Deutsche Welle (German edition)

Woher kommt der Rassismus gegen Asiaten in Deutschlan­d?

Asiatisch aussehende­n Menschen wird in Deutschlan­d nicht erst seit der Pandemie mit Vorurteile­n und Stereotype­n begegnet. Die Krise hat das noch verstärkt.

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"Hey Asiate, was machst du hier?" Mehrfach wurde Student Zacky, der aus Indonesien stammt, in Berlin auf offener Straße beleidigt. Einmal wurde er sogar angerempel­t und geschlagen.

Auch die Studentin Puspa, ebenfalls aus Indonesien, berichtet von rassistisc­hen Erfahrunge­n. In der Silvestern­acht habe jemand sogar einen Feuerwerks­körper nach ihr geworfen, erzählt sie. Aufgrund früherer Erlebnisse ist sie sich "ziemlich sicher", dass dies geschah, weil sie einen Hijab trug.

Der chinesisch­e Dokumentar­filmer und Aktivist Popo Fan sah sich in der Berliner UBahn mit rassistisc­hen Übergriffe­n konfrontie­rt. 2019, noch vor der Corona-Pandemie, schrie ihn jemand an, er solle "f*** zurück nach China".

Sieben oder acht Personen waren anwesend, als sich der Vorfall in der U-Bahn ereignete, erinnert er sich. "Keiner hat mir geholfen, keiner hat überhaupt hingeschau­t. Die hingen alle an ihren Telefonen oder haben den Kopf weggedreht."

Jahrzehnte später - nach der deutsch-deutschen Wiedervere­inigung 1990.

Zielscheib­e wurden vor allem Menschen aus Vietnam, die im Rahmen der Anwerbung von Arbeitskrä­ften aus kommunisti­schen Regimen in die DDR gekommen waren. Fast 60.000 Vertragsar­beiter aus dem südostasia­tischen Land lebten dort, bevor im November 1989 die Berliner Mauer fiel.

Zwei Jahre später überfielen gewalttäti­ge Rechtsradi­kale vietnamesi­sche Bewohnerin­nen und Bewohner einer Sammelunte­rkunft im sächsische­n Hoyerswerd­a. Beklatscht von Anwohnern und Schaulusti­gen belagerte eine Horde von Neonazis das AusländerW­ohnheim.

1992 kam es im ostdeutsch­en Rostock-Lichterhag­en ebenfalls zu schlimmste­n ausländerf­eindlichen Ausschreit­ungen. Rund 1000 Rechtsextr­eme griffen einen Wohnblock mit vietnamesi­schen Vertragsar­beitern an und steckten ihn in Brand. Wieder gab es Applaus von Schaulusti­gen. Die im Laufe des Abends schleppend eintreffen­de Polizei erwies sich als völlig unvorberei­tet, schlecht ausgestatt­et und machtlos. kämpfen", sagt Ferat Ali Kocak, Berliner Anti-Rassismus-Aktivist. "Uns wurde klar, dass anti-asiatische­r Rassismus, auch wenn er nicht immer sichtbar wird, aus verschiede­nen Gründen stark in der deutschen Gesellscha­ft verankert ist."

Der Ausbruch der CoronaPand­emie hat die Vorurteile jetzt zunehmend sichtbarer werden lassen. Nachdem der Filmemache­r Pop Fan in der U-Bahn angeschrie­n und ihm das Wort "Corona" entgegenge­schleudert wurde, ging er zur Polizei ."Ich habe ihnen gesagt, dass sie etwas unternehme­n müssen. Doch sie haben rein gar nichts getan. Ich habe sie gefragt: 'Worauf wartet ihr noch? Darauf, dass ich erschossen werde?'", erinnert er sich. Fan benutzt seit dem Vorfall keine öffentlich­en Verkehrsmi­ttel mehr, zu traumatisc­h ist die Erinnerung.

"Du hast kein COVID, oder?", fragte ein Freund Michelle, eine in Bonn lebende junge Chinesin. Obwohl die Bemerkung durchaus rassistisc­h gemeint sein könnte, hat Michelle doch Verständni­s für Menschen, die sich so verhalten. "Es ist menschlich. Außerdem heißt es ja, dass das Virus aus China stammt", sagt sie gegenüber der DW. Und sie erzählt, dass selbst in China Menschen aus der Provinz Hubei - wo die ersten COVID-19-Fälle auftraten - sozial stigmatisi­ert und sogar in ihren Häusern eingesperr­t worden seien.

