Deutsche Welle (German edition)
Republik Kongo: Wahl mit vorbestimmtem Ausgang?
In der Republik Kongo finden am 21. März Präsidentenwahlen statt. Die meisten Bürger kennen nur ein Staatsoberhaupt: Denis Sassou Nguesso. Und eine Änderung der Verhältnisse ist nicht in Sicht.
"Plus loin ensemble" - "noch weiter zusammen". So ist es auf Wahlplakaten zu lesen, mit denen die kongolesische Hauptstadt Brazzaville zugepflastert ist. Gezeichnet DSP: Denis Sassou Nguesso. Am 21. März will sich der Präsident der Republik Kongo gegen sechs Kontrahenten durchsetzen.
"37 Jahre ist Sassou Nguesso inzwischen im Amt und er wird an der Macht festhalten, wenn nötig mit Gewalt", sagt Sadio Kanté-Morel im DW-Gespräch. Die Journalistin hat mit dem Regime des kongolesischen Langzeitpräsidenten ihre eigenen Erfahrungen gemacht: Sie wurde von Nguessos Geheimpolizei verfolgt und mehrmals verhaftet, nachdem sie gegen die Verlängerung seiner Amtszeit protestiert hatte. 2014 wurde der Druck zu groß: Kanté
Morel verließ Brazzaville und ging ins französische Exil.
"In Brazzaville war ich mit Transparenten auf die Straße gegangen, auf denen stand: 'Der Kongo ist nicht Nguessos Privatbesitz.' Doch Nguesso duldete keinen Widerspruch: er ließ 2015 ein Referendum durchpeitschen, das ihm drei weitere Amtszeiten von jeweils fünf Jahren ermöglichte", sagt Kanté-Morel. In der Praxis bedeute das, dass er von jetzt an noch weitere 10 Jahre Amtszeit vor sich habe. "Das Regime will die Fassade einer Demokratie aufrechterhalten, doch es herrscht Diktatur."
Zweifel an Rechtmäßigkeit der Wahl
Die Bischofskonferenz des Kongo äußerte Anfang Februar "ernsthafte Vorbehalte" gegen die Organisation der Präsidentschaftswahlen. Eine Transparenz der Auszählungsprozesses an den Wahlurnen sieht sie als nicht gegeben, insbesondere aufgrund der mit der COVID-19-Pandemie verbundenen Ausgangssperre. Es fehle an unabhängigen Wahlbeobachtern. Zudem seien mehrere Kandidaten von dem Rennen ausgeschlossen worden.
Die Wahlen 2016 nannten die Geistlichen eine Farce. Und auch diesmal werde das Wahlsystem von Nguessos "Kongolesischer Partei der Arbeit" PCT kontrolliert.
Ein Teil der Opposition kündigte von vornherein einen Boykott der Wahl an. Dennoch stellen sich am 21. März 2021 neben dem Langzeit-Herrscher sechs weitere Kandidaten zur Wahl, darunter der frühere Finanzminister Mathias Dzon und der bei der Wahl 2016 Zweitplatzierte Guy-Brice Parfait Kolélas. Beobachter räumen der Opposition allerdings nur geringe Chancen ein.
"Die Menschen wünschen sich nichts sehnlicher als einen politischen Wechsel, deshalb werden sie massiv zu den Urnen gehen. Wir werden diese Wahl gewinnen", sagt der Wahlkampfmanager von Parfait Kolélas im DW-Interview. Kolélas' Partei, die "Union der Humanistischen Demokraten" (UDH), wisse zwar, dass Nguesso seine Wahlbetrugsmaschinerie bereits in Gang gesetzt habe, es werde ihm aber Nichts nutzen, so Kolélas'
Wahlkampfmanager Rodrigue Mayanda. Auch Ex- Finanzminister Mathias Dzon von der "Patriotischen Union für die Nationale Erneuerung" (UPRN), der die Wahl 2016 boykottiert hatte, äußert sich gegenüber der DW optimistisch: "Die ganze Welt weiß, dass Denis Sassou Nguesso niemals in seinem Leben eine Wahl in der Republik Kongo gewonnen hat. Er konnte sich bisher nur mit Gewalt durchsetzen. Wir hoffen, dass die Kongolesen diesmal Nein zu Nguesso sagen."
