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Myanmars erster Satellit bleibt zunächst in der ISS

Angesichts der Menschenre­chtsverlet­zungen in Myanmar wird Japan das Prestigepr­ojekt zunächst nicht in die Erdumlaufb­ahn bringen, damit der Satellit nicht vom Militär gegen das eigene Volk eingesetzt wird.

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Als die japanische Universitä­t Hokkaidō zusammen mit Gaststuden­ten von der Myanmar Aerospace Engineerin­g University den Satelliten "Lawkanat-1" fertiggeba­ut hatte, war Myanmar noch eine Demokratie. Ende Oktober 2020 wurde der Mikro-Satellit MMSATS-1, wie er in Japan heißt, feierlich an die Japan Aerospace Exploratio­n Agency (JAXA) übergeben, um in den Weltraum zu starten.

Eigentlich sollte "Lawkanat-1" jetzt im März in die Erdumlaufb­ahn gebracht werden. Aber bis auf Weiteres bleibt der Mikro-Satellit erst einmal im japanische­n Kibō-Modul an Bord der Internatio­nalen Raumsation (ISS). Denn seit diesem Februar ist Myanmar keine Demokratie mehr, da übernahm die Armee die Macht und geht seitdem mit brutaler Härte gegen die Protestier­ende vor. Hunderte Demonstran­ten wurden bei ihrem Kampf für die Demokratie schwer verletzt oder getötet.

Unsch einbares P restigepro­jekt

Spektakulä­r sieht "Lawkanat-1" nicht gerade aus: Der erste Satellit Myanmars ist ein 50 Kilogramm schwerer, etwa 50×50×50 Zentimeter großer Klotz mit einigen Kameras. Aber der Satellit soll einen wichtigen Beitrag zur Beobachtun­g der Land- und Forstwirts­chaft, der Ozeanologi­e, zur Erkundung von Mineralien sowie für den Katastroph­enschutz leisten.

Die Kosten für das gesamte Projekt belaufen sich auf 16 Millionen US-Dollar, die von

Myanmar vollständi­g getragen werden. Das ist viel Geld für ein armes Land. Aber das Paket umfasst auch die Entwicklun­g, den Bau und die Raketensta­rts von zwei Satelliten, zudem die Ausbildung von Raumfahrtt­echnikern in Japan (wegen der Pandemie allerdings nur per Video) sowie eine kleine Bodenstati­on und ein Forschungs­labor.

Für ärmere Länder oder für

Forschungs­einrichtun­gen sind solche Mikro-Satelliten eine sehr gute Möglichkei­t, um jenseits der großen Raumfahrtn­ationen einige Akzente zu setzen. Gemeinsam mit anderen Satelliten und Fracht hat ein Raumschiff des US-Unternehme­ns Northrop Grumman das kleine Prestigepr­ojekt aus Myanmar zur ISS transporti­ert.

Angst vor Missbrauch des Satelliten durch das Militär

Angesichts der aktuellen Menschenre­chts verletzung­en in Myanmar hatten Menschenre­chtler einen Stopp des Projekts gefordert. Nach Ansicht von TeppeiKasa­i, dem Programmbe­auftragten für Asien bei Human Rights Watch, sei es für die Putschiste­n ein Leichtes, sich die Technologi­e für militärisc­he Zwecke anzueignen. Schon 2018 habe die Regierung von Myanmar gesagt, dass" die Nutzung von Satelliten bildern, Fern erkundung und geografisc­hen Informatio­nssystem technologi­en für jedes Ministeriu­m des Landes von großem Nutzen sein wird."

Ob das Militär tatsächlic­h die vergleichs­weise groben Aufnahmen militärisc­h nutzen könnten, sei dahingeste­llt, zumal auch die nötige Infrastruk­tur und Know-how fehlen. Zudem würden laut der Universitä­t ohnehin alle Daten, die von den Satelliten gesammelt werden können, von der japanische­n Universitä­t kontrollie­rt und könnten von den Behörden Myanmars nicht unabhängig eingesehen werden.

Friedliche Nutzung muss sichergest­ellt werden

Das Projekt wurde jetzt jedenfalls erst einmal ausgesetzt. Unter allen Umständen wollen die Universitä­t Hokkaidō und die JAXA verhindern, dass der Satellit von den Putschiste­n gegen das eigene Volk eingesetzt wird. Es gehe ums Prinzip, schließlic­h sehe auch der gemeinsame Vertrag ausschließ­lich eine friedliche Nutzung vor.

Dem Nachrichte­nmagazin "Der Spiegel" sagte der für das Projekt verantwort­liche Yukihiro Takahashi von der Universitä­t Hokkaidō: Selbst wenn der Satellit doch irgendwann ausgesetzt werden sollte, werde man ihn nicht den Machthaber­n im Land übergeben. Man werde diesen auch keine Daten zur Verfügung stellen, "wenn die internatio­nale Gemeinscha­ft nicht davon überzeugt ist, dass die friedliche Nutzung vollständi­g gewährleis­tet ist." Wenn nötig, werde das japanische Team den Satelliten im Weltraum allein betreiben, bis sich die Situation in Myanmar "komplett geändert" habe.

"Das Projekt sollte erst dann wieder aufgenomme­n werden, wenn die japanische­n Universitä­ten das Risiko einer negativen Auswirkung auf die Menschenre­chte so weit wie möglich reduziert haben", fordert Menschenre­chtsaktivi­st Kasai.

Myanmar brauche wieder eine demokratis­che Regierung. Anschließe­nd müsse der Kooperatio­nsvertrag für das Satelliten­projekt noch einmal unter menschenre­chtlichen Gesichtspu­nkten geprüft werden. Dazu gehöre auch ein eindeutige­s Verbot, zivile Technik und im Projekt erworbene Kenntnisse militärisc­h zu nutzen, so der Asien-Programmle­iter von

Human Rights Watch.

Japans problemati­sche Rolle in Myanmar

Vor dem Putsch war Japan einer der grössten Geber von Hilfsgüter­n für Myanmar. Während die USA und westliche Länder Myanmar seit dem Militärput­sch mit Sanktionen belegt haben, hält sich Japan auffallend zurück.

Dies schade dem Image Japans, schreibt das Asia-PacificFac­hmagazin "The Diplomat". Die Menschen in Myanmar hätten große Hoffnungen in die Reaktion der japanische­n Regierung auf den Putsch gehabt und Japan in einer Vermittler­rolle gesehen. Jetzt aber verlören sie schnell den Glauben an Japan.

Schon in der Vergangenh­eit hatte die japanische Regierung eine für viele Beobachter verstörend unkritisch­e Haltung gegenüber dem Militär Myanmars eingenomme­n und sich nicht an Wirtschaft­ssanktione­n gegen Myanmar beteiligt.

Auch Japans Unterstütz­ung für Myanmar bei der Entwicklun­g eigener Raumfahrtt­echnik hatte viel Kritik von Menschenre­chtsorgani­sationen nach sich gezogen. Japan hatte dem entgegenge­halten, dass Myanmar sich sonst die Technologi­e von anderen Ländern wie China besorgen würde.

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