Deutsche Welle (German edition)
Coronavirus: Eine Chance für Deutschlands Gedenkstätten?
Durch den Lockdown mussten deutsche Gedenkstätten monatelang geschlossen bleiben.Jetzt ist die Öffnung in einigen Bundesländern wieder möglich. Was hat man aus der Pandemie gelernt?
"Wir können hier zum Beispiel sehen, dass Polizisten aktiv Kriegsverbrechen begangen haben", erzählt Peter Römer. Hier - das ist in der Villa ten Hompel. Doch Römer führt seine Besucher nicht vor Ort in Münster im Westen Deutschlands durch die Räume der Gedenkstätte. In einer OnlineFührung bringt er Menschen den Ort und seine Geschichte nahe.
Römer ruft eine Fotografie auf, die einen Mann in einem Bärenkostüm zeigt. Deutsche Polizisten im Zweiten Weltkrieg hatten ihn gezwungen für die Einsatzkräfte zu tanzen, um ihn im Anschluss daran zu erschießen. und den Holocaust. So sollen diese auch im Bewusstsein kommender Generationen erhalten werden.
Gedenkstätten wie die Villa Ten Hompel spielen dabei eine zentrale Rolle. Sie sollen interessierten Menschen die Geschichte nahe bringen. Aber wie ist das angesichts von Lockdown, Abstandsregeln und Hygienekonzepten überhaupt möglich?
Aus der Not eine Tugend machen
YouTube bis zu vierstellige Zugriffszahlen. Zwar wurden digitale Konzepte in der Erinnerungsarbeit auch schon vor der Pandemie genutzt, diese aber sehr stark durch die Lockdown-Situation befördert. "Durch Corona haben wir gelernt, dass viele Menschen Interesse an unserem Ort haben, aber auch, dass wir viele Menschen erreichen können, indem wir selber aktiv werden", sagt Römer.
Von ähnlichen Erfahrungen berichtet Dr. Jens- Christian Wagner, Stiftungsdirektor der KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau- Dora. Das Konzentrationslager Buchenwald war eines der größten KZs auf deutschem Boden. In ihm wurden insgesamt knapp 280.000 Menschen inhaftiert, von denen geschätzt 56.000 durch die Nationalsozialisten ermordet wurden. Ungefähr 500.000 Menschen besuchten das ehemalige KZ noch 2019. Aber auch hier mussten wegen der Pandemie die Ausstellungen geschlossen und viele Veranstaltungen abgesagt werden. Als Reaktion auf den Lockdown setzte man auch in Buchenwald verstärkt auf digitale Konzepte.
Der Ort bleibt unersetzlich Zusätzlich zu vielen digitalen Formaten, die die Gedenkstätte bereits vor der Pandemie angeboten hatte, betreibt sie nun beispielsweise auch seit Januar 2021 denOnline-Blog „#Otd1945“("On this day 1945"), in dem sie Tag für Tag den Blick auf einzelne Geschehnisse in dem Konzentrationslager vor 76 Jahren richtet. Weitere OnlineAusstellungen sind geplant. "Wir haben sozusagen aus der Not eine Tugend gemacht", erklärt Wagner der DW. "Die Pandemie war so etwas wie ein Technikbeschleuniger, ein Katalysator, der eine Entwicklung, die ohnehin bereits angestoßen war, noch einmal beschleunigt hat."
Ein großer Vorteil dieser digitalen Formate ist die erhöhte Reichweite. Menschen, denen ein Besuch vor Ort bisher nicht möglich war, zum Beispiel weil sie im Ausland leben, können nun auch das ehemalige KZ Buchenwald "besuchen". Dennoch: Die digitalen Angebote können das echte, physische Erlebnis vor Ort nicht ersetzen, meint Wagner. "Deswegen hoffen wir auch auf das Ende der Pandemie und darauf, dass wir endlich wieder Gäste in den Gedenkstätten betreuen können", sagt er.
Erinnern ist vielstimmig Manuel Menke , Kommunikationswissenschaftler an der Universität Kopenhagen, hat zu Formen des digitalen Erinnerns geforscht. Er sieht das Digitale und Analoge nicht als parallele Welten, sondern als etwas, dass sich gegenseitig befruchten könne. "Die Vielstimmigkeit des Erinnerns, die es erlaubt, dass präsente und digitale Konzepte gemischt und kombiniert werden, um damit verschiedene Zielgruppen zu erreichen" - das werde nach der Pandemie bleiben, meint er, "das wird der Komplexität des Erinnerns gerecht".
Ein Beispiel für ein besonders gelungenes digitales Konzept ist für ihn der Twitter Account des Auschwitz Memorial, der über 1,1 Millionen Follower hat und täglich neue Inhalte veröffentlicht, die der historischen Aufklärung und Erinnerung an die Opfer des Holocaust dienen. "Das bringt natürlich so ein schweres Thema auch in den Alltag der Menschen hinein", so Menke. Es stünde nicht zur Debatte, das Analoge abzulösen. Erinnerung finde auf vielen Ebenen statt, und das sei auch notwendig.
Fake History und die Pandemie
J e n s- C h r i s t i a n Wa g n e r , Stiftungsdirektor der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, sieht die Verlagerung des gesellschaftlichen Diskurses in die digitale Welt aber auch kritisch: "Für mich hat Corona sehr, sehr stark deutlich gemacht, wie schnell ein nicht unerheblicher Teil der Gesellschaft absacken kann in eine völlig irreale Parallelwelt und sich mit Fake News, mit Fake History, mit Verschwörungslegenden radikalisieren kann."