Die Journalistin Sadio KantéMorel ist skeptischer: "Wenn es mit rechten Dingen zuginge, könnten sowohl Mathias Dzon als auch Parfait Kolélas die Wahl für sich entscheiden." Das sei aber unrealistisch. Denn
Sassou Nguesso habe dafür gesorgt, dass auch bei diesen Wahlen - aus seiner Sicht - nichts schiefläuft. Diese Wahl sei eine "Übung mit vorbestimmtem Ausgang".
Kandidat der Jugend?
Die Republik Kongo ist reich an Rohstoffen, doch der Großteil der Bevölkerung lebt in Armut, ähnlich wie in der Demokratischen Republik Kongo, dem großen Nachbarn auf der anderen Seite des Kongo-Flusses: Die Wirtschaft des Landes liegt seit Jahren am Boden, durch die COVID-19-Krise hat sich die Lage noch verschlechtert. Das ölreiche Land erwartet einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um neun Prozent.
Und ausgerechnet in dieser schwierigen Lage wirbt der 77jährige Präsident um das Vertrauen der jüngeren Wähler seines Landes: "In diesen Zeiten der Unsicherheit stelle ich meine langjährige Erfahrung in den Dienst der Jugend" sagte Sassou Nguesso zu Beginn seiner Wahlkampagne, während der er auch durch ländliche Regionen tourte, wo es an Straßen, Schulen und Strom fehlt.
"Völlig unglaubwürdig" sei das, meint Journalistin KantéMorel. Die Jugend brauche Jobs, und zwar dringend. Die Arbeitslosenquote liege offiziell bei fast 35 Prozent. In Wirklichkeit seien es aber über 70 Prozent. "Wenn er behauptet, dass er sich in der nächsten Amtszeit für die Jugend einsetzen wird, dann ist das der blanke Hohn. Was kann er heute den jungen Leuten geben, was er nicht schon in den vergangenen 40 Jahren hätte anbieten können?"
Wozu braucht Sassou Nguesso Waffen?
Kopfzerbrechen bereiten internationalen Beobachtern die regelmäßig aufkommenden Korruptionsvorwürfe gegen Präsidentenfamilie Sassou Nguesso sowie die jüngsten Enthüllungen des "Organized Crime and Corruption Reporting Projects" (OCCRP): Die Gemeinschaft von Investigativreportern berichtete im Februar von Waffenlieferungen an Sassou Nguessos Regime. Voriges Jahr sei ein Schiff, beladen mit Mörsergranaten, Raketen und Sprengstoff, in Brazzaville eingelaufen, hieß es.
"Seit mehreren Jahren kauft die Republik Kongo heimlich ein Arsenal an Waffen aus Aserbaidschan, mehr als 800 Tonnen", erläutert die Journalistin Kanté-Morel und fragt: "Gegen wen will er die einsetzen, etwa gegen sein eigenes Volk?"
Vor den Präsidentenwahlen am Sonntag steigt die Angst, Nguesso könnte sich eine erneute Amtszeit mithilfe der Armee sichern. Es wäre nicht das erste Mal: Kongos Armee habe stets bereitgestanden, Proteste gegen Nguesso zu unterdrücken. Zuletzt sei dies 2016 der Fall gewesen, sagt Sadio Kanté-Morel.
Damals griffen Regierungstruppen bei einer Auseinandersetzung mit oppositionellen Rebellen in der Region Pool auch Zivilisten an. Die regulären Streitkräfte hatten in einem Konflikt unter Ausschluss der Öffentlichkeit Angriffe durchgeführt, bei denen laut humanitären Quellen 140.000 Menschen vertrieben worden waren.
Mitarbeit: Eric Topona