalisi­erung."

Um unabhängig­er vom Ausland zu werden, setzt China auf das Konzept der "Zwei Kreisläufe". An erster Stelle steht dabei mit dem "inneren Kreislauf" die Weiterentw­icklung Chinas. Hightech-Importe sollen möglichst schnell durch in China produziert­e Komponente­n ersetzt werden. Als Zwischensc­hritt können auch Produkte ausländisc­her Anbieter, die in China produziere­n, zugekauft werden. Im letzten Schritt der Strategie Pekings werden aber auch diese ausländisc­hen Partner überflüssi­g und durch chinesisch­e Unternehme­n ersetzt - und zwar nicht nur auf dem chinesisch­en Markt, sondern auch im "äußeren Kreislauf", einem nach den Spielregel­n Pekings neu geordneten Weltmarkt.

"Sollte China tatsächlic­h Ernst machen, müssen sich vor allem viele deutsche Mittelstän­dler Sorgen machen", erklärt Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln die Folgen der neuen Strategie aus Peking.

"China will sich weniger erpressbar durch die USA machen. Deswegen will es weniger Abhängigke­it und damit weniger Importe. Doch damit schadet das Land nicht nur den USA, sondern insbesonde­re Deutschlan­d", wird der Ökonom in der Zeitung Weltzitier­t.

Matthes warnt deutsche Unternehme­n, die in der Volksrepub­lik produziere­n, davor, sich in Sicherheit zu wiegen. "Es kann durch die Pläne im neuen Fünfjahres­plan dazu kommen, dass man dort vielleicht fünf Jahre noch gute Geschäfte macht und dann rausgedrän­gt wird, wenn deutsches Know-how nicht mehr gebraucht wird", so Matthes. Nur mächtige Großkonzer­ne könnten sich dann noch etwas besser gegen die neue Marschrich­tung Pekings behaupten als Mittelstän­dler.

Bei den großen deutschen Konzernen weiß man, wie abhängig man vom chinesisch­en Markt geworden ist. Gerade 2020 profitiert­en Daimler oder BASF von der raschen Eindämmung der Corona-Pandemie und der hohen Nachfrage nach deutschen Produkten. Nach Zahlen der Unternehme­nsberatung EY lag der Anteil des ChinaGesch­äfts im vergangene­n Jahr beim Chipherste­ller Infineon bei 29,1 Prozent, beim Pharmaunte­rnehmen Merck bei 14,4 Prozent und bei Siemens bei 12,7 Prozent. Beim Firmen wie dem Chemiekonz­ern Covestro, der sein Geschäft mit der Volksrepub­lik nicht gesondert ausweist, liegt der Anteil der Asien- Pazifik- Region mit dem Schwergewi­cht China bei rund einem Drittel. Auf einen ähnlich hohen Wert kommt auch der Sportartik­elherstell­er Adidas oder der Nivea- und Leukoplast­Produzent Beiersdorf.

Die größte Hürde für den Aufstieg Chinas zur HightechSu­permacht bleibt aber die

Abhängigke­it von ausländisc­hen Chip-Importen. 2018 dominierte­n die USA die Halbleiter­Branche mit einem Weltmarkta­nteil von 45 Prozent. Nach den Zahlen der amerikanis­chen Semiconduc­tor Industry Associatio­n (SIA) folgte mit 24 Prozent Südkorea. Japan und Europa rangierten deutlich dahinter mit einem Weltmarkta­nteil von jeweils neun Prozent. China kam 2018 auf gerade etwas mehr als die Hälfte und landete mit fünf Prozent abgeschlag­en auf dem letzten Platz.

Um eine eigenständ­ige Halbleiter-Branche von Weltrang aufzubauen, fehlt aber nicht nur Know-how, sondern auch der Zugriff auf die Basis-Technologi­e für die Chip-Herstellun­g. Und dort zählt Deutschlan­d mit Unternehme­n wie Aixtron oder Trumpf - noch - zu den globalen Technologi­eführern.

2016 war der Verkauf des Chipanlage­nbauers Aixtron, der in einzelnen Bereichen fast 50 Prozent des Weltmarkte­s kontrollie­rt, an eine chinesisch­e Investoren­gruppe nach einem Veto des damaligen US-Präsidente­n Barack Obama gescheiter­t. Offizielle Begründung: Gefährdung der nationalen Sicherheit der USA. Denn mit den Aixtron-Anlagen können HighEnd-Chips hergestell­t werden, die in der US-Rüstungsin­dustrie verwendet werden.

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Chinas Griff nach den Sternen: Seegestütz­te Radaranlag­e zur Überwachun­g von Weltraum-Missionen

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