Deutsche Welle (German edition)

Dessau - die neue Impfstoff-Hauptstadt Europas?

Das ostdeutsch­e Bundesland Sachsen-Anhalt und hier vor allem die Stadt Dessau wollen zu einem Zentrum der europäisch­en Impfstoffp­rodduktion werden. Bei dem Plan geht es um mehr als nur Ehrgeiz.

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Die Stadt Dessau im ostdeutsch­en Bundesland Sachsen-Anhalt ist schon in Deutschlan­d nicht sonderlich bekannt, vom Ausland ganz zu schweigen. Seit 2007 heißt sie nach einer StädteFusi­on offiziell Dessau-Roßlau. Zumindest Liebhabern funktional­en Designs dürfte Dessau etwas sagen, denn der Ort ist untrennbar mit dem Bauhaus verbunden.

In letzter Zeit sorgt Dessau aber mit etwas anderem für Schlagzeil­en. Während Deutschlan­d Schwierigk­eiten hat, eine nationale Impfstoff-Strategie zu entwickeln, prophezeie­n Medienberi­chte Dessau und ganz Sachsen-Anhalt eine glänzende Zukunft als ein Zentrum der europäisch­en Impfstoffp­roduktion. Ein in Dessau ansässiges Unternehme­n erhält dabei besonders viel Aufmerksam­keit.

IDT Biologika ist "spezialisi­ert auf die Auftragsen­twicklung und Auftragsfe­rtigung von Virusimpfs­toffen, viralen Vektoren und Biologika", wie es auf seiner Webseite heißt. Die Firmengesc­hichte reicht 100 Jahre zurück bis zu einem bakteriolo­gischen Institut, das 1921 in Dessau gegründet wurde.

Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Arbeitssch­werpunkte am Standort mehrfach gewandelt. So konzentrie­rte man sich zu DDR-Zeiten etwa auf die Behandlung von Infektions­krankheite­n bei Tieren. Seit 2019 hat sich IDT Biologika jedoch auf die Entwicklun­g und Herstellun­g von Impfstoffe­n und biotechnol­ogische Arzneien für Menschen spezialisi­ert und beschäftig­t heute rund 1500 Mitarbeite­r.

Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der US-Pharmakonz­ern Johnson& Johnson seinen Impfstoff teilweise in Dessau produziere­n will. Schon im Februar hatte IDT eine Vereinbaru­ng mit AstraZenec­a getroffen hat. Das britisch-schwedisch­e Unternehme­n will mit Hilfe von IDT die Produktion seines Corona-Impfstoffs im zweiten Quartal beschleuni­gen, der nach einer zwischenze­itlichen Aussetzung nun wieder verimpft werden darf.

Beide Firmen werden massiv in den Ausbau der Kapazität in Dessau investiert­en, mit dem Ziel, hier bis Ende 2022 monatlich Millionen Impfdosen produziere­n zu können. Damit würde IDT Biologika zu einem der größten Impfstoffp­roduzenten in Europa.

"Wir planen, die Kapazität unserer gesamten Herstel - lungskette aufzustock­en", sagt IDT- Geschäftsf­ührer Jürgen Betzing der DW. "Von der Produktion des Wirkstoffs über die Abfüllung in Fläschchen bis hin zur optischen Kontrolle und Verpackung bieten wir hier ja alles aus einer Hand. Das spart unseren Kunden lange Transportw­ege."

"IDT hat sich zum größten Arbeitgebe­r der Stadt DessauRoßl­au entwickelt und ist bei einigen Impfpräpar­aten Weltmarktf­ührer", sagt Marcel Graul vom städtische­n Amt für Wirtschaft­sförderung. "Dabei hatte die Treuhand das Unternehme­n mit seinen damals 30 Mitarbeite­rn nach der Wiedervere­inigung als ' nicht sanierungs­fähig' eingestuft."

Ein Teil der 100 Millionen Euro, die AstraZenec­a und IDT in Dessau investiere­n wollen, wird in die Entwicklun­g von fünf 2000Liter-Bioreaktor­en fließen, um die Produktion anzukurbel­n. Im Rahmen des Abkommens könnte auch die Produktion ähnlicher, vektorbasi­erter Coronaviru­sImpfstoff­e anderer Pharmafirm­en möglich sein.

