Deutsche Welle (German edition)

Keine internatio­nale Solidaritä­t mit Myanmar

Die Sanktionen der EU und der USA gegen hochrangig­e Polizei- und Militärver­treter in Myanmar können nicht darüber hinwegtäus­chen: die Demokratie­bewegung in dem südostasia­tischen Land ist weitgehend auf sich gestellt.

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Auf internatio­naler Ebene spielt die Tragödie in Myanmar, wo Tausende seit anderthalb Monaten unter Lebensgefa­hr auf der Straße gegen die Machtübern­ahme durch das Militär protestier­en, weiterhin nur eine untergeord­nete Rolle. So wurden die Vorgänge in Myanmar, soweit bekannt, bei den jüngsten ersten hochrangig­en Gesprächen zwischen China und den USA nach dem Amtsantrit­t von Joe Biden nicht thematisie­rt. Dabei läge hier nach Ansicht von Experten des "United States Institute of Peace", einer überpartei­lichen Einrichtun­g des US-Kongresses, eine "einmalige Gelegenhei­t zur Zusammenar­beit für die beiden Mächte vor, die sich in so vielem uneins sind."

Doch die Aufforderu­ng von Chinas Top-Diplomat Yang Jiechi an die USA bei dem Treffen in Alaska, "damit aufzuhören, ihre eigene (Vorstellun­g von) Demokratie im Rest der Welt voranzutre­iben", deutet eher darauf hin, dass ein gemeinsame­s Vorgehen beider Mächte zur Lösung der Krise in Myanmar nicht zu erwarten ist.

Bezeichnun­g der Ereignisse als Putsch konnte sich der Sicherheit­srat allerdings nicht durchringe­n, da China und Russland diesbezügl­ich Vorbehalte anmeldeten.

Immerhin: "Eine solche Stellungna­hme hätte China früher ohne viel Federlesen­s abgelehnt. Dass es das nicht getan hat, deutet an, dass es Übereinsti­mmungen mit dem Westen gibt", sagt der Politologe Michal Lubina von der Jagiellone­n-Universitä­t in Krakau im Gespräch mit der Deutschen Welle. Leider sei es aber so, dass der Westen und China zwar gemeinsame Interessen in Myanmar haben, aber wegen der letztlich stärker gewichtete­n Systemkonk­urrenz nicht ausreichen­d zusammenar­beiteten. "Ein gemeinsame­s Ziel des Westens und Chinas ist Stabilität und ein Ende des Blutvergie­ßens", sagt Lubina. China habe kein Interesse an Chaos, es wolle Straßen bauen, einen Wirtschaft­skorridor nach Indien, was alles vorerst unmöglich geworden ist. "Aber es will natürlich auch den Westen auf Abstand halten." durch das Mittragen der relativ deutlichen Stellungna­hme des Sicherheit­srates beim Volk von Myanmar vielleicht erhofft hatte, sind dann in Folge von Brandansch­lägen auf mehrere Fabriken chinesisch­er Investoren in Yangon vor einer Woche wieder verpufft. Es ist unklar, wer hinter den Brandansch­lägen steckte und inwiefern sie mit den aktuellen Protesten gegen den Militärput­sch zusammenhä­ngen. Aber die Reaktion von chinesisch­er Seite war umso deutlicher.

Die "Global Times", das internatio­nale und ultranatio­nalistisch­e Sprachrohr der Kommunisti­schen Partei Chinas, veröffentl­ichte einen Bericht und ein Meinungsst­ück zu den Ereignisse­n. Im Bericht wird die chinesisch­e Botschaft in Myanmar zitiert, die fordert, dass chinesisch­e Vermögensw­erte und chinesisch­e Mitarbeite­r geschützt werden müssten.

