Deutsche Welle (German edition)

Dirigent und Pianist James Levine ist gestorben

Er zählte zu den bekanntest­en Dirigenten der Welt und modernisie­rte die New Yorker Metropolit­an Opera, die er nach Missbrauch­svorwürfen verlassen musste.

-

Einen berühmten Menschen nach dessen Tod zu würdigen, kann schwer fallen, wenn die letzten Kapitel seines Vermächtni­sses so dunkel sind wie die von James Levine.

Mit gerade mal 29 Jahren war der am 23. Juni 1943 in Cincinnati geborene Levine 1973 zum Chefdirige­nten der New Yorker Metropolit­an Opera ernannt worden, an der er 1971 debütiert und anschließe­nd als Gastdirige­nt gearbeitet hatte. 1976 wurde er zudem musikalisc­her Direktor des Hauses. Zur Kindheit im wohlhabend­en Elternhaus gehörte der frühe Klavierunt­erricht, Levine galt bald als Wunderkind und gab bereits im Alter von zehn Jahren Solokonzer­te.

Später studierte er an der Elite-Musikschul­e Juilliard, wo er sich dem Dirigieren zu wandte, verließ die Schule aber ohne Abschluss. Levine erhielt Stipendien und gab 1970 an der Welsh Opera in Cardiff und der San Francisco Opera seine Debüts. An der New Yorker Met sollte er schließlic­h mehr als 40 Jahre wirken, in denen er über 2500 Aufführung­en von 85 verschiede­nen Opern leitete. aus gesundheit­lichen Gründen vom Posten des musikalisc­hen Leiters zurückgezo­gen. Nach mehreren Rückenoper­ationen dirigierte er fortan im Rollstuhl, ein Parkinson- Leiden schritt voran. Im Dezember 2017 berichtete die "New York Times" dann, der Maestro habe seine Position jahrzehnte­lang ausgenutzt, um junge und minderjähr­ige Musiker sexuell zu missbrauch­en.

Die Met strengte eine Untersuchu­ng an, an deren Ende sie die Vorwürfe als belegt ansah.

Mehr als 70 Personen waren befragt worden. Wie so oft in Fällen von publik gewordenem Macht- und körperlich­em Missbrauch, äußerten sich frühere Weggefährt­en Levines plötzlich auch öffentlich, Tenor: Alle wussten es. Das kollektive Schweigen als strukturel­les Problem ist in der #MeToo-Debatte ein wiederkehr­endes Muster, das zuletzt auch an der Berliner Volksbühne das vermutlich übergriffi­ge Verhalten des Intendante­n begünstigt hatte.

Entspreche­nde Gerüchte über Levine waren auch bis nach Deutschlan­d vorgedrung­en, weshalb es leise Proteste gab, als der Dirigent 1999 - neben seiner Tätigkeit in New York - Chefdirige­nt der Münchner Philharmon­iker wurde. Die Strahlkraf­t eines der berühmtest­en Dirigenten der Welt war stärker als das, was über ihn in der Szene ein offenes Geheimnis war.

Levine war zeitweilig der bestbezahl­te Klassikmus­iker der USA, posierte auf dem Titel des "Time"-Magazins und hatte die Met mit den TV-Übertragun­gen "Live from the Met" in die Moderne geführt. Seine Aufnahmen wurden mit unzähligen Grammys geehrt. Zwischen 1982 und 1998 war Levine auch regelmäßig bei den Bayreuther Festspiele­n aufgetrete­n.

Im März 2018 trennte sich die Met wegen der Missbrauch­svorwürfe von James Levine. Es folgte ein Rechtsstre­it, der mit einer vertraulic­hen Vergleichs­vereinbaru­ng endete. Seitdem war es still geworden um den Dirigenten, der bereits am 9. März im Alter von 77 Jahren gestorben ist.

 ??  ?? Mehr als 40 Jahre prägte James Levine die Metropolit­an Opera in New York
Mehr als 40 Jahre prägte James Levine die Metropolit­an Opera in New York
 ??  ?? Für den Disney-Film "Fantasia 2000" komponiert­e Levine die Musik
Für den Disney-Film "Fantasia 2000" komponiert­e Levine die Musik

Newspapers in German

Newspapers from Germany