Deutsche Welle (German edition)
Kontroverse um Lübecker Impfstoff-Erfinder Winfried Stöcker
Der Mediziner hat in seinem Labor ohne Zulassungsverfahren einen Impfstoff hergestellt und ihn bereits an Freiwillige verimpft. Nun läuft ein Strafverfahren gegen ihn.
Das private deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel verschaffte dem Lübecker Arzt und Unternehmer Winfried Stöcker Anfang April 2020 eine recht große Öffentlichkeit: Ein Artikel und ein Fernsehbeitrag erzählendie Geschichte eines genialen Erfinders, der eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus in seinem privaten Labor entwickelt und damit schon etwa 100 Freiwillige geimpft hat.
Die Impfung hätte keine Nebenwirkungen gezeigt, dafür aber bei den Geimpften eine durch serologische Tests nachweisbare, sehr hohe Wirksamkeit von 97 Prozent. Der Impfstoff sei leicht in großen Mengen herstellbar und es sei damit möglich, in kürzester Zeit alle Menschen in Deutschland zu impfen. Doch statt der gebotenen Unterstützung durch Zulassungsbehörden habe Stöcker nur eine Strafanzeige bekommen, weil die Zulassungsbehörden ihn ausbremsen - so der Tenor des Spiegel-Berichts.
Ist Stöcker also ein verkannter genialer Erfinder, dessen Arbeit die unflexiblen Behörden behindern, oder ein verantwortungsloser Dr. Frankenstein?
In Fachkreisen hat das Vorgehen des Arztes jedenfalls Empörung ausgelöst. Stöcker habe unzählige vorgeschriebene Schritte zum Schutz der Patientensicherheit einfach übersprungen.
Hier die wichtigsten Punkte zu der sogenannten "Lübeck-Impfung".
Unternehmer Stöcker hat keine Informationen zu Genehmigung, Studienprotokoll und präklinischer Absicherung dargelegt. Offenbar hat er den Impfstoff also direkt aus dem Labor am Menschen eingesetzt.
Die Zulassung von Medikamenten, zu denen auch Impfstoffe gehören, ist aber ein komplizierter und aufwendiger Prozess. Er beinhaltet nach den Laborversuchen an Zellkulturen auch toxikologische Tests im Tierversuch. Um solche überhaupt durchführen zu dürfen, müssen Medikamentenhersteller umfassende Bedingungen erfüllen und zudemaufwendige Genehmigungsverfahren durchlaufen.
Gleiches gilt für den nächsten Schritt hin zu den ersten klinischen Versuchen am Menschen in Phase I, der sich dann die weiteren Phasen der Medikamentenentwicklung anschließen. Voraussetzung für jede einzelne klinische Studie ist zudem eine Genehmigung der zuständigen Zulassungsbehörde. In Deutschland ist das das Paul-EhrlichInstitut (PEI).
Das PEI meldete die Verabreichung eines Antigen-Serums in Eigenregie wiederum dem Landesamt für soziale Dienste in Kiel, welches nun Strafanzeige erstattete. "Es bestehe Verdacht strafbaren Handelns“, da eine Studie mit "experimentellen Arzneimitteln“stattgefunden habe, ohne dass diese zuvor geprüft wurde, heißt es in der Anzeige.
Als wissenschaftliches Grundprinzip gilt, dass diejenigen, die selbst Medikamente herstellen oder auch ihre Beschäftigten, von der Teilnahme an Versuchsreihen als Probanden ausgeschlossen sind. So wird die mögliche Befangenheit von Probanden ausgeschlossen und die Objektivität der Studien gewährleistet.
Das ist auch einer der Gründe, weshalb selbst die Erfinder des BioNTech/Pfizer-Impfstoffes diesen bisher selber nicht erhalten haben, wie CEO Ugur Sahin Ende 2020 gegenüber der DW sagte. Stöcker hingegen brüstet sich damit, den Impfstoff seiner Familie und seinen Beschäftigten gespritzt zu haben.
Als Arzt ein nicht zugelassenes Medikament zu verabreichen, kann einerseits als Körperverletzung geahndet werden, andererseits stellt es einen Verstoß gegen die ärztlichen Sorgfaltspflichten dar. Insofern muss Stöcker möglicherweise auch mit Sanktionen seitens der Ärztekammer rechnen.
Nach Angaben von Stöcker basiert sein Impfstoff auf einem "rekombinanten Antigen, das man leicht und billig in der Retorte herstellen kann." Es sei vergleichbar mit den vorhandenen Impfstoffen gegen Hepatitis A und B. Da das Antigen, anders als etwa bei mRNA oder Vektor
Impfstoffen bereits außerhalb des Körpers, nämlich im Labor, vervielfältigt werde, brauche man "keine Angst vor einer unkontrollierten Ausbreitung in den menschlichen Organismus eingeschleuster genetischer Information zu haben", so Stöcker.
In der Tat sind derartige sogenannte Untereinheitenimpfstoffe bereits seit langem bekannt und werden zum Beispiel auch gegen Grippe oder Humane Papillomviren (HPV) eingesetzt.
