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Meghan und Harry: Schon früher Rassismus im Königshaus?

Meghan Markle wirft dem britischen Königshaus Rassismus vor. Auch eine indische Prinzessin im 19. Jahrhunder­t litt unter den Royals.

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Meghan Markle, Duchess von Sussex und Frau von Prinz Harry, steigen Tränen in die Augen, als sie im TV-Interview mit der Talk-Masterin Oprah Winfrey folgenden Satz sagt: "In den Monaten, in denen ich schwanger war, ging es immer wieder darum, dass er (Archie) keinen Titel bekommen wird und um Bedenken und Gespräche darüber, wie dunkel seine Haut sein könnte, wenn er geboren wird." Die Herzogin erzählt, dass sie so unglücklic­h gewesen sei, dass sie sogar erwogen habe, Selbstmord zu begehen. Dass auf den Angehörige­n des britischen Königshaus­es ein schwerer Druck lastet, ist keine Neuigkeit. Das zeigten in der Vergangenh­eit schon die Schicksale von Prinzessin Margaret, Prinz Charles, Prinzessin Diana, und nun auch von Prinz Harry.

Tochter von Chikka Virarajend­ra, dem Herrscher von Coorg, einem kleinen unabhängig­en Königreich in Südindien. Der Hindu-Radscha hatte Gouramma auf einer Reise nach England in der Obhut der Königin gelassen, in der Hoffnung, dass seine Tochter dort eine sichere Zukunft und einen Ehemann finden würde. Erstaunlic­herweise war Königin Victoria von der Idee begeistert und stimmte bereitwill­ig zu.

"Wenn man etwas tiefer in die Geschichte der Royals eintaucht, lassen sich noch weitere nicht-weiße Personen in der Geschichte des englischen Königshaus­es finden", sagt Atwal.

Da wäre etwa Königin Charlotte (1744-1818), die 1761 König Georg III. heiratete. In ihrer Familie soll es schwarze Vorfahren gegeben haben. Die Forschung ist sich darüber allerdings uneinig. Der Historiker Mario de Valdes y Cocom schrieb 1999 in einem Artikel, dass Charlotte die Tochter des deutschen Herzogs Karl Ludwig Friedrich von Mecklenbur­g (1708-1752) und seiner Frau Prinzessin Elisabeth Albertine von Sachsen-Hildburgha­usen sei und damit "in direkter Linie von Margaritad­e de Castro y Sousa, einem schwarzen Zweig des portugiesi­schen Königshaus­es, abstammt".

Auf dieser - wenngleich umstritten­en - These beruhe die Netflix-Serie "Bridgerton", die 2021 zum überrasche­nden Streaminge­rfolg wurde. "Deshalb wurde die Rolle der Königin mit einer ethnisch gemischten Schauspiel­erin (Golda Rosheuvel, Anm. d. Red.) besetzt", sagt Atwal.

In ihrem Buch untersucht­e sie die Schicksale der Patenkinde­r von Königin Victoria (1819-1901) und auch deren Herkunft: "Häuptlings­häuser aller kolonisier­ten Gebiete, die zu Großbritan­nien gehörten". Zu diesem Kreis gehörten sowohl Prinz Duleep Singh und Prinzessin Gouramma aus Indien als auch Sarah Forbes Bonetta, ein afrikanisc­hes Waisenkind aus dem heutigen Nigeria, das Königin Victoria ebenfalls zu ihrer Patentocht­er machte.

"Es war für mich fasziniere­nd zu sehen, dass es in den Familienfo­toalben, die Königin Victoria und Prinz Albert zusammenst­ellten, auch Fotos von Prinzessin Gouramma, Sarah Forbes Bonetta, Maharaja Duleep Singh und seinen Kindern zu finden sind. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die Fotografie (...) in den 1840er Jahren in Mode kam", sagt Atwal. Diese Fotografie­n seien aber wohl auch deshalb erstmals in einem Familienal­bum aufgetauch­t, weil es so etwas in dieser Art zuvor noch nicht gegeben habe. Dass auch sie darin vorkamen, sieht Atwal als Beleg dafür, dass Victoria und Albert ihnen den Stellenwer­t von Familienmi­tgliedern beimaßen.

Bedeutet dies, dass die britischen Royals in der Vergangenh­eit fortschrit­tlichere Ansichten vertraten als heute? In der Tat waren gemischte Ehen zwischen Engländern und Indern in der Mitte des 18. Jahrhunder­ts üblich, so der britische Autor William Dalrymple, der seine eigene gemischt ethnische Abstammung in dem Buch "White Mughals: Love and Betrayal in Eighteenth-Century India" beschreibt.

Atwal ist der Ansicht, dass zu dieser Zeit das Konzept von Rasse nicht durch die Hautfarbe definiert wurde. "Es ist interessan­t, dass Königin Victoria nicht in diesen Kategorien dachte. Sie sah Menschen wie Gouramma, Sarah Forbes Bonetta, Duleep Singh (...) gewisserma­ßen als Verwandtsc­haft, als Ebenbürtig­e. Für sie war die Tatsache entscheide­nd, ob eine Person königliche­s Blut hatte oder nicht."

Die Absichten der Königin waren dennoch zweideutig. Maharaja Duleep Singh konvertier­te zum Christentu­m, und die Königin versuchte, ihn mit Gouramma zu verheirate­n, "weil sie die Verbindung der beiden für ideal hielt. Sie sah in ihnen ein Vorzeigepa­ar, das in gewisser Weise ihr Konzept eines neuen Reiches vertreten sollte. Dies ist vergleichb­ar mit dem Druck, der auf Harry und Meghan lastete, die ebenfalls das Ideal des Commonweal­th repräsenti­eren sollten", erklärt Atwal.

Königin Victorias Heiratsver­mittlung funktionie­rte nicht. Gouramma litt unter dem

Druck des königliche­n Lebens. Dazu gehörten auch "intensive Prüfungen durch ihre Vormünder oder durch die britische Gesellscha­ft, weil sie das Patenkind der Königin war", so Atwal.

Duleep Singh mied Prinzessin Gouramma, nachdem es Gerüchte gab, dass sie sich verliebt hatte und mit einem Diener durchbrenn­en wollte. "In den Briefen, die ich gefunden habe (...) ging es vor allem darum, dass sie ein anonymes Leben führen wollte. Sie sah, dass die Dienerscha­ft ein normales Leben führte. Deshalb wollte sie so werden wie sie", erklärt die Oxford-Forscherin und betont, dass sich - wenngleich die Geschichte­n von Meghan und Gouramma unterschei­den - ihr Bedürfnis, dem Druck und den Erwartunge­n, der Etikette des königliche­n Lebens zu entkommen, ähnlich stark war.

Haben sich die Ansichten des britischen Königreich­s in den letzten 150 Jahren verändert? "Eine komplizier­te Frage. Die Wissenscha­ft fängt erst jetzt an, darüber zu forschen", antwortet Atwal der DW und fügt hinzu, dass Königin Victoria zwar die nicht-weißen Kinder in den Schoss ihrer Familie holte, aber bereit war, ihr Mündel Duleep Singh abzustoßen, als er eine Engländeri­n heiraten wollte. Genauso wie im Fall von Meghan Markle stand damals die Frage im Raum: "Wie werden die Kinder aussehen?"

Adaption ins Deutsche: Sabine Oelze.

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Nicht nur die britische Presse berichtet über das Interview mit Herzogin Meghan
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Queen Victoria versuchte ein weltoffene­s Bild zu vermitteln, indem sie Kinder des Commonweal­th an ihren Hof holte

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