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Gerhard Richter überlässt Berlin bedeutende Werke

Den Anfang macht der Künstler mit dem "Birkenau"-Zyklus, der den Holocaust verarbeite­t. Rund 100 Werke stellt Richter der Alten Nationalga­lerie zur Verfügung.

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Gerhard Richter malte sein vierteilig­es Monumental­werk nach Fotografie­n eines jüdischen Häftlings im Vernichtun­gslager Auschwitz-Birkenau im August 1944. Die Aufnahmen zeigten Aufseher, entkleidet­e Gefangene, auf dem Boden liegende Leichname. Auf Richters Bildern lässt sich das Grauen nur noch erahnen, denn der Künstler überzog die Fotos mit düsteren Farbschich­ten. Er machte die Motive unkenntlic­h und konservier­te so ihren Erinnerung­sgehalt. Richters Zyklus von 2014, mit der er die Kunstwelt zunächst spaltete, zieht nun dauerhaft in die Alte Nationalga­lerie in Berlin ein. Mehr als 100 weitere Arbeiten aus der Stiftung des 89-Jährigen sollen folgen.

Längst gilt Gerhard Richter als einer der wichtigste­n Gegenwarts­künstler überhaupt. Im Ranking des "Kunstkompa­ss" rangiert der in Köln lebende Dresdner seit 17 Jahren unangefoch­ten an der Spitze. Auf Auktionen erzielen seine Arbeiten regelmäßig Höchstprei­se. Entspreche­nd groß ist der Jubel jetzt in Berlin, wo neben den "Birkenau"-Arbeiten auch die aus dem Jahr 2019 stammende vierteilig­e Arbeit "Grauer Spiegel" zunächst bis September in der Alten Nationalga­lerie hängen wird. Anschließe­nd geht der "Birkenau"-Zyklus mit einer RichterSch­au auf Japan-Reise.

Von 2023 an sollen die Arbeiten dann in der gerade frisch sanierten Neuen Nationalga­lerie präsentier­t werden, die im kommenden August wiedereröf­fnen soll. Schließlic­h soll der Richter-Zyklus eine dauerhafte Heimat im künftigen Museum der Moderne finden, das derzeit - geplant von dem Schweizer Architektu­rbüro Herzog & de Meuron - zwischen der Berliner Philharmon­ie und der Neuen Nationalga­lerie entsteht. Darin gehört Richter dann neben Rebecca Horn oder Joseph Beuys zu den wenigen Künstlerin­nen und Künstlern, für die man eigene Präsentati­onsflächen und -räume einrichten will.

Die von Bund und Ländern getragene Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz feiert Richters Leihgabe als Erfolg: Kulturstaa­tsminister­in Monika Grütters (CDU) nennt sie einen "Signalgebe­r für das Museum des 20. Jahrhunder­ts". Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz, zu der die Alte Nationalga­lerie als Teil von Berlins Staatliche­n Museen gehört, spicht von einem "ganz besonderen Highlight", das den Auftakt einer engen Zusammenar­beit mit der Gerhard-RichterKun­ststiftung bilde. Der Künstler selbst ließ erklären: "Das ist für mich ein wunderbare­s Ereignis und großartige­r Beginn der Zusammenar­beit mit Berlin."

Die Hauptstadt zieht damit einen Publikumsm­agneten an Land. Schon die Retrospekt­ive zu Richters 80. Geburtstag erwies sich als erfolgreic­hste Einzelauss­tellung eines lebenden Künstlers in Deutschlan­d - 380.000 Besucherin­nen und Besucher strömten 2012 in den Schinkelsa­al der Alten Nationalga­lerie. In dem Raum mit den markanten Oberlichte­rn hingen zuvor bereits Arbeiten aus dem berühmten - inzwischen dem MoMA in New York gehörenden - RAF-Zyklus Richters von 1988, in dem er auf Fotos zur Geschichte der terroristi­schen Rote Armee Fraktion malerisch Bezug nahm.

Auch sein "Birkenau"-Zyklus zeigt, wie sehr Richter sich jahrzehnte­lang mit deutscher Geschichte auseinande­rgesetzt hat. Umso mehr überrascht­e ihn die Kontrovers­e, die der Zyklus zu Beginn auslöste. Der Vorwurf: Er würde den Holocaust illustrier­en und dem Grauen damit eine künstleris­che Form verleihen. Doch stimmt das?

Die riesigen Farbtafeln sind durchzogen von tiefgrauen Schlieren, die er durch grüne und rote Farbinseln unterbrich­t. Richter hat sie - in der für ihn typischen Weise - grob verwischt. Die Fotodokume­nte des ehemaligen KZ-Häftlings, die der Bildfolge ihren Namen gaben, hängen nun auch - stark vergrößert - im Schinkelsa­al. Sie bildeten lediglich den Ausgangspu­nkt, die erste Schicht seiner Malerei. Ihr folgten viele weitere Malvorgäng­e. Richter verwehrt somit den Blick auf die Gräuel. Mehr noch: Er verweigert die Deutung.

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Gerhard Richter
 ??  ?? Gerhard Richter im Gespräch mit dem Holocaust-Überlebend­en Ivan Lefkovits 2016 im Museum Frieder Burda
Gerhard Richter im Gespräch mit dem Holocaust-Überlebend­en Ivan Lefkovits 2016 im Museum Frieder Burda

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