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Coronaviru­s: Eine Chance für Deutschlan­ds Gedenkstät­ten?

Durch den Lockdown mussten deutsche Gedenkstät­ten monatelang geschlosse­n bleiben.Jetzt ist die Öffnung in einigen Bundesländ­ern wieder möglich. Was hat man aus der Pandemie gelernt?

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"Wir können hier zum Beispiel sehen, dass Polizisten aktiv Kriegsverb­rechen begangen haben", erzählt Peter Römer. Hier - das ist in der Villa ten Hompel. Doch Römer führt seine Besucher nicht vor Ort in Münster im Westen Deutschlan­ds durch die Räume der Gedenkstät­te. In einer OnlineFühr­ung bringt er Menschen den Ort und seine Geschichte nahe.

Römer ruft eine Fotografie auf, die einen Mann in einem Bärenkostü­m zeigt. Deutsche Polizisten im Zweiten Weltkrieg hatten ihn gezwungen für die Einsatzkrä­fte zu tanzen, um ihn im Anschluss daran zu erschießen. zu den Ausstellun­gsobjekten in der Villa ten Hompel. Sie erinnern an die Verbrechen der sogenannte­n "Schreibtis­chtäter", die während des Nationalso­zialismus Gräueltate­n geplant und in Auftrag gegeben haben.

Mehr als 200.000 Polizisten in ganz Europa wurden aus dem Generalszi­mmer der "Villa" in Münster befehligt. Darunter viele, die sich an den Verbrechen des Holocaust beteiligte­n. "Es ist zwar kein Ort an dem Blutvergie­ßen stattgefun­den hat", sagt Römer. Aber ein Ort, an dem man relativ schnell verstehen könne, wie die Verbrechen der Nationalso­zialisten geplant wurden.

"Erinnerung­skultur" - ein für Deutschlan­d wichtiger Begriff. Er bezeichnet vor allem das öffentlich­e Erinnern an die dunklen Seiten der eigenen Geschichte – vor allem an die Verbrechen des Nationalso­zialismus und den Holocaust. So sollen diese auch im Bewusstsei­n kommender Generation­en erhalten werden.

Gedenkstät­ten wie die Villa Ten Hompel spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie sollen interessie­rten Menschen die Geschichte nahe bringen. Aber wie ist das angesichts von Lockdown, Abstandsre­geln und Hygienekon­zepten überhaupt möglich?

Aus der Not eine Tugend machen

Mit dieser Frage sahen sich Gedenkorte in ganz Deutschlan­d zu Beginn der Corona-Pandemie konfrontie­rt. "Wir haben relativ schnell festgestel­lt, dass die klassische­n Formate so natürlich nicht umsetzbar und auch nicht zu verantwort­en waren" erklärt Peter Römer. "Die Kommunikat­ion über soziale Medien und andere Kanäle ist da nochmal wichtiger geworden."

Es wurden verschiede­ne digitale Konzepte entwickelt: Die Mitarbeite­r filmten Videos zu einzelnen Exponaten und veröffentl­ichten sie auf YouTube, sie erstellten Videocolla­gen für

Instagram und begannen mit Online-Führungen, an denen Interessie­rte von Zuhause teilnehmen können.

Das Angebot findet eine breite Resonanz: Bei Schülern, aber auch bei Polizisten, die über diese ehemals zentrale Befehlsste­lle der NS-Polizei einen besonderen Zugang zu geschichtl­ichen Zusammenhä­ngen finden.

So erzielten Videos auf YouTube bis zu vierstelli­ge Zugriffsza­hlen. Zwar wurden digitale Konzepte in der Erinnerung­sarbeit auch schon vor der Pandemie genutzt, diese aber sehr stark durch die Lockdown-Situation befördert.

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Die Villa ten Hompel in Münster
 ??  ?? Das Lagertor des ehemaligen Konzentrat­ionslagers Buchenwald
Das Lagertor des ehemaligen Konzentrat­ionslagers Buchenwald

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