Das Vakzin von Stöcker ist dabei auch als Corona-Impfstoff gar nicht so einzigartig, wie der Spiegel-Bericht suggeriert. So basiert einer der in der Entwicklung weit fortgeschrittenen Impfstoffe ebenfalls auf diesem Prinzip, nämlich NVX-CoV2373 von Novavax.
Dieser Impfstoff befindet sich bereits im Zulassungsverfahren der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA).
Die Österreichische Veterinärmedizinerin Petra Falb führt in einem Blogbeitrag eine ganze Reihe von Punkten auf, zu denen Stöcker keine Angaben macht, die aber für die Sicherheit und vor allem für die Gesundheit seiner Probanden relevant sind.
So betont Falb etwa, dass Stöcker sich nicht zur Frage der möglichen Kontamination seines Impfstoffes mit Fremdviren oder Mykoplasmen – also sehr kleiner Bakterien - äußert.
Die Kontrolle möglicher Kontaminationen sei aber "ein heikler Punkt in der Impfstoffentwicklung", weil die Antigene in dem Impfstoff im Labor durch ein Expressionssystem (meist einem Virus) auf einer Zelllinie produziert werden und dabei auch Materialen tierischen Ursprungs zum Einsatz kommen. Sollten gar Retroviren in der Zellinie enthalten sein, bestehe die Gefahr, dass der Impfstoff später einmal Krebs auslösen könnte.
Auch seien die Informationen zu möglichen Zusatzstoffen, sogenannten Adjuvantien, in Stöckers Bericht "völlig ungenügend".
Seine Behauptung, dass der Impfstoff eine Wirksamkeit von 97 Prozent erreiche, kann Stöcker nicht belegen. In der Tat gibt es zu seinem Impfstoff bisher keine einzige veröffentlichte Studie in einem angesehenen Fachjournal.
Bisher hat er lediglich serologische Tests durchgeführt, laut denen bei seinen Probanden Antikörper gegen SARS-CoV-2 gebildet worden seien.
Im Rahmen einer Impfstoffzulassung werden aber auch noch zahlreiche weitere Aspekte berücksichtigt, wie etwa die Immunantwort der T-Zellen aussieht.
Auch die tatsächliche Wirksamkeit - also die Frage, wie viele der geimpften Personen sich im Vergleich zu einer PlaceboGruppe mit dem Virus in einem bestimmten Zeitraum nach der Impfung angesteckt haben, ist ausschlaggebend für eine Zulassung.
Üblicherweise wird das zum Abschluss der Phase III in der Impfstoffentwicklung bewertet. Doch hat Stöcker offenbar nicht einmal den ersten Schritt in einer langen Reihe von notwendigen Schritten unternommen.
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und Konzerte besuchen, weil wir psychologisch in einer Gegenwart verankert sind, in der solche Dinge verboten und unsicher sind", erklärt der Psychologe.
Wie dieser Anker- Effekt funktioniert, werde deutlich, wenn man Science Fiction-Romane aus den 1950er Jahren liest, in denen die Autoren versuchten, sich vorzustellen, wie das Leben im Jahr 1990 aussehen würde. "Typischerweise handelt es sich dabei um den Lebensstil und die Kultur von 1950, die auf 1990 extrapoliert werden, hauptsächlich durch Hinzufügen einiger technologischer Neuerungen, zum Beispiel fliegende Autos." "Denken Sie zum Beispiel an das Tragen von Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit, das während der Pandemie 1918 in den westlichen Ländern üblich und sogar vorgeschrieben war. Die Gewohnheit, Masken zu tragen, verschwand schnell, nachdem die Pandemie vorüber war", so Taylor.
Also mussten wir mit COVID-19 das Maskentragen erst wieder neu lernen. Wobei die Situation in westlichen Ländern natürlich anders als in asiatischen Ländern war, wo das Tragen von Masken zu einer etablierten Gewohnheit geworden ist, schreibt Taylor – sogar um die Übertragung von Erkältungen zu verhindern. "Die SARS-Epidemie von 2003 in einigen asiatischen Ländern (z. B. Taiwan) hatte wahrscheinlich einen nachwirkenden Einfluss und bereitete diese Länder darauf vor, mit Beginn von COVID-19 schnell und frühzeitig Lockdowns zu verhängen." als unerlässlich für unsere Spezies der Homo sapiens. "Der menschliche Organismus entwickelt sich nur im engsten Körperkontakt zu dem sozial anderen. Das ist sozusagen eine Grunderfahrung unserer Spezies", sagt Grunwald. So ginge es eigentlich allen nesthockenden Säugetieren – sie alle brauchen Körperkontakt, damit sie richtig wachsen.
"Jemand ist uns nahe, dem wir körperlich nahe sind", erklärt Grunwald. Das habe nichts mit Sexualität zu tun, sondern diese Kontaktbiologie sei eine zentrale Erfahrung unseres Lebens. Seine Erkenntnisse zu Berührungen und zum Tastsinn hat der Forscher in dem populärwissenschaftlichen Buch "Homo Hapticus" aufgeschrieben.
