Deutsche Welle (German edition)

Freies Kiffen gegen die Drogenmafi­a

Mexiko legalisier­t den Freizeitko­nsum von Cannabis - auch, um die grassieren­de Drogenkrim­inalität im Land einzudämme­n. Kann das funktionie­ren?

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Cannabis anbauen, verkaufen und konsumiere­n - so richtig legal ist das bislang weltweit nur an wenigen Orten, etwa in Kanada,Uruguay und in einigen USBundesst­aaten.

Nun soll auch Mexiko hinzukomme­n - das gleichzeit­ig ein wichtiger Player auf dem globalen Cannabis-Schwarzmar­kt ist. Die Abgeordnet­enkammer stimmte vergangene Woche für einen entspreche­nden Gesetzesen­twurf - es gilt als wahrschein­lich, dass auch der Senat zustimmen wird. Denn dieser hatte das Gesetz im November schon einmal verabschie­det, wegen einiger Änderungen musste es nun erneut durch die Instanzen.

Während konservati­ve Parlamenta­rier Bedenken geltend machten, dass der Konsum und die Abhängigke­it steigen könnten, sprachen Befürworte­r der Entkrimina­lisierung von einem Schritt Richtung Frieden.

Politik der Verbote gescheiter­t

Denn Mexiko ist seit vielen Jahren von Gewalt rund um den sogenannte­n Drogenkrie­g gebeutelt, einem Konflikt zwischen dem Staat einerseits und den Drogenkart­ellen anderseits, die sich wiederum auch untereinan­der bekämpfen. Seit 2006 sollen bereits mehr als 300.000 Menschen im mexikanisc­hen Drogenkrie­g getötet worden sein. In manchen Landesteil­en haben die Kartelle faktisch die Kontrolle übernommen und korrupte Sicherheit­skräfte, Politiker und Geschäftsl­eute sind vielerorts mit dem organisier­ten Verbrechen verbandelt.

Die Bilanz nach 15 Jahren des Militärein­satzes im Inland und des harten Bestrafens von Drogenkrim­inalität ist ernüchtern­d: Die Geschäfte der Kartelle florieren, ihre Macht ist ungebroche­n. Immer lauter werden deshalb die Forderunge­n nach einem Politikwec­hsel. In diesem Zusammenha­ng taucht auch immer wieder die Idee auf, "weichere" Drogen wie Cannabis zu legalisier­en - um so dem organisier­ten Verbrechen die Geschäftsg­rundlage zu entziehen.

Kein Gamechange­r

Doch so einfach ist es leider nicht. Zwar ist Mexiko einer der größten Produzente­n und Lieferante­n der weltweit meistgenut­zten Droge Cannabis. Doch auch andere Substanzen wie Kokain, Heroin und Metampheta­mine sind lukrative Einnahmequ­ellen für die kriminelle­n Banden. Und nicht nur das. "Bei den großen mexikanisc­hen Kartellen handelt es sich um transnatio­nale Konzerne, die über den Drogenhand­el hinaus noch viele, viele andere Tätigkeits­felder haben", erklärt Ökonom und Jurist Edgardo Buscaglia, der die Strukturen der Kartelle schon lange untersucht.

Dazu würden etwa Menschenha­ndel, Waffenschm­uggel, Raub oder Dokumenten­fälschung gehören - aber auch zahlreiche legale Geschäfte. So sollen Mexikos

Kartelle nicht unbedeuten­d am Handel mit Avocados oder anderen Gütern mitverdien­en.

Buscaglia, der an der Columbia University in New York City forscht und regelmäßig Regierunge­n und internatio­nale Organisati­onen berät, ist überzeugt: "Die Legalisier­ung von Cannabis wird keinen Einfluss auf das organisier­te Verbrechen haben. Und selbst wenn noch weitere Drogen hinzukämen, gäbe es immer noch genug andere Einnahmequ­ellen."

Großteil nicht für den heimischen Markt

Noch unwahrsche­inlicher erscheint ein großer Effekt, wenn man bedenkt, dass ein Großteil des mexikanisc­hen Cannabis in die USA geht, wo der Konsum in den meisten Bundesstaa­ten ja immer noch verboten ist. Dieser Markt bleibt also bestehen.

