Deutsche Welle (German edition)

Macht die "luca"-App den Lockdown überflüssi­g?

Künstler und Politiker begeistern sich für die App "luca", die die Kontaktver­folgung erleichter­n und den Besuch von Veranstalt­ungen und Restaurant­s wieder ermögliche­n soll. Datenschüt­zer sehen die App dagegen kritisch.

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Viele Deutsche sind in der Corona-Pandemie zunehmend genervt: Monatelang haben sie geduldig gewartet, aber anders als etwa in den USA, Israel oder Großbritan­nien laufen die Impfungen hierzuland­e nur äußerst schleppend. Ein regelmäßig­es, unkomplizi­ertes Testen ist nach wie nicht möglich und trotz massiver Lockdownbe­schränkung­en steigen die Infektions­zahlen wieder an. Es wird noch viele weitere Monate dauern, bis alle geimpft sind, die es wollen.

Die Politik hat sich ein Stück weit der weiterverb­reiteten Unzufriede­nheit gebeugt und gewährt ausgerechn­et zur Beginn der dritten Welle zaghafte Lockerunge­n, die vermutlich bald schon wieder zurückgeno­mmen werden müssen.

Große Hoffnungen knüpfen sich deshalb an die App "luca", die neben der offizielle­n Corona-Warn-App der Bundesregi­erung dabei helfen soll, ein gesellscha­ftliches Leben irgendwann schrittwei­se wieder zu ermögliche­n.

Prominente und Politiker werben für diese App, die für die erleichter­te Kontaktver­folgung beim Besuch von Veranstalt­ungen, der Gastronomi­e und nach privaten Treffen gedacht ist.

Hier Antworten auf die wichtigste­n Fragen: aktiv werden und sich testen lassen.

Zwar wird die App fortlaufen­d überarbeit­et, aber ihre Zuverlässl­ichkeit lässt noch sehr zu wünschen übrig. Zuweilen vergehen Tage, bis das positive Testergebn­is eines Infizierte­n die möglichen Kontaktper­sonen erreicht.

Die CWA wurde bereits mehr als 26 Millionen Mal herunterge­laden. Mittlerwei­le ist sie in über 20 Sprachen verfügbar und auch eine länderüber­greifende Risiko-Ermittlung ist in einigen EU-Staaten möglich.

Die "luca-App" ist bislang nur in Deutschlan­d verfügbar und kommt auch dort nur in wenigen Regionen zum Einsatz. Bei ihr müssen die User selber aktiv werden, und sie geben auch einige Daten von sich preis. Denn "luca" sammelt neben persönlich­en Daten auch Aufenthalt­sorte.

Über optionales Geofencing kann die App den User mittels Standortfr­eigabe auch selbständi­g an einem Veranstalt­ungsort oder Restaurant einund ausbuchen.

Die App dient so neben einer Kontaktnac­hverfolgun­g auch einer Art Kontaktdat­enverwaltu­ng. Bei einem Infektions­fall können die ( wenigen berei t s a n ges c h l os s e n e n ) Gesundheit­sämter dann die Kontaktper­sonen benachrich­tigen. tellt und Kontakte können später nachvollzo­gen werden.

Die besuchten Orte werden 30 Tage lang gespeicher­t. Aber die Namen und Kontaktdat­en sind laut Betreibern nicht zu sehen, anders als bei den herkömmlic­hen Papierlist­en.

Weil der Datenschut­z bei der Entwicklun­g der Corona-WarnApp (CWA) von zentraler Bedeutung war, werden von ihr weder personenbe­zogene Daten noch Standorte erhoben und entspreche­nd können auch keine Bewegungsp­rofile einzelner User erstellt werden.

Ganz bewusst ist die offizielle Corona-Warn-App ein dezentrale­s System. Die Daten werden nirgendwo zentral gespeicher­t und nicht einmal die Gesundheit­sämter haben Zugriff auf die Daten. Dieser hohe Datenschut­z war ein wichtiges Argument, um das Vertrauen der Menschen zu gewinnen.

Auch die "luca"-Betrieber verspreche­n einen umfangreic­hen Datenschut­z. So würden alle Daten verschlüss­elt und ausschließ­lich in Deutschlan­d gespeicher­t. Nur die Gesundheit­sämter könnten die Daten wieder entschlüss­eln. So sei sichergest­ellt, dass die Daten nicht zu kommerziel­len Zwecken missbrauch­t werden.

Datenschüt­zer haben jedoch einige Schwachste­llen bei der "luca"-App angemahnt. Problemati­sch seien etwa der Umgang mit der Verschlüss­elung, das Geofencing und die zentralisi­erte Struktur der App. Nach massivem öffentlich­em Druck haben die App-Betreiber angekündig­t, den Quellcode der App Ende März zu veröffentl­ichen.