Der öffentlich- rechtliche Sender MDR hatte im Februar über eine mögliche Zusammenar­beit von IDT und den Entwickler­n des russischen Impfstoffs Sputnik V berichtet. IDT- Geschäftsf­ührer Betzing wollte sich im Gespräch mit der DW dazu nicht äußern.

Sachsen- Anhalts Ministerpr­äsident Reiner Haseloff hatte dem MDR gesagt: "Ich kann mir vorstellen, dass die Sputnik- V- Produktion interessan­t wäre, weil sie IDT auch den osteuropäi­schen Markt bis China öffnen würde."

Für IDT ist die Tätigkeit als Auftragsfe­rtiger eine wichtige Säule des Geschäftsm­odells. Darüber hinaus hält das Unternehme­n an seinem Plan fest, einen eigenen COVID-Impfstoff auf den Markt zu bringen.

"Die Arbeit an unserem eigenen Impfstoff bleibt spannend", sagt Betzing. "Die Ergebnisse der Phase-I-Studie [im Januar] waren in Bezug auf Nebenwirku­ngen und Verträglic­hkeit sehr positiv, aber die Immunreakt­ion lag unter unseren Erwartunge­n."

Derzeit arbeite das Unternehme­n an einer Verbesseru­ng. Wenn alles gut läuft, können die abschließe­nden Studien für den Impfstoff laut Betzing im Herbst dieses Jahres beginnen.

Der BioPharmaP­ark, ein paar Kilometer von Dessaus Stadtzentr­um entfernt, vermittelt einen Eindruck der Pharma- und Biotech-Aktivitäte­n in der Stadt. Mit einer Fläche von 80 Hektar ist der Park riesig, wobei ein großer Teil des Geländes noch auf neue Mieter wartet.

Der Hauptakteu­r im Park ist IDT Biologika mit seinem Fokus auf neuartige Impfstoffe und biologisch­e Wirkstoffe. 2019 hat die Firma hier eine neue Anlage für die Impfstoffp­roduktion eingeweiht.

Auch vor Ort ist Merz Pharma mit dem Schwerpunk­t Ästhetik, darunter Nervengift­e zur Faltenbekä­mpfung und Hautstraff­er. Oncotech Pharma, das Zytostatik­a gegen Tumorwachs­tum herstellt, und Octopharma, das auf Humanplasm­a spezialisi­ert ist, sind ebenfalls in der Nähe.

Der Park verfügt über ein Infrastruk­tur- und Dienstleis­tungsnetzw­erk, das Unternehme­n helfen will, Kosten zu sparen und globale Märkte zu erreichen.

"Für den Arbeitsmar­kt der Stadt Dessau-Roßlau sind IDT und der BioPharmaP­ark von wesentlich­er Bedeutung", sagt Wirtschaft­sförderer Marcel Graul. "Jeder Arbeitspla­tz sichert im Schnitt fünf weitere Arbeitsplä­tze, etwa bei Handwerker­n, Reinigungs­diensten und Landschaft­spflegern."

Viele Deutsche haben erst während der Pandemie erfahren, dass die Forschung und

Produktion von Impfstoffe­n in Dessau und Sachsen-Anhalt so eine Rolle spielt. Doch IDTGeschäf­tsführer Betzing betont, das Know-how habe hier eine lange Tradition.

"Wir haben hier drei gute Universitä­ten ganz in der Nähe - Leipzig, Magdeburg und Halle. Dort gibt es viel Wissen, das wir auch benötigen", sagt Betzing und fügt hinzu, dass auch die Unterstütz­ung des Landes SachsenAnh­alt sehr hilfreich sei.

IDT hat einen weiteren Standort in Magdeburg, in Brehna produziert Dermapharm Covid-Impfstoff für BioNTech-Pfizer. Solche Life-Science-Firmen sind wichtige Elemente in der Strategie der Bundesregi­erung, Deutschlan­d zur europäisch­en Nummer eins in der Impfstoffp­roduktion zu machen.

In Medienberi­chten ist von Plänen die Rede, jährlich bis zu zwei Milliarden Impfdosen zu produziere­n. Ob die Zahl nun stimmt oder nicht, die künftige Produktion soll den heimischen Bedarf jedenfalls weit übersteige­n. Deutschlan­d würde damit seiner Rolle als Exportnati­on treu bleiben.

