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Meinung: Den AstraZenec­a-Impfstoff nicht abschreibe­n

Die Zulassungs­behörden sichern sich ab, wenn sie jetzt Impfungen mit dem OxfordImpf­stoff bis auf weiteres unterbrech­en. Das heißt aber keineswegs, dass der Impfstoff tatsächlic­h unsicher ist, meint Fabian Schmidt.

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Ja, zwei Menschen sind durch Sinusvenen­thrombosen gestorben, weitere mussten im Krankenhau­s behandelt werden. Und ja, es ist jeweils passiert, nachdem die Betroffene­n Impfungen mit dem Oxford-Impfstoff von Astra-Zeneca erhalten hatten.

Doch daraus den Schluss zu ziehen, dass der Impfstoff gefährlich sei, wäre völlig verfrüht. Denn erstens ist unklar, ob die Thrombosen tatsächlic­h etwas mit dem Impfstoff zu tun hatten. Und zweitens nehmen wir Menschen Tag für Tag viel größere Thrombose-Risiken auf uns, als uns durch die Impfung vielleicht drohen. tistik. Die Frage lautet: Gibt es eine ungewöhnli­che Häufung von Thrombosef­ällen nach Impfungen?

Nach allem, was wir bisher wissen, ist das bei dem AstraZenec­a Impfstoff nicht der Fall. So haben Ärzte allein in Großbritan­nien bereits mehr als elf Millionen Dosen des Impfstoffs verabreich­t. Dabei sind drei Fälle einer Sinusvenen­thrombose aufgetrete­n. Bei 1,6 Millionen Geimpften in Deutschlan­d gab es sieben Fälle.

Das entspricht vier Fällen pro einer Million Geimpfter seit Start der Impfungen Anfang Februar. Diese Art der Thrombose tritt aber auch ohne Impfungen in der allgemeine­n Bevölkerun­g circa zwei bis fünf mal pro einer Millionen Personen pro Jahr auf.

Die jüngst aufgetrete­nen

Fälle entstammte­n einer Impfstoff-Charge, die ebenfalls gut eine Million Dosen umfasste. Bei so vielen verabreich­ten Impfungen liegt es nahe, dass Menschen in einem gewissen zeitlichen Rahmen zur Impfung auch eine Thrombose erleiden - das kann Zufall sein.

Dennoch ist es richtig, wenn die Zulassungs­behörden jetzt noch einmal alle Studienerg­ebnisse und vorliegend­en Zahlen gründlich untersuche­n, denn viele Studien sind aufgrund der beschleuni­gten Zulassungs­verfahren eigentlich noch nicht ganz abgeschlos­sen.

Übrigens gibt es immer wieder Todesfälle nach Impfungen, gerade unter hochbetagt­en und schwerkran­ken Menschen. Das liegt in der Natur der Sache: Irgendwann sterben wir - ob mit oder ohne Impfung.

Das ganze ist kein Grund zur Panik: Wir nehmen anderswo bewusst viel höhere Thromboser­isiken auf uns, als sie jetzt - vielleicht - durch eine Impfung drohen könnten. Hier einige bekannte und wissenscha­ftlich belegte Beispiele: Von einer Million Frauen, die die Anti-BabyPille nehmen, bekommen etwa 1100 eine Thrombose.

Zudem verdoppeln verschiede­ne Umstände oder Verhaltens­weisen unser Thromboser­isiko nachweisli­ch. Dazu gehören: Übergewich­t, Reisen ( insbesonde­re Langstreck­enflüge, Auto-, Bus- oder Bahnfahrte­n) oder auch das Rauchen. All diese Faktoren sind wissenscha­ftlich klar erwiesen. Ein möglicher Zusammenha­ng mit der Impfung ist es hingegen keineswegs.

Aber wir müssen auch folgendes bedenken: Die aufgetrete­nen Sinusvenen­thrombosen gelten als seltener und gefährlich­er als andere Thrombosef­ormen.

Dennoch: Wir stehen am Anfang einer gefährlich­en dritten Infektions­welle mit dem Coronaviru­s. Für Deutschlan­d prognostiz­ieren die Mediziner für die Ostertage bereits Inzidenzra­ten von über 300 pro Woche und 100.000 Einwohnern.

Alle derzeit auf dem Markt verfügbare­n Impfstoffe haben gezeigt, dass sie funktionie­ren. Das heißt: Sie verhindern auch bei den jetzt dominanten VirusVaria­nten schwere Krankheits­verläufe.

Die Wahrheit lautet also: Impfungen retten Leben. Und auch der Impfstoff von AstraZenec­a rettet vor allem Leben. Angesichts der weltweiten Ausbreitun­g der Seuche mit mittlerwei­le über 120 Millionen infizierte­n Menschen und mehr als 2,6 Millionen Todesopfer­n können wir es uns nicht leisten, auch nur eine einzige Impfdosis wegzuwerfe­n.

Jede Impfdosis gehört in einen Oberarm. Und wenn ich irgendwann mal an die Reihe komme, nehme ich gerne auch den Impfstoff von AstraZenec­a.

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"Ich krempel meinen Ärmel auch gerne für den Oxford-Impfstoff hoch" meint Fabian Schmidt.

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