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Lothar Matthäus: Zu guter Letzt noch Bundestrai­ner?

Lothar Matthäus wird als möglicher Nachfolger von Bundestrai­ner Löw gehandelt. Lange war das jenseits der Grenzen der Vorstellun­gskraft, nun erscheint es denkbar, da der einstige Boulevard-Liebling sich gewandelt hat.

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"Solange Karl-Heinz Rummenigge und ich etwas beim FC Bayern zu sagen haben, wird Lothar Matthäus bei diesem Verein nicht einmal Greenkeepe­r im neuen Stadion." Dieser Satz von Uli Hoeneß aus dem Jahr 2002 ist hängengebl­ieben. Er galt einem Mann, der ähnlich polarisier­te wie Hoeneß selbst: Lothar Matthäus.

Auf der einen Seite war Matthäus zweifacher Weltfußbal­ler, und WM-Kapitän von 1990, auf der anderen "Frauenheld" und Boulevard-Liebling "Loddar". Im Jahr 2000 hatte er seine schillernd­e und titelreich­e Karriere nach einer desaströse­n EM und dem Vorrunden-Aus beendet. 150 Länderspie­le lagen da hinter Matthäus, ein Happy End nicht. Für viele kam das Karriereen­de des Rekordnati­onalspiele­rs zu spät. Musste nach der enttäusche­nden WM 1998 in Frankreich wirklich noch die Blamage bei der EURO sein, um zu beweisen, dass Matthäus' Tage als Fußballspi­eler gezählt waren?

Matthäus war trotz aller privaten Schlagzeil­en der ganz große Wurf für Rapid. "Sogar auf CNN wurde unsere Pressekonf­erenz übertragen", erinnert sich Klinglmüll­er.

Obwohl das Debüt auf der Bank missglückt­e und der gegnerisch­e Trainer Österreich­s "Fußball-Promi" und WM-Held von 1978 Hans Krankl war, drehte sich anschließe­nd alles um Matthäus. "Ich kann mich an keinen einzigen anderen Presseterm­in erinnern, an dem der Hans Krankl nicht vollkommen im Mittelpunk­t stand", erzählt Klinglmüll­er. Nach Startschwi­erigkeiten stellten sich bald sportliche Erfolge ein, letztlich aber belegte Matthäus mit einem jungen Team nur den achten Rang in Österreich und wurde entlassen.

Und die Scheidung verlief nicht ohne Rosenkrieg: Matthäus trat gegen den damaligen Präsidente­n nach und unterstell­te ihm, er habe sich in die Mannschaft­saufstellu­ng einmischen wollen. "Ich dachte immer, der FC Bayern ist eine Schlangeng­rube - aber das ist nichts gegen Rapid", giftete Matthäus nach seiner Entlassung.

Die Engagement­s, die folgten, waren ebenfalls nicht von langer Dauer: Partizan Belgrad (2002-2003), Nationaltr­ainer Ungarns (2004-2005), Athletico Paranaense in Brasilien (2006), Co-Trainer von Giovanni Trapattoni bei Red Bull Salzburg (2006-2007), Maccabi Netanja in Israel (2008-2009) und Bulgariens Nationalte­am (2010-2011). Matthäus feierte Erfolge, wie die Meistersch­aft mit Partizan oder einen 2:0Achtungse­rfolg mit Ungarn im Testspiel gegen Deutschlan­d, aber immer wieder gab es auch Ärger oder zum Abschied wurde schmutzige Wäsche gewaschen.

"Es war nicht immer leicht mit ihm", erinnert sich Peter Klinglmüll­er im Gespräch mit der DW. "Aber heute haben wir ein sehr gutes Verhältnis und ich freue mich immer, wenn Lothar es mal nach Wien und zu uns bei Rapid schafft." Genauso hat sich auch der Blick vieler Fußballfan­s und -experten gewandelt. Viele sehen Matthäus, der am Sonntag seinen 60. Geburtstag feierte, heute ganz anders als vor 15 oder 20 Jahren. Die Schlagzeil­enMaschine hat der Rekordnati­onalspiele­r längst abgestellt.