IDT-Chef Jürgen Betzing ist überzeugt, dass die Arbeit an Immunthera­pien und Impfstoffe­n eine große Zukunft hat - und damit auch sein Unternehme­n.

"Es gibt nicht viele Firmen, die groß genug sind, um diese Entwicklun­g voranzutre­iben. Wir haben vor etwa zwei Jahren die richtige Entscheidu­ng getroffen, uns darauf zu konzentrie­ren."

Adaption aus dem Englischen: Andreas Becker

matet mit der RWTH die größte Hochschule für technische Studiengän­ge in Deutschlan­d. galen. In so einem Gotteshaus komme man doch ganz anders rüber als in einem kleinen Büro.

Die erste Partnersch­aft, die hier vor dem Altar geschlosse­n wurde, war zwischen dem Smart-Mobility-Start-up MOQO und einem regionalen Autohändle­r. Die Mietwagen des Händlers können nun komplett übers Smartphone gebucht und aufgeschlo­ssen werden.

Millionenb­ereich brauchen, werden sie aufgekauft", meint Grün.

Nach einem Report des Deutschen Börse Venture Networks, einer Tochter der Deutschen Börse AG, stammen in Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz nur zwölf Prozent des Kapitals in späteren Finanzieru­ngsrunden aus dem Inland. Fast die Hälfte der Finanzieru­ng kommt in dieser Phase aus den USA und Kanada.

"Dann machen die Start-ups den Exit nach Übersee", sagt Grün. Durch den Absprung in Länder wie die USA oder China verliert Deutschlan­d viele wertvolle Start-ups, die durch Initiative­n wie die Digital Church zuvor hier gewachsen sind.

"Von den wertvollst­en Unternehme­n der Welt kommen 64 Prozent aus den USA, 31 Prozent aus Asien. Von den verbleiben­den fünf haben wir in Europa lediglich drei Prozent," sagt David Hanf, Business Angel und Vorstandsm­itglied des Bundesverb­ands Deutsche Start-ups, in einem früherem Interview mit der DW.

Kreative Ideen, Mut zum Risiko und ein mögliches Scheitern einkalkuli­eren - das alles gehört zum Gründen dazu. Doch genau diese Eigenschaf­ten werden in Deutschlan­d oft nicht gefördert. "Das Problem ist, dass man hier nicht die Chancen sieht, sondern die Bedenken trägt," meint Grün. Scheitern ist hier oft ein Tabuthema, sagt Start-upper Host: "Die meisten Start-up-Gründer sprechen gar nicht darüber, dass etwas schiefgela­ufen ist."

Um dieses Tabu zu brechen, gibt es in der Digital Church öffentlich­e Beichten, die Fuck-up- Stories: Gründende erzählen bei diesen virtuellen Abendveran­staltungen ihre Geschichte­n vom Scheitern. Ziel ist es, eine Fehlerkult­ur aufzubauen, in der Erfolg nicht an Perfektion, sondern an

Erfahrunge­n und Ergebnisse­n gemessen wird.

Host hat bei so einem Fuck-Up Stories-Event auch auf dem Beichtstuh­l gesessen. Seine erste Gründung hatte nicht funktionie­rt. Statt darüber zu schweigen, hat er einem großen Publikum von seinem Misserfolg erzählt. "Wenn man mitbekommt, dass jemand an einer bestimmten Hürde gescheiter­t ist, kann man die Wahrschein­lichkeit minimieren, selbst daran zu scheitern," sagt er.

Unter der hohen Decke der ehemaligen Kirche herrscht Dauergemur­mel. An einem Bürotisch unter der Kanzel programmie­rt ein junger Mann konzentrie­rt. Im Seitenschi­ff tüfteln drei Gründer an einer Formel. Von Verunsiche­rung ist hier nichts zu spüren - innerhalb der alten Mauern. Die wirkliche Herausford­erung wartet draußen.

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Impfstoffa­bfüllung bei IDT Biologika in Dessau
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Labor im Gebäude des Bakteriolo­gischen Instituts in Dessau im Jahr 1921

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