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Maja Lunde: Das Jahr hat eine ganze Generation verändert
Mit Krisen-Romanen kennt sich Maja Lunde ("Geschichte der Bienen") aus. Als Corona ausbrach, wusste sie nicht weiter. Ein Interview über Scham und Hoffnung.
"Ich mag es, dass mein Mann tagsüber zu Hause ist und wir zusammen Mittagessen können", sagt die norwegische Erfolgsautorin Maja Lunde ("Geschichte der Bienen") darüber, wie ein Jahr Corona ihr Leben beeinflusst hat. Ihr Tagebuch, das sie vor einem Jahr mit Beginn des Lockdowns in Norwegen angefangen hat, beginnt hingegen mit einem Streit zwischen dem Ehepaar. Maja Lunde schrieb am vierten Band ihres so genannten Klimaquartetts, als im März 2020 das Virus den Alltag in ihrem Heimatland und ganz Europa voll ausbremste. Plötzlich fand sich die Bestsellerautorin und Mutter von drei Kindern in einer verstörenden und beängstigenden Wirklichkeit mit ungewissem Ausgang wieder.
Ihr Tagebuch wurde kurz darauf unter dem Titel "Als die Welt stehen blieb" veröffentlicht; es ist ihr bislang wohl persönlichstes Werk. Berühmt ist Lunde vor allem für ihre zum Teil in ferner Zukunft spielenden Romane mit eher negativer Perspektive. "Die Geschichte der Bienen" ist in 30 Sprachen erschienen. Es folgten die Romane "Die Geschichte des Wassers" und "Die letzten ihrer Art". Im DW-Interview spricht Maja Lunde über die neue Wirklichkeit, ihre Sorgen um die Jugend und Scham.
DW: Ihr Buch "Als die Welt stehen blieb" handelt vom Beginn des Corona-bedingten Lockdowns. Warum haben Sie Ihr persönliches Tagebuch aus dieser Zeit verö entlicht? Und warum schreiben Sie nur über die ersten 18 Tage (11. bis 29. März 2020)?
Maja Lunde: Als die Pandemie Norwegen erreichte, wusste ich nicht, was ich tun sollte. Ich hatte das wirklich komische Gefühl, in meine eigenen Bücher einzutreten. Teilweise, weil ich am Thema Pandemie bereits seit einigen Jahren arbeite. Mein viertes Buch des Klimaquartetts soll von einer Krankheit handeln, die eine kleine Gemeinschaft in der Zukunft heimsucht. Ich hatte bereits sehr viel über Viren und Bakterien recherchiert und war wirklich mitten im Aufbau der Geschichte. Ich suchte nach den richtigen Szenen, frage mich, was als nächstes passieren sollte und entwickelte meine Charaktere. Ich hatte also gerade angefangen, dieses Buch zu schreiben - und dann war es einfach nicht möglich. Ich fühlte mich wie in einem Roman, es war so surreal. Ich war aber wenigsten in der Lage darüber zu schreiben, was mit mir geschah. Und das brauchte ich wirklich. Es war wohl mein Weg, mit der Situation zurecht zu kommen. Immer, wenn ich etwas Zeit hatte, setzte ich mich an meinen Rechner und schrieb auf, was geschah. Ich habe mich durch diese Krise hindurchgeschrieben.
Als sich alles etwas beruhigte, schon nach wenigen Wochen, hatte ich diesen Drang, Tagebuch zu schreiben, nicht mehr. Ich fühlte mich optimistischer, ich kam zurecht. Ich konnte auch wieder an meinem Roman weiterarbeiten. Darum handelt das Buch nur von den ersten 18 Tagen. Nachdem ich ein paar Wochen mit der Pandemie gelebt hatte, gewöhnte ich mich daran. Das ist auch ein wichtiges Thema im Buch: wie wir uns an Neues gewöhnen. Der Mensch kann sich extrem gut anpassen, auch an die merkwürdigsten Dinge. So haben wir uns auch an diese Pandemie gewöhnt. Nach einem Jahr sieht so nun unser Leben aus, und wenn ich zurückdenke, fühlt sich das Davor wie ein anderes Zeitalter