Di e s e E n tw i ck l u n g sei besorgniserregend, habe aber wiederum auch einen positiven Effekt gehabt, sagt Wagner: "Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus (NS) ist durch den Missbrauch der Erinnerung an den NS durch Corona-Leugner sehr viel stärker in der Gesellschaft präsent als das vor Corona der Fall gewesen ist. Das ist nicht das, was die Corona-Leugner sich erhofft haben, aber sie haben dazu beigetragen, dass der wache, der kritische, der aufgeweckte Teil der Gesellschaft sich sensibler mit dem NS und seinen Verbrechen auseinandersetzt als vorher und das ist gut so."
Gedenkstätten, so Wagner weiter, spielten eine zentrale Rolle dabei, dass auch junge Menschen ein kritisches Urteilsvermögen aufbauen. "Denn nur damit können wir verhindern, dass sich antidemokratisches Denken, Verschwörungstheorien, gewissermaßen pandemisch, weltweit verbreiten."
die Welt sende. Für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bietet die Konvention Frauen einen wichtigen Rechtsrahmen zum Schutz vor Gewalt. Und US-Präsident Joe Biden erklärte: "Ich bin zutiefst enttäuscht."
In der Türkei verurteilten viele Frauenrechtsorganisationen Erdogans Entscheidung als "ungültig" und "rechtswidrig". Die Vorsitzende der Föderation der Frauenvereinigungen der Türkei, Canan Güllü, sagte der DW, dass man Frauen das Recht auf Leben und ein Recht auf eine gewaltfreie Umgebung weggenommen habe.
"Frauen wurden wie ein Müllsack mitten auf die Straße gestellt. Jeder, der kommt, kann dagegen treten. Der Tritt kann sogar eine Kugel aus einer Schusswaffe bedeuten. Wir Frauen werden das nicht vergessen."
Türkische Juristen wiesen zudem darauf hin, dass es schwierig sei, aus einem internationalen Abkommen auszutreten. Ein Alleingang, wie ihn Erdogan vornehme, sei äußerst unüblich. Die türkische Verfassungsrechtlerin Serap Yazici erklärte, dass es für die Kündigung eines internationalen Abkommens klare Regeln gebe.
So sei es unverzichtbar, dass erst das türkische Parlament mit einem Gesetz die Beendigung der Istanbul-Konvention einleite. Danach trete ein Gesetz in Kraft, welches der Exekutive einräumen würde, ein internationales Abkommen zu kündigen. Auch könnten Frauen individuell Klage einreichen, um den Austritt aus der Konvention rückgängig zu machen. "Ich lade alle
Frauen dazu ein, ein Nichtigkeitsverfahren einzureichen", so die Verfassungsrechtlerin.
Yazicis Aufruf wurde befolgt. Die erste konkrete Klage gegen den Austritt kam vom Verein für Frauen und Kinder, der den Schritt des türkischen Präsidenten als "ungültig" bezeichnete. In dem Nichtigkeitsverfahren, welches beim Staatsrat eingereicht wurde, heißt es, die Türkei habe ein internationales Abkommen abgeschlossen, "das per Gesetz in Kraft getreten ist und daher nicht durch eine präsidentielle Entscheidung rückgängig gemacht werden kann".
Dass der türkische Präsident ein Abkommen zum Schutz von Frauen aufkündigt, erntete in weiten Teilen der türkischen Öffentlichkeit auch daher Unverständnis, weil sich in der Türkei regelmäßig grausame Frauenmorde ereignen. Stets wird kritisiert, dass zu wenig getan werde, um Frauen vor Gewalt zu schützen.
Aktionen in sozialen Netzwerken, die auf das Problem hinweisen, und engagierte Frauenrechtsgruppen erhöhen den Druck auf die offiziellen Stellen. Doch sowohl die Regierung in Ankara als auch die türkische Justiz haben das Problem lange Zeit totgeschwiegen. Und das, obwohl nach den Zahlen der Organisation "Wir werden Frauenmorde stoppen" im vergangenen Jahr 300 Morde an Frauen registriert wurden. Zudem wurden 171 Todesfälle als "suspekt" eingestuft, darunter auch angebliche Selbstmorde.
Der Austritt aus der IstanbulKonvention ist für Frauenrechtlerinnen ein weiterer Rückschlag. Viele türkische Frauen sahen das Abkommen als letzte Hoffnung. Denn die Unterzeichnerstaaten haben sich verpflichtet, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen.
Die Türkei ratifizierte das Übereinkommen 2014 und ließ es als Gesetz zur Vorbeugung von Gewalt gegen Frauen und zum Schutz der Familie rechtlich verankern. Doch in der Praxis, sagen Kritikerinnen und Kritiker, werden die Rechtsnormen der Istanbul-Konvention in der Türkei nicht angewandt. Daher konnte die Istanbul-Konvention bereits vor dem Austritt am Samstag Gewalt gegen Frauen nicht verhindern.
schwedische Außenministerin Ann Linde etwa kritisierte die unrechtmäßige Verhaftung von HDP-Politikern. Und Jean Asselborn aus Luxemburg sprach wegen des Rückzugs aus der Istanbul-Konvention von einem "Weg zurück ins Mittelalter". Auch Österreich und andere Länder gehören zu den Türkei
Kritikern.
Demgegenüber steht der Wunsch der Bundesregierung nach einem vorsichtigen Kurs, vor allem wegen der Flüchtlingsfrage. Und Länder wie
Kroatien oder Bulgarien betonen den Wunsch nach einer "positiven Agenda" mit der Türkei. Am Donnerstag und Freitag dieser Woche diskutieren die EU-Regierungen bei ihrem Gipfeltreffen über das Verhältnis zur Türkei. Ankara hofft auf eine Reform des Zollabkommens und VisaErleichterungen.