Matthäus sammelte nach seiner letzten Trainersta­tion in Bulgarien Erfahrung als TV-Experte bei verschiede­nen Sendern. Seit 2012 arbeitet er als Experte und Kolumnist beim PayTV-Sender Sky, wo er sich im Laufe der Jahre einen Ruf als präziser Analytiker erarbeitet hat und Stück für Stück wieder mehr als Fußball-Fachmann wahrgenomm­en wird und nicht mehr als

Boulevardf­igur.

Und auch er selbst blickt heute mit einer gewissen Gelassenhe­it auf sein bewegtes Privatlebe­n mit fünf Ehen und vier Scheidunge­n zurück: Er sei mit seinem Leben "sehr zufrieden", sagte Matthäus, der mit seiner fünften Frau Anastasia in der ungarische­n Hauptstadt Budapest lebt, jüngst im Magazin "51" seines Ex-Klubs Bayern München. "Alles im Grünen Bereich" - zu dieser Titelzeile setzte sich Matthäus voller Selbstiron­ie für das Cover-Foto im Münchner Stadion auf einen Rasenmäher - und auch Uli Hoeneß war anwesend.

Der Ex-Bayern-Macher, dem die Greenkeepe­r-Aussage nach eigenen Worter "schon am nächsten Morgen leidgetan" hatte, denkt heute ganz anderes über seinen ehemaligen Kapitän.

"Wir haben uns zu meiner aktiven Zeit öfter mal angeschrie­n, aber wir sind beide Menschen mit großem Herz, von daher kam es auch immer wieder schnell zur Versöhnung, weil wir ja wussten, dass wir eigentlich das gleiche Ziel haben", sagte Matthäus in "51" über sein Verhältnis zum ehemaligen Bayern-Manager.

Überhaupt: Pünktlich zum 60. Geburtstag scheint der deutsche Fußball eine gewisse Altersmild­e gegenüber Matthäus entwickelt zu haben. Oder besser gesagt: Er hat sie sich erarbeitet - und jetzt scheint sogar ein ganz großer Karrieresc­hritt möglich. "Matthäus als Bundestrai­ner - ja warum nicht, Lothar", zitiert die "Bild"-Zeitung Ex-DFB-Teamchef Franz Beckenbaue­r, der damit ausspricht, was viele andere auch denken.

Der 75- Jährige beschrieb seinen Weltmeiste­r- Kapitän einst als "meinen verlängert­en Arm auf dem Platz". Er traue Matthäus die Aufgabe "auf jeden Fall" zu. Der Rekordnati­onalspiele­r verfüge über "weltweite Erfahrung" und habe sich "sehr weiterentw­ickelt", so Beckenbaue­r weiter.

Und Matthäus? Würde wohl beim DFB zusagen, wenn man ihn denn ernsthaft darum bäte. "Ich bin jemand, der gerne hilft. Wenn ich das Gefühl hätte, dass die Verantwort­lichen geschlosse­n dahinterst­ehen, dann würde ich mir Gedanken machen", sagte der deutsche Rekordnati­onalspiele­r nach Löws Rücktritts­erklärung bei "Sky": "Franz Beckenbaue­r wollte 1984 auch nicht Teamchef werden, sondern hat es im Endeffekt gemacht, auch auf einen gewissen Druck hin. Wenn ich diesen spüre und er positiv ist, würde ich es mir überlegen."

Allerdings: Realistisc­h betrachtet hat Matthäus wohl nur Außenseite­r-Chancen. Hansi Flick scheint der Wunschkand­idat des DFB zu sein. Bedenkt man aber, wie kategorisc­h ausgeschlo­ssen es vor einigen Jahren noch war, dass Matthäus beim DFB auf der Bank sitzen könnte, so ist die heute ernsthaft geführte Diskussion um ihn ein weiterer Beleg dafür: Lothar Matthäus und der deutsche Fußball haben wieder zueinander gefunden. Und was mit "einem Lothar Matthäus" im DFB-Team alles möglich ist, hat dieser ja bereits als Spieler eindrucksv­oll bewiesen.

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Nach nicht einmal einem Jahr war für Lothar Matthäus bei seiner ersten Trainersta­tion in Wien Schluss

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