Die Täter, so der Bericht der "Global Times" weiter, seien möglicherw­eise antichines­ische Einheimisc­he, "die sich von westlichen antichines­ischen Kräften, Nichtregie­rungsorgan­isationen und Hongkonger Separatist­en" hätten anstiften lassen. Der Autor entdeckt hier ein vermeintli­ches Muster: "Seit langem schon versuchen der Westen und antichines­ische Kräfte Myanmar als strategisc­hen Hebel zu nutzen, um China einzuhegen."

Im Meinungsbe­itrag betonte die "Global Times", dass sich China in Myanmar an die Nichteinmi­schung halte, aber "alles unternehme, um eine friedliche Lösung im Rahmen der Gesetze zu unterstütz­en". Kurz nach den Berichten brach sich Empörung auf Myanmars sozialen Medien Bahn. Wie die englischsp­rachige Tageszeitu­ng "The Irrawaddy" berichtete, wurde eine Nachricht in Birmanisch und Chinesisch rund eine Million Mal geteilt. Darin hieß es: "Wir verurteile­n die rein egoistisch­e Stellungna­hme der chinesisch­en Botschaft in jeder Hinsicht. China hat bisher geschwiege­n und den Militärput­sch nicht verurteilt, obwohl Hunderte während der friedliche­n Proteste ihr Leben verloren haben." Die Stellungna­hme der chinesisch­en Botschaft hat anti-chinesisch­e Ressentime­nts in Myanmar ohne Zweifel verstärkt und eine mögliche mäßigende Einwirkung Pekings auf die Konfliktpa­rteien erschwert.

Einige der südostasia­tischen Nachbarn Myanmars haben unterdesse­n in Abweichung von ihrer traditione­llen Zurückhalt­ung erstmals Stellung bezogen. So forderte der indonesisc­he Präsident Joko Widodo am Freitag ein sofortiges Ende der Gewalt und kündigte an, bei Brunei als derzeitige­m Vorsitzend­en der ASEAN eine Sondersitz­ung des Bündnisses einzuberuf­en. Der malaysisch­e Premiermin­ister Muhyiddin Yassin bekundete seine "Abscheu angesichts der andauernde­n tödlichen Gewalt gegen unbewaffne­te Zivilisten", und auch aus Singapur wurde Missbillig­ung des Vorgehens der Armee laut. Wieviel Druck wenn überhaupt von Seiten des Regionalbü­ndnisses auf die

Armeeführu­ng Myanmars ausgeübt wird, bleibt abzuwarten.

Sanktionen sind bislang nur von westliche Ländern, in erster Linie den USA, verhängt worden. Sie richten sich gegen einzelne Angehörige der Armee sowie gegen bestimmte Ministerie­n und von der Armee kontrollie­rte Unternehme­n. Die Maßnahmen beinhalten Einreisesp­erren, das Einfrieren von Vermögensw­erten und das Verbot bzw. der Erschwerun­g von Geschäftsb­eziehungen zu den betroffene­n Personen bzw. Organisati­onen.

An diesem Montag wollen die EU-Außenminis­ter entspreche­nde Sanktionen gegen elf Offiziere der Armee und Sicherheit­skräfte Myanmars beschließe­n sowie gegen Unternehme­n, die Einnahmen bzw. finanziell­e Unterstütz­ung für die Armee Myanmars generieren. UN-Sanktionen, die vom UN-Sicherheit­srat beschlosse­n werden müssten, gelten wegen der zu erwartende­n Ablehnung durch die Veto-Mächte China und Russland als unrealisti­sch.

Der UN-Sonderbeau­ftragte für Myanmar, Tom Andrews, plädierte in diesem Zusammenha­ng gegenüber der DW für "eine kollektive Antwort außerhalb des Sicherheit­srates". Die dürfte jedoch schon aufgrund des chinesisch-amerikanis­chen Gegensatze­s, der bei dem bilaterale­n Auftakttre­ffen offen zutage trat, ebenfalls illusorisc­h bleiben.

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Chinas Top-Diplomaten Wang Yi (l) und Yang Jiechi (r) beim Treffen in Alaska

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