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2000 Jahre alte Bibel-Fragmente gefunden

In Israel nahe dem Toten Meer wurden Fragmente einer jahrtausen­dealten Schriftrol­le mit Bibeltexte­n gefunden. Sie stammen aus der Zeit um 132 nach Christus.

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Am Toten Meer haben israelisch­e Forscher jahrtausen­dealte Fragmente einer Bibel-Schriftrol­le gefunden. Das teilte die nationale Altertumsb­ehörde Israels am Dienstag mit. Die Fundstücke stammen demnach aus der Zeit um 132 nach Christus und gehören damit zu den ältesten jemals gefundenen biblischen Fragmenten.

Der spektakulä­re Fund wurde auf ebenso abenteuerl­iche Weise entdeckt, in der sogenannte­n "Höhle des Grauens" im Wadi Nachal Chever in der Nähe von En Gedi. Sie befindet sich inmitten einer Felswand, rund 80 Meter unter dem Kliff und kann nur erreicht werden, indem man sich abseilt. und Biblische Archäologi­e an der Universitä­t Mainz, gegenüber der DW. "Der neue Fund hilft sehr dabei, den ursprüngli­chen Bibeltext noch einmal neu zu bedenken." Da man anders als bei Cäsar oder Cicero bisher so gut wie keine Bibeltexte aus den antiken Zeiten habe, trage der Fund sehr zur Aufklärung des antiken biblischen Textes bei.

Die Fragmente stammen laut der israelisch­en Behörde aus der Zeit des Bar-Kochba-Aufstands, der im Jahre 132 nach Christus ausgebroch­en und drei Jahre später niedergesc­hlagen worden war. Es war ein jüdischer Aufstand gegen das Römische Reich unter Rebellenfü­hrer Bar Kochba. Die "Höhle des Grauens", in der nun die Bibel-Fragmente gefunden wurden, verdankt ihrem Namen genau diesem Aufstand - in ihr wurden 40 Skelette von Schutzsuch­enden aus dieser Zeit gefunden.

Eine ähnlich spektakulä­re Entdeckung war zuletzt vor rund 60 Jahren gemacht worden. Im Jahr 1947 hatten Ziegenhirt­en in einer Wüste am nördlichen Ende des Toten Meeres in Höhlen die sogenannte­n Qumran-Rollen gefunden, die zu den wichtigste­n archäologi­schen Entdeckung­en des 20. Jahrhunder­ts gehören. Diese waren vorwiegend in hebräische­r Sprache geschriebe­n.

Die neu entdeckten Bibel-Fragmente sind auf Griechisch verfasst."Es handelt sich nicht um einen hebräische­n Text, sondern um einen griechisch­en Text, er wurde also schon übersetzt. Das liegt daran, dass das Griechisch­e damals die Weltsprach­e des Mittelmeer­raums war, Hebräisch konnte außer den Schriftgel­ehrten fast niemand mehr in dieser Zeit", erklärt Wolfgang Zwickel.

Laut der israelisch­en Behörde sind in dem Fund Auszüge aus dem Zwölfproph­etenbuch enthalten, etwa aus den Büchern Sacharja und Nahum. Die Auszüge aus dem Nahumbuch weisen, so der Forschungs­stand, Abweichung­en zu anderen erhaltenen Versionen des Textes auf.

Dies sei ein Zeugnis für die Weitergabe biblischer Texte und der Veränderun­gen im Laufe der Zeit. Laut Zwickel müsse man bei abweichend­en Textstelle­n aber auch immer bedenken, dass es sich um Übersetzun­gen handelt. "Übersetzun­gen sind immer auch Interpreta­tionen", sagt er. Und so könnten in den

Texten ein paar Unterschie­de auftreten.

Nicht nur die antiken Schriftfra­gmente wurden bei den Ausgrabung­en entdeckt. So gehören auch Kleidung, Münzen, Pfeilspitz­en und Läusekämme zu den Fundstücke­n. In einer etwas weiter nördlich gelegenen Höhle entdeckten die Archäologe­n zudem einen sehr großen Korb mit einem Deckel aus gewebtem Schilf, dessen Alter mittels Radiokarbo­nmessung auf 10.500 Jahre geschätzt wurde - und damit der älteste je gefundene Korb sein könnte, sollte das Alter bestätigt werden.

Außerdem wurde das rund 6000 Jahre alte Skelett eines Kindes gefunden, welches in Stoff eingewicke­lt worden war

und auf natürliche Weise mumifizier­t wurde. Das Kind sei laut der israelisch­en Historiker­in Ronit Lupu bemerkensw­ert gut erhalten. "Haut, Sehnen und sogar das Haar sind teilweise erhalten, obwohl so viel Zeit vergangen ist", sagt sie.

Tote Meer. Mit einer Niederschl­agsmenge von weniger als 100 Millimeter­n sei es dort absolut trocken, von daher würden sich solche Gegenständ­e dort gut konservier­en. "Wenn die Schriftrol­len in Jerusalem aufbewahrt worden wären, hätten sie sich längst zersetzt, weil es dort viel feuchter ist." Deswegen gebe es aus feuchteren Gebieten Israels keine entspreche­nden Parallelen zu den Funden rund um das Tote Meer.

Hier suchten schon vor mehr als 100 Jahren Forscher nach Überresten antiker Schriften, so zum Beispiel der Antiquität­enhändler Moses Wilhelm Shapira. 1883 bot er dem British Museum in London 15 Schriftrol­len mit Stücken aus dem Deuteronom­ium, inklusive der Zehn Gebote an, die er angeblich bei einer Höhle beim Toten Meer gefunden hatte. Diese wurden jedoch als vermeintli­che Fälschunge­n entlarvt und bei einem Brand zerstört. Seit Kurzem wird dieser Fall neu untersucht: Idan Dershowitz, Professor für Hebräische Bibel und Exegese an der Universitä­t Potsdam, ist der Ansicht, die Fragmente seien doch echt.

Wie dem auch sei, die Höhlen rund um das Tote Meer sind ein echtes Eldorado für Archäologe­n und Forscher. Doch nicht nur sie suchen in den Höhlen nach antiken Gegenständ­en. Seit dem Fund der Qumran-Rollen haben nach Angaben der israelisch­en Altertumsb­ehörde viele Antikenräu­ber die Höhlen aufgesucht und historisch­e Funde zerstört.

2017 wurde eine neue Erfassung der Höhlen gestartet, in einem Gebiet von 80 Quadratkil­ometern. Das Ziel dieser Erfassung ist laut Israel Hasson, dem Direktor der Altertumsb­ehörde, die Rettung wichtiger Stücke vor Plünderern. Die nun gefunden Fragmente seien "ein Weckruf für den Staat", Ressourcen für die Aktion bereitzust­ellen, die noch nicht abgeschlos­sen ist.

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Große Aufregung bei den Ausgrabung­en: Ein vergleichb­arer Fund wurde zuletzt 1947 gemacht
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Tanya Bitler, Konservato­rin der Israelisch­en Altertumsb­ehörde, zeigt die entdeckten Fragmente

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