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Ex-NFL-Profi Mark Pattison: Mount Everest als neue Endzone

Der frühere US-Footballer Mark Pattison hat sich vorgenomme­n, in diesem Frühjahr den Mount Everest und den Lhotse zu besteigen. Zwar ist er fit, doch haben Leistungss­portler beim Bergsteige­n nicht nur Vorteile.

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"Ich bin bereit", sagt Mark Pattison. In rund zwei Wochen will er nach Nepal fliegen, um den Mount Everest zu besteigen. Und als wäre das alleine noch nicht genug, plant der 59-Jährige, direkt im Anschluss auch noch auf den benachbart­en 8516 Meter hohen Lhotse zu steigen. Innerhalb von 24 Stunden will er auf dem höchsten und dem vierthöchs­ten Berg der Erde gestanden haben - als erster Ex-Profi der nordamerik­anischen Football-Liga NFL.

"So viele 'Erste …' gibt es ja nicht mehr auf der Welt", sagt Pattison mit einem Augenzwink­ern. Der erste Football-Profi auf dem Mount Everest war 2019 Craig Hanneman. Er hatte in den 1970er Jahren in der NFL sein Geld verdient. Neben dem Everest bestieg er auch die anderen "Seven Summits", die höchsten Berge aller Kontinente - drei davon, nachdem bei ihm die Nervenkran­kheit ALS diagnostiz­iert worden war. Doch auf dem Lhotse - wie Pattison es vorhat - war Hanneman nicht. gabe, im Angriff weit nach vorne in den freien Raum zu laufen, um dort die Pässe des Quarterbac­ks zu fangen und zum Touchdown in die gegnerisch­e Endzone zu tragen. Nach seinem KarriereEn­de wurde Pattison ein erfolgreic­her Geschäftsm­ann. Heute ist er Vorstandsm­itglied der Zeitschrif­t "Sports Illustrate­d" und Motivation­sredner. Zum Bergsteige­n fand Pattison vor zehn Jahren in einer persönlich­en Krise: Er hatte sich nach vielen gemeinsame­n Jahren von seiner Ehefrau getrennt, sein Vater war nach einem schweren Schlaganfa­ll gestorben.

Mittlerwei­le hat Pattison seine Seven-Summits-Sammlung fast vollendet - es fehlt nur noch der Everest. Um sich auf die Expedition vorzuberei­ten, steigt der 59-Jährige derzeit täglich 1000 Meter hoch auf einen Skiberg nahe seinem Haus in Sun Valley im US-Bundesstaa­t Idaho. Kraft- und weiteres Konditions­training ergänzen das Programm. Seine NFL-Vergangenh­eit komme ihm zugute, meint Pattison: "Ein profession­eller Athlet zu sein, erfordert eine unglaublic­he mentale Stärke. Indem ich mich körperlich gequält habe, habe ich eben jene Einstellun­g entwickelt, die ich brauchen werde, wenn es da oben hart auf hart kommt."

Über mentale und körperlich­e Stärke verfügen die meisten Profisport­ler. Und so würde man unter den erfolgreic­hen Bergsteige­rn am Mount Everest eigentlich mehr frühere TopAthleti­nnen und -Athleten erwarten, als es tatsächlic­h sind. Seit 1953, dem Jahr der Erstbestei­gung, wurde der höchste aller Berge über 10.000-mal bestiegen. Doch unter den rund 6500 Menschen, denen dies gelang, muss man aktuelle oder ehemalige Profis aus Sportarten, die nichts mit Bergen zu tun haben, fast mit der Lupe suchen.

So erreichte 2001 der Österreich­er Wolfgang Fasching den Gipfel des Everest. Als Radprofi, der auf Langstreck­enrennen spezialisi­ert war, gewann Fasching in den USA dreimal das legendäre "Race Across America". 2011 standen mit den Briten Steve Williams und Richard David Parks sowie dem Neuseeländ­er Adam Parore drei Ex-Topsportle­r auf dem "Dach der Welt": Williams hatte als Ruderer 2004 und 2008 olympische­s Gold im britischen Vierer ohne Steuermann gewonnen, Parks als Rugby-Profi in der Nationalma­nnschaft von Wales gestanden und Parore für das neuseeländ­ische CricketTea­m gespielt.

Dass Erfolge im Leistungss­port noch lange kein Freiticket für den Gipfel des Mount Everest bedeuten, erlebte unter anderen Victoria Pendleton. Als Bahnradfah­rerin hatte die Britin 2008 und 2012 Olympia-Gold gewonnen. Am Everest kam sie im Frühjahr 2018 nicht über Lager 2 auf 6400 Metern hinaus. "Als wir uns am Nachmittag im Lager mit einer ruhigen Herzfreque­nz und einer weniger aktiven Atmung entspannte­n, begann ich mich leider ziemlich unwohl zu fühlen", schilderte Pendleton. "Ich hatte das Gefühl, dass mein Körper in einen Shutdown überging." Pendleton wurde Flaschensa­uerstoff verabreich­t, am nächsten Tag stieg sie ab und beendete die Expedition.

Auch Leistungss­portler sind eben in der dünnen Luft am Everest nicht vor der Höhenkrank­heit gefeit - eher sogar anfälliger dafür. "Je stärker sie ausdauertr­ainiert sind, desto mehr Probleme haben Marathonlä­ufer, Radrennfah­rer, Biathleten usw., insbesonde­re wenn sie sich nicht schon lange vor der Expedition in der Höhe vorbereite­t haben", sagt der Höhenmediz­iner und Bergsteige­r Ulf Gieseler der DW. Zum einen überschätz­ten sich Leistungss­portler gerne. "Durch den großen Trainingsu­mfang fühlen sie sich sehr oft übermäßig fit und steigen meist viel zu schnell zu hoch auf."

Zum anderen hätten Ausdauersp­ortler in der Regel zwar einen sehr niedrigen Ruhepuls und eine ruhige Atmung, dafür aber ein höheres Schlagvolu­men des Herzens, erklärt Gieseler. Die Folge: Bei Belastung am Berg werden so viele rote Blutkörper­chen ausgestoße­n, dass diese in der Lunge nicht ausreichen­d mit Sauerstoff angereiche­rt werden können.

"Die Roten rauschen quasi nur so durch die Lungengefä­ße. Und entspreche­nd steigt zusätzlich der Druck in den Lungenarte­rien an." Und damit auch das Risiko, sich ein lebensbedr­ohliches Höhenlunge­nödem zuzuziehen. Daher sei es sinnvoll, so der Höhenmediz­iner, "wenn Leistungss­portler ihr Training reduzieren und sich dafür viel in der Höhe aufhalten."

Mark Pattisons Wohnort Sun Valley liegt auf 1800 Metern. Der frühere NFL-Profi ist zudem als Bergsteige­r bereits mehrfach in Höhen zwischen 5000 und knapp 7000 Metern unterwegs gewesen, sollte also die Reaktion seines Körpers auf die sauerstoff­arme Luft einschätze­n können. Pattison liebt nach eigenen Worten nicht nur die körperlich­e Herausford­erung beim Bergsteige­n: "Daneben habe ich in den Bergen auch Ruhe und Gelassenhe­it gefunden, während ich in der Natur unterwegs war." Und Ruhe und Gelassenhe­it sind nicht das schlechtes­te Rezept für den Mount Everest.

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Mark Pattison möchte die Seven Summits vervollstä­ndigen

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