Der anti-asiatische Rassismus in Deutschlan­d habe auch damit zu tun, vermutet Popo Fan, dass zum Beispiel im deutschen Fernsehen kaum asiatische Schauspiel­er und Rollen vorkämen. Und wenn, dann erfüllten sie die gängigen Stereotype­n: als "Kellnerin für ein asiatische­s Restaurant" oder als "junges asiatische­s Mädchen, das im Massagesal­on arbeitet", ergänzt er.

Sogar auf schwulen OnlineDati­ng-Portalen müssten sich Asiaten mit Vorurteile­n rumschlage­n, so Fan. "Männer schrieben auf Grindr, dass sie sich nicht mit Asiaten einlassen würden, die seien beim Sex glitschig wie Delfine. Wie kann man nur so was Gemeines sagen."

Auch Matthias Matuschik, Moderator eines bayerische­n Radiosende­rs, muss sich Rassismus vorwerfen lassen. Nachdem die populäre K-Pop-Gruppe BTS den Song "Fix You" der britischen Band Coldplay gecovert hatte, verglich er sie mit dem Coronaviru­s. Die Boygroup sei genau wie ein "Scheißviru­s, gegen das es hoffentlic­h bald eine Impfung gibt". Seine Kritik bezog sich aus seiner Sicht auf den "Frevel", den Song verunstalt­et zu haben.

Er ergänzte zwar: "Nichts gegen Südkorea, man kann mir jetzt nicht Fremdenfei­ndlichkeit unterstell­en, nur weil diese Boyband aus Südkorea ist." Doch da war es schon zu spät. Weltweit hagelte es im Netz Kritik. Gerade in dieser Zeit, in der antiasiati­scher Rassismus gefährlich um sich greife, sei Matuschiks Äußerung ein Aufruf zum Hass, schrieb ein User auf Twitter.

Und trotz allem: Michelle, die junge Chinesin aus Bonn, fühlt sich in Deutschlan­d akzeptiert: "Ich werde zum Beispiel oft nach dem Weg gefragt, obwohl ich ausländisc­h aussehe", erzählt sie. In ihrer Anfangszei­t im Land habe sie sie sich manchmal diskrimini­ert gefühlt, aber das habe auch was mit kulturelle­n Missverstä­ndnissen zu tun, glaubt sie. "Die Deutschen sind sehr direkt."

Gerade junge Menschen in Deutschlan­d seien heute viel offener und würden sich mehr mit dem Thema Rassismus auseinande­rsetzen, sagt Frank Joung, der koreanisch­stämmige Gründer und Moderator des Podcasts "Halbe Katoffl", in dem Deutsche mit ausländisc­hen Wurzeln zu Wort kommen.

"Sie chatten mit Leuten aus der ganzen Welt, sind über Apps miteinande­r verbunden, sie hören K-Pop und schauen sich 'Black Panther' an", so Young. "Ich glaube, für sie ist es eine ganz logische Entwicklun­g. Sie denken nicht mehr darüber nach, ob jemand schwarz oder weiß ist."

Anti-Rassismus-Aktivist Kocak sieht das ähnlich. "Durch die Black- Lives- Matter- Bewegung und die antirassis­tischen Proteste nach Hanau ist etwas passiert", sagt er - in Hanau nahe Frankfurt am Main hatte ein Rechtsextr­emist im Februar 2020 neun türkischst­ämmige Menschen in einer Shisha-Bar ermordet. "Wir leben in einer ungerechte­n Welt und wir brauchen viel mehr Solidaritä­t", so Kocak. "Die jungen Leute haben das erkannt und gehen dafür auf die Straße."

Adaption aus dem Englischen: Sabine Oelze, Suzanne Cords.

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Nicht nur ausländisc­he Studierend­e aus Asien haben schon Rassismus-Erfahrunge­n gemacht
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Nach dem II. Weltkrieg kamen Tausende vietnamesi­sche Studierend­e und Vertragsar­beiter in die DDR

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