"Die Körperinteraktion mit dem Anderen ist sozusagen in unserer biologischen oder sozialen DNA. Sie ist geprägt von unseren Erfahrungen, die wir als Kinder, als Säuglinge gemacht haben. Wir werden zu diesen Grundkommunikationsformen wieder zurückfinden," sagt Grunwald. Kurzum: Ohne Berührung können wir nicht sein. die Gewohnheit, Umarmungen und anderen intensiven Körperkontakt zu vermeiden.
Es folgten weiter Experimente, in denen junge Äffchen in unterschiedlicher sozialer Umgebung aufgezogen wurden – einige Tiere völlig isoliert, andere nur mit ihrer Mutter, und wieder andere mit Müttern und gleichaltrigen Spielgefährten. Die Äffchen, denen Kontakte vorenthalten wurden, zeigten ausnahmslos schwere Entwicklungs- und Verhaltensstörungen.
Die Experimente machen deutlich, wie essenziell Körperkontakt für die Entwicklung eines gesunden Sozialverhaltens ist. Harlows Untersuchungen waren und sind allerdings ethisch durchaus bedenklich. Daher sind auch Studien am Menschen bis heute rar.
Nun, gehen wir davon aus, dass Taylor und Grunwald richtig liegen, und sobald es die ersten Anzeichen dafür gibt, dass der Kontakt zum anderen nicht mehr gefährlich ist, wir wieder zu diesem Verhalten zurückkehren werden: Wissen wir dann noch, wie's geht? Wie wir aufeinander zugehen können? Den Wunsch nach Nähe, Berührung und Umarmung signalisieren?
"Anfangs ist das bestimmt etwas holprig. Das sieht man ja jetzt schon, wenn wir auf Menschen treffen und nicht recht wissen, wie wir ihnen begegnen sollen", sagt Sabine Koch, Professorin für Tanz- und Bewegungstherapie an der SRH Hochschule Heidelberg und Leiterin des Forschungsinstituts für Künsterische Therapien an der Alanus Hochschule.
Sie hat schon vor Corona zu Umarmungen geforscht, wie etwa Körperrhythmen das Bedürfnis nach Nähe und Trennung kommunizieren.
Dabei bestätigte Koch die Annahme, dass es hierbei verschiedene Phasen gibt: Umarmungen gehen von einer ersten hingebenden Phase mit weichen, runden Bewegungen in die nächste Phase über, in der der Körper angespannter ist. Dann kommt es in der Regel zu irgendeiner Art Klopfen auf den Rücken oder auf die Schulter – ein Ablösesignal, welches das Ende der Umarmung signalisiert und bedeutet: "Das war mir jetzt genug und wir können uns lösen." Dieser Ablauf mache eine gute Umarmung aus, so Koch.
Allerdings hat sie während ihrer Studie auch eine interessante Ausnahme beobachtet: Die Phasen gelten für alle Kombinationen von Frauen mit Männern und Frauen mit Frauen. Doch für Männer, die Männer umarmten, traf es nicht zu. Ihre Umarmungen begannen, zumindest im öffentlichen Kontext, sofort mit dem Schulterklopfen – diesem kämpferischen Rhythmus.
Doch diesen typischen Ablauf mal außer Acht, kommt es auch sehr auf die Qualität der Umarmung an. Das bedeutet: Wie angespannt oder entspannt ist der andere in seinem Körper? Geht er dabei auf mich zu, lehnt er sich zu mir hin, geht er ein bisschen zurück? "Auch diese Kleinigkeiten machen am Ende die Qualität einer Umarmung aus", erklärt Koch. Solche Mikrobewegungen der Annäherung und Vermeidung analysiert sie insbesondere in der Bewegungsanlyse und -therapie.
Also: Verlernt haben wir das Umarmen aufgrund der Pandemie sicher nicht, aber Koch geht davon aus, dass es anfangs etwas Zurückhaltung geben wird – eine Art Übergangsphase. "Ob und wie wir uns umarmen, findet dann auf der non-verbalen Ebene als Verhandlung statt. Ist es jetzt okay dich zu umarmen oder ist es das nicht?"
"In unserer Studie hat sich auch gezeigt, dass Menschen auf der non-verbalen Ebene ganz unterschiedliche Sensitivitäten haben", sagt Koch. Heißt: Die einen merken es sofort, wenn jemand bei einer Umarmung anfängt zu klopfen und das Ablösungssignal ertönt und gehen einen Schritt zurück. Die anderen merken das viel später, und wieder andere merken das gar nicht.
Nach der Pandemie kommt es also ganz besonders auf die Sensibilität jedes einzelnen an: Sind da wirklich Zeichen, dass der andere es auch will? Mitunter ist das gar nicht so leicht zu erkennen. Im Zweifelsfall lässt man anfangs also vielleicht doch davon ab. Oder: Man spricht darüber – und fragt einfach explizit nach, ob man sein Gegenüber in den Arm nehmen darf.