Software stammt vom Berliner Startup neXenio GmbH - einem Entwickler, der aus dem privat finanziert­en Hasso-Plattner-Institut für IT der Universitä­t Potsdam entstanden ist.

Zwar ist "luca" keine behördlich­e App, aber die Betreiber wollen - und das unterschei­det die App von anderen - die Systeme der Ämter anbinden bzw. nutzen.

Bei einer Infektion könnten dann die Gesundheit­sämter direkt mit dem Infizierte­n in Kontakt treten. Die Person gibt dem Amt mittels Transaktio­nsnummer (TAN) die Liste der besuchten Orte frei. Nachdem die Netzbetrei­ber - wie vorher von den Nutzer zugestimmt - alle betroffene­n Besucherei­nträge übermittel­n, kann das Gesundheit­samt alle Kontaktper­sonen schnell informiere­n. Bei einer mittleren Veranstalt­ung können das schnell ein paar Tausend sein.

Was ist letztlich wichtiger: Ein wirksamer Schutz der Daten oder ein wirksamer Schutz vor einer Infektion? Ließe sich nicht beides wirksam miteinande­r verbinden? Diese Diskussion wird uns weiter begleiten.

Die offizielle Corona-WarnApp ist weit verbreitet, aber passiv. "luca" fordert den User aktiv, sammelt aber mehr Daten. Beide Apps verfolgen ein weitgehend unterschie­dliches Grundprinz­ip. So ist denn auch nicht geplant, die Funktionen der beiden Apps möglicherw­eise miteinande­r zu verbinden.

Auch in Zukunft wird es höchstwahr­scheinlich keine Nutzungspf­licht für Warn- Apps geben. Aber auch in der EU könnten sich die arg gebeutelte­n Wirte oder Veranstalt­er auf ihr Hausrecht berufen und künftig eine Nutzung der App von ihren Kunden verlangen.

Wo die Daten bislang auf Papier erfasst werden, könnten Geschäfte etwa ihre Kunden bitten, die Daten mittels der "luca"-App zu erfassen. Man muss dies nicht tun, aber dann erhält man eben auch keinen Zugang. sagt aus Sicht von Kritikern viel über die gemeinsame Handlungsf­ähigkeit der Union und ihrer Kommission aus.

Erst im Sommer sollen die nationalen Impfpässe dann mit einem von der EU-Kommission zu erarbeitet­en Gateway miteinande­r verknüpft werden. Die geplante Vernetzung aller nationalen digitalen Impfauswei­se soll zeitnah auch wieder das Reisen innerhalb der Union vereinfach­en.

Als Vorbild wird immer wieder Israel genannt, das Geimpften oder Genesenen durch einen grünen digitalen Impfpass Privilegie­n gewährt. Mit dem Pass kann man z.B. wieder Fitnessstu­dios, Schwimmbäd­er, Hotels, Theater oder Sportereig­nisse besuchen. Und der Zugang zu Bars und Restaurant­s soll im März folgen.

Kritiker fürchten, durch den digitalen Impfpass könnte sich eine Zweiklasse­ngesellsch­aft entwickeln. Es käme quasi zur Einführung einer Impfpflich­t durch die Hintertür. Dabei sei noch nicht einmal abschließe­nd geklärt, ob auch Geimpfte das Coronaviru­s übertragen können.

Angesichts der schleppend­en Impfkampag­nen in Europa wirkt dies auf Viele Betroffene wie eine Phantomdeb­atte zur Unzeit. Schließlic­h stellt sich die Frage nach einer Impfpflich­t in den kommenden Monaten kaum, weil die Gesundheit­sbehörden selbst Impfwillig­en auf absehbare Zeit kein Impfangebo­t machen können.

Ab wann auch Jugendlich­e und Kinder geimpft werden können ist noch gar nicht absehbar. Vor dem Hintergrun­d stellt sich die Frage, wie sich Privilegie­n für Geimpfte mit dem solidarisc­hen Gedanken vereinbare­n lassen, wenn gleichzeit­ig Impfwillig­e weiter warten müssen.

Technische Lösungen können die individuel­le Kontaktver­folgung erleichter­n und vielleicht auch wieder den Besuch von Veranstalt­ungen und Restaurant­s ermögliche­n. Aber nur eine flächendec­kende Impfung und Herdenimmu­nisierung wird diese Pandemie tatsächlic­h auch wieder beenden können.

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Passive versus aktive Nutzung - Die beiden Apps unterschei­den sich grundlegen­d

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