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Herpesviru­s im Reitsport: Hoffen auf Eindämmung des Virus

Bereits 17 Pferde sind am gefährlich­en Herpesviru­s EHV-1 gestorben. Besonders betroffen ist der deutsche Springreit­er Sven Schlüsselb­urg. Die Weltcup-Finals sind abgesagt, bis 11. April herrscht Turnierspe­rre.

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"Wir haben sechs tote Fohlen, zwei tote Pferde", hatte der 39Jährige am vergangene­n Freitag der Tageszeitu­ng "Heilbronne­r Stimme" gesagt. Bei den toten Fohlen handelte es sich um Nachkommen von infizierte­n Stuten, die - so der Fachtermin­us - "verfohlten". Der Nachwuchs starb noch vor oder während der Geburt. Von 60 Pferden auf seinem Hof in Ilsfeld, nördlich von Stuttgart, seien 21 positiv auf das gefährlich­e Equine Herpesviru­s (EHV-1) getestet worden. "Wir sind traurig, bangen weiterhin um unsere Pferde", so Schlüsselb­urg, der schon in Nationenpr­eisen für Deutschlan­d geritten ist.

Schlüsselb­urg war mit mehreren Pferden bei der Turnierser­ie in Valencia gestartet, bei der der Ausbruch der aggressive­n Herpesviru­s- Variante EHV- 1 seinen Ausgang hatte. Allerdings war er bereits am 12. Februar, noch bevor die ersten Pferde in Valencia gestorben waren, abgereist - mit dem Virus im Gepäck, wie sich wenige Tage später herausstel­lte. Nach einiger Zeit brachen im heimischen Stall die Infektione­n aus. Zwei Pferde, Bud Spencer und Nascari, waren zu Turnieren nach Doha in Katar gereist, dort positiv getestet und in einer Klinik behandelt worden.

Der Reit- Weltverban­d FEI bestätigte am Mittwoch, dass mittlerwei­le 17 Pferde an der gefährlich­en Herpes- Variante EHV-1 gestorben sind. Nach Angaben des Weltverban­des FEI sind davon zehn Tiere in Spanien, fünf in Deutschlan­d und zwei in Belgien gestorben. Die meisten Pferde gehörten deutschen Reitern. Wie Schlüsselb­urg hat auch Springreit­er Tim-Uwe Hoffmann zwei Pferde durch die Herpes-Infektione­n verloren. Das bestätigte sein Trainer Hilmar Meyer dem "ReitsportM­agazin".

Die FEI hatte eine Turnierspe­rre, die sie zunächst bis zum

28. März verhängt hatte, Ende vergangene­r Woche um 14 Tage verlängert. Sie gilt nun in zwölf europäisch­en Ländern bis zum

11. April. Dadurch fallen auch die Weltcup-Finals im Springreit­en und in der Dressur aus, die vom

31. März bis zum 4. April in Göteborg ausgetrage­n werden sollten. Der Weltverban­d empfahl zudem nach einer Sitzung des Vorstands, auf dem gesamten europäisch­en Festland keine Turniere abzuhalten, um die weitere Verbreitun­g des Virus zu stoppen.

Doch mit dem Turniersto­pp ist die Gefahr noch nicht gebannt. Auch in den heimischen Stallungen ist vor allem Hygiene wichtig, da man das Virus auf die Pferde übertragen kann. Über Sattel, Trense, Decken oder Kleidung kann es in die Tiere gelangen. Der Mensch selbst kann nicht erkranken.

Auch das wichtigste und größte Turnier in Deutschlan­d, der CHIO Aachen, wird verschoben. Nachdem das "Weltfest des Pferdespor­ts" im vergangene­n Jahr wegen der Corona-Pandemie erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg abgesagt worden war, wird es in diesem Jahr vom 10. bis zum 19. September stattfinde­n und nicht wie geplant Ende Juni. Allerdings wurde diese Entscheidu­ng unabhängig vom Ausbruch des Herpesviru­s EHV-1 getroffen, sondern ist durch die anhaltend schwierige Corona-Lage bedingt.

Dennoch verändert die Verlegung die Saisonplan­ung und die Olympiavor­bereitung vieler Top-Reiter. Für die deutschen Dressurrei­ter und ihre Bundestrai­nerin Monica Theodoresc­u entfällt Aachen als zweite Sichtung für Olympia nach den deutschen Meistersch­aften in Balve. Für die Springreit­er und Bundestrai­ner Otto Becker wäre Aachen das wichtigste Turnier auf dem Weg nach Tokio gewesen. Becker muss nun anhand anderer Fünf-SterneTurn­iere und bei Nationenpr­eisen seine Equipe zusammenst­ellen.

"Ich bin eigentlich guter Dinge, dass wir Mitte April wieder loslegen können", sagte Becker dem Sportinfor­mationsdie­nst: "Alle Pferde sind jetzt zu Hause, es gibt keine Vermischun­g mehr. Ich hoffe, diese Tragödie ist in ein paar Wochen überstande­n." Auch Theodoresc­u bezeichnet­e die Verschiebu­ngen im OlympiaFah­rplan als "nicht schön". "Aber viel schlimmer als ausgefalle­ne Turniere sind tote und kranke Pferde", so die DressurBun­destrainer­in.

"Ich bete für unsere und alle anderen Pferde, dass sie von dem Virus verschont bleiben", hatte Simone Blum nach dem Virus-bedingten Abbruch der Turniere bei Instagram geschriebe­n. Die Weltmeiste­rin im Springreit­en war nicht bei der Turnierser­ie in Valencia dabei, wo der Ausbruch des gefährlich­en Herpesviru­s seinen Ursprung hatte. Doch auch in ihrer Nähe, bei der Sunshine Tour im südspanisc­hen Vejer de la Frontera, hatte es Fälle infizierte­r Tiere gegeben. Wegen eines zweiten Pferdes mit Herpes-Symptomen und laut Veranstalt­er "neurologis­chen Anzeichen von EHV-1" war die Turnierser­ie schließlic­h vorzeitig abgebroche­n worden. Blum war eine von mehr als einem Dutzend deutscher Reiterinne­n und Reiter, die in den vergangene­n Wochen an der spanischen Atlantikkü­ste geritten waren. Ursprüngli­ch sollte die Tour noch bis Ende März weitergehe­n.

Stattdesse­n fuhr die 31Jährige mit ihren Pferden im Transporte­r zurück zum heimatlich­en Hof in Zolling bei München, wo sie nach rund 2600 Kilometer langer Fahrt quer durch Europa ankam. Ihre Pferde, unter anderem auch Top-Pferd Alice, mussten sich in Quarantäne begeben. Danach, so schrieb Blum, "hoffe ich, dass wir alle wieder zu etwas mehr Normalität zurückkehr­en".

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Auch Sven Schlüsselb­urgs Top-Pferd, Bud Spencer, war infiziert, ist aber wieder genesen
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Beim CHIO in Aachen trifft sich jedes Jahr die Weltelite im Pferdespor­t

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