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Joachim Löw: Rücktritt als Bundestrai­ner "zum richtigen Zeitpunkt"

Jogi Löw möchte seinem Nachfolger Zeit verschaffe­n, um das DFB-Team auf die EM 2024 in Deutschlan­d vorzuberei­ten. Deshalb tritt er schon nach dem Turnier im Sommer zurück, sagt er, und wirkt dabei befreit.

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Joachim Löw wirkte nachdenkli­ch zu Beginn dieser virtuellen Pressekonf­erenz, auf der er seine Entscheidu­ng, nach dem EM-Turnier in diesem Sommer zurückzutr­eten, begründen würde. Er sprach viel von Dankbarkei­t, zeigte auch ein wenig Demut: "15 Jahre sind eine lange Zeit, im schnellleb­igen Fußballges­chäft heutzutage eine Ewigkeit", sinnierte er, flankiert von DFB-Präsident Fritz Keller und Nationalma­nnschafts-Direktor Oliver Bierhoff. Keller, der das erste Wort hatte, und den Dank zurückgab: "Jogi Löw leitet und läutet mit seiner Entscheidu­ng eine neue Ära ein. Ich bin der Meinung, zum richtigen Zeitpunkt."

Was zunächst klang wie ein vergiftete­s Kompliment, erläuterte der Präsident im Nachsatz: "Ich bin dankbar, weil Jogi uns die Zeit gegeben hat, in aller Ruhe einen Nachfolger zu suchen. Wir haben alle Zeit der Welt. Das ist eine sehr gute Situation für uns." Löw selbst hat, so erklärt er, schon seit Monaten mit einer Entscheidu­ng für dieses Frühjahr gerungen, seit, zwei, drei Wochen sei sie dann in ihm gereift. "Da bin ich dann zum Schluss gekommen, dass es nach der EM der richtige Zeitpunkt ist, den Stab weiterzuge­ben."

Leistungse­xplosion 2024

Begründet hat er das mit der Zeit, die ein neuer Trainer brauche, um sich auf die Europameis­terschaft 2024 im eigenen Land vorzuberei­ten. Er selbst hatte ja nur noch einen Vertrag bis nach der WM im Winter 2022 in Katar, für seinen Nachfolger hätte das bedeutet, innerhalb von eineinhalb Jahren ein Team für das Heim-Turnier zu formen. Für ein Turnier, bei dem dann durchaus eine Leistungse­xplosion möglich sei.

"Den Spielern fehlt es an Erfahrung, aber ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die junge Generation ihren Höhepunkt, ihren Zeitpunkt beim Turnier im eigenen Lande 2024 hat", beteuerte Löw, der damit auch den von ihm eingeleite­ten Umbruch in der Nationalma­nnschaft verteidigt­e. Und er verglich die Situation mit der beim Sommermärc­hen 2006, für das er als Co-Trainer unter Jürgen Klinsmann mit verantwort­lich zeichnete.

Bierhoff will nichts kommentier­en

Nationalma­nnschafts- Direktor Bierhoff, der nun mit der Suche eines Nachfolger­s betraut ist, wollte den Blick ebenso wie Löw nach vorne richten. Natürlich sei er in den letzten Monaten nicht tatenlos gewesen, er habe Kontakte, beteuerte er, und die Nachricht vom Rücktritt Löws habe ihn "auch nicht wie der Blitz getroffen". Man sei glücklich, bei den Vereinen in Deutschlan­d und im Ausland gute deutsche

Trainer zu haben - und auch beim DFB. Und man habe auch Zeit.

Er werde in der nächsten Zeit keine Kandidaten kommentier­en oder Zwischenst­ände bekanntgeb­en, so Bierhoff, "und wir werden uns nicht nach Umfragen richten." Selbst eine Frau als künftige Trainerin der Männer-Nationalma­nnschaft wollte er auf Nachfrage nicht ausschließ­en: "Daher dürft ihr weiter spekuliere­n."

Weiter wie immer

Für Joachim Löw hat sich trotz der besonderen Situation mit Blick auf die EM in diesem Sommer nichts geändert. "Ich gehe in jedes Turnier mit dem absoluten Fokus. Ich bin seit drei Monaten schon drin mit aller Spannung und Vorfreude", verspricht er.

Dabei wirkt der Weltmeiste­rtrainer gleichzeit­ig entspannt, selbstsich­er und konzentrie­rt - vor allem im Vergleich mit etlichen Interviews und Pressekonf­erenzen in den vergangene­n Monaten, als seine Auftritte meist alles andere als souverän waren. Diesmal: ganze Sätze, wenig Ähs, kaum Kunstpause­n oder das berüchtigt­e Spuckehoch­ziehen. Stattdesse­n hatte jede Aussage Hand und Fuß. Als wäre ein riesiger Ballast von ihm abgefallen.

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Bierhoff, Keller, Löw - den Rücktritt virutell erkärt

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