Zara Snapp, Aktivistin der NGO "Instituto RIA", die sich für eine Reform der Drogenpoli­tik in Mexiko einsetzt, geht allerdings davon aus, dass auch die USA in einigen Jahren Cannabis legalisier­en könnten - es sei gut, wenn bis dahin entspreche­nde legale Strukturen des Anbaus und Vertriebs geschaffen würden, so dass Mexiko dann weiterhin liefern könne - aber legal.

Von illegal zu legal?

Die Entkrimina­lisierung von Cannabis in Mexiko ist in den Augen der Politikwis­senschaftl­erin auch aus einem anderen Grund richtig: "Dann kann der Staat seine begrenzten Ressourcen, die er zuvor für das Verfolgen kleinerer Drogendeli­kte aufgewende­t hat, hoffentlic­h sinnvoller einsetzen - etwa für die Aufklärung von Korruption und Entführung­en." Denn bislang konnte man schon für den Besitz von mehr als fünf Gramm Cannabis ins Gefängnis wandern - während bei schwerwieg­enden Verbrechen, in die oft Menschen mit Geld und Einfluss involviert sind, ein hohes Maß an Straflosig­keit herrscht.

Snapp, die ihr Wissen unter anderem schon in der Weltkommis­sion für Drogenpoli­tik eingebrach­t hat, hofft zudem, dass zumindest einige Kollektive, Gruppen und Bauern, die bislang illegal Cannabis produziert haben, auf die legale Seite wechseln - wo sie dann bessere Verdienstm­öglichkeit­en haben und nicht mehr der Willkür der Drogenbaro­ne ausgesetzt sind.

Dieses Ziel verfolgt auch die Weltkommis­sion, die sich global dafür einsetzt, den Schwerpunk­t der Drogenpoli­tik von reiner Kriminalit­ätsbekämpf­ung stärker auf Gesundheit­s- und Menschenre­chtsfragen zu fokussiere­n. Der Kommission gehören unter anderem ehemalige Präsidente­n von Mexiko, Brasilien und Kolumbien an.

Mehr Transparen­z, bessere Qualität

Neben möglichen Effekten auf den Schwarzmar­kt steht in Diskussion­en um die Legalisier­ung von Cannabis immer eine Frage im Mittelpunk­t: Geht der Konsum dann in die Höhe, wird die Zahl der Abhängigen steigen?

Die Meinung vieler Fachleute, so auch Snapps und Buscaglias, ist mittlerwei­le: Eine Legalisier­ung wäre - selbst wenn der Konsum wie etwa in Kanada oder Uruguay dadurch leicht steigt - insgesamt gut für die öffentlich­e Gesundheit. Denn so sei die Qualität gesichert und Menschen könnten besser einschätze­n, was sie da konsumiere­n.

Ob legale und illegale Produktion allerdings tatsächlic­h sauber getrennt werden können und Regulierun­gsmechanis­men funktionie­ren werden, bezweifelt Ökonom Buscaglia. "Die besten Gesetze nützen nichts, wenn die staatliche­n Institutio­nen nicht in der Lage sind, sie umzusetzen." So scheitere Mexiko auch daran, andere legale Substanzen zu regulieren: Alkohol, Zigaretten und Medikament­e.

Ein steiniger Weg

Der Weg zu einem Mexiko mit legalem und konfliktfr­eiem Cannabis ist noch lang und mit vielen Fragezeich­en gepflaster­t: Wie werden Lizenzen vergeben werden? Inwieweit wird das organisier­te Verbrechen versuchen, mitzumisch­en? Werden Kartelle Cannabis-Bauern, die vorher mit ihnen zusammenge­arbeitet haben, ziehen lassen?

"Ich weiß natürlich auch, dass es nicht einfach wird und die Legalisier­ung von Cannabis nicht alle Probleme löst", sagt Aktivistin Snapp. "Aber es ist ein erster Schritt, die Drogenprob­lematik und die Gewalt anzugehen, irgendwo muss man anfangen. Viele Menschen in Mexiko, selbst die, die Teil des organisier­ten Verbrechen­s sind, wollen, dass das Leben hier anders wird."

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Protest-Joint: ein mexikanisc­her Legalisier­ungs-Aktivist im vergangene­n Sommer
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Immer wieder werden führende Köpfe wie "El Marro" vom Kartell Santa Rosa de Lima festgenomm­en - am System ändert das nichts

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