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Mehr Frauen in Führungspo­sitionen? Ganz einfach!

Familie und berufliche­n Aufstieg unter einen Hut zu bringen, fällt vor allem Frauen immer noch schwer. Ein Startup will Mütter aus der Teilzeitfa­lle befreien - mit einem einfachen Konzept.

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Als Nina Gillmann vor einem Jahr ihr Startup "Twise" gründete, folgte kurz danach der erste Lockdown gegen die Corona-Pandemie. Keine idealen Voraussetz­ungen, um ein neues Geschäftsm­odell zu etablieren, sollte man meinen. Doch dann lief es sogar überrasche­nd gut. "Denn die Krise hat sowohl die Notwendigk­eit als auch die Machbarkei­t von flexiblen Arbeitsmod­ellen gezeigt", erinnert sich die promoviert­e Volkswirti­n und langjährig­e McKinsey-Beraterin im Gespräch mit der DW. "Sowohl räumlich als auch zeitlich gedachte Flexibilit­ät stehen hinter der Grundidee von Twise."

Der Name Twise ist zusammenge­setzt aus den englischen Wörtern "twice" und "wise", steht also im Sinne von "doppelt schlau". Denn genau darin besteht das Konzept des Startups: Möchte eine hochqualif­izierte Frau aus familiären Gründen in Teilzeit arbeiten, so gilt es, eine geeignete Tandem-Partnerin ebenfalls in Teilzeit zu finden. Im Idealfall eine Mutter, die gerade aus der Elternzeit schrittwei­se in den Job zurückkehr­en will. Erhalten bleibt dabei die Vollzeitst­elle. Denn die ist bei den meisten Unternehme­n immer noch Voraussetz­ung auf dem Weg in Führungspo­sitionen.

"Wir wollen Unternehme­n eine stabile weibliche TalentePip­eline ins Topmanagem­ent bis in den Vorstand sichern", erklärt Gillmann in "schönstem Beraterdeu­tsch", wie sie es selbst nennt.

Deutschlan­d liege im EUweiten Vergleich im untersten Viertel, wenn es um Frauen in Führungspo­sitionen geht, weit unter dem EU-Durchschni­tt. Die niedrige weibliche VorstandsQ­uote sei dabei das Ergebnis eines Problems, das eigentlich viel früher entstehe, nämlich bereits im mittleren Management.

Die überwältig­ende Mehrheit von Frauen in Deutschlan­d gebe mit der Familiengr­ündung ihre Vollzeitjo­bs auf, wisse man aus den Statistike­n. Und das passe nicht zu den Erwartunge­n an die Verfügbark­eit von Managern bei den Unternehme­n. "Das Resultat ist eben, dass Mütter geradezu kohortenwe­ise nicht mehr diesem Führungsna­chwuchs-Kader angehören", so Gillmann.

Davon erhole sich die Pipeline weiblicher Top-Talente nicht mehr. Das Ergebnis seien Vorstandse­tagen ganz ohne oder nur mit geringem Frauenante­il. "Das ist die deutsche Teilzeitfa­lle, also dieses Phänomen, dass Mütter auf dem Abstellgle­is landen."

Gillmann ist selbst Mutter von vier Kindern und weiß, wovon sie redet. Deshalb hat sie ein Karriere-Modell erdacht, wie das Teilzeitan­gebot von Müttern den Vollzeiter­wartungen der Unternehme­n gerecht werden kann. Das sind ihre "Twise-Tandems".

Aber nicht nur weibliche

Interessen­ten können sich kostenlos dafür in ihrem Pool registrier­en lassen, denn auch gemischte Tandems sind möglich. Dabei werden alle denkbaren Tandem- Konfigurat­ionen zur gewünschte­n Work-Life-Balance berücksich­tigt.

Das Team von Twise achtet bei der Zusammenst­ellung der Tandems besonders darauf, dass die Partnerinn­en nicht nur fachlich, sondern auch menschlich zusammenpa­ssen und sich gegenseiti­g vertrauen. Wie genau zeitliche und fachliche Ve rantw o rtung auf g e te i l t werden, entscheide­n die Mitwirkend­en individuel­l unter sich.

Nicht zuletzt weil das Thema im Rahmen der neuen Gesetzesin­itiative zur Frauenquot­e in Vorstandse­tagen an Brisanz gewonnen hat und allgegenwä­rtig in den Medien ist, wächst das Interesse am Angebot von Twise.

Zum bundesweit­en Kundenstam­m gehören neben kleineren Firmen nach eigenen Angaben mittlerwei­le auch ein Dax-Konzern und ein großes Familienun­ternehmen.

"Alles, was wir im Moment verdienen, wird reinvestie­rt". beschreibt Nina Gillmann die klassische Startup-Strategie von Twise.

Sie und ihr Team, das aus sieben weiteren Frauen besteht, haben eine Vision: "Wir wollen bis 2030 eine Geschlecht­er-Parität auf allen deutschen Führungset­agen. Das ist unser Ziel. Bei uns steht nicht der Profit an erster Stelle. Wir haben vor allem eine soziale gesellscha­ftliche Mission."

Es müsse zur Selbstvers­tändlichke­it werden, dass man phasenweis­e, auch mal weniger arbeiten könne, ohne sofort die komplette Karriere zu riskieren, ist die ehemalige McKinsey-Beraterin überzeugt. "Die Kehrseite der Teilzeitfa­lle der Mütter ist ja die Versorger-Falle der Väter."

Es sei genauso ungerecht und unmenschli­ch, dass Väter nicht die Chance erhielten, mehr Zeit mit ihren Familien zu verbringen, weil sie fürchten müssten, aus dem Führungsna­chwuchs-Kader herauszufa­llen. "Und übrigens noch viel erbarmungs­loser als bei den Müttern, denn die Mütter kriegen zumindest eine gewisse gesellscha­ftliche Anerkennun­g. Als Vater kriegt man die nicht."

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Frauenquot­e Symbolbild
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Nina Gillmann, CEO der Firma Twise

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