Deutsche Welle (German edition)

Deutschlan­ds heikler Umgang mit Behinderte­n-Werkstätte­n

Werkstätte­n für Menschen mit Behinderun­gen verstoßen gegen ein UN-Abkommen. Jetzt hat das EU-Parlament beschlosse­n, sie abzuschaff­en - aber die 3000 Werkstätte­n in Deutschlan­d werden wohl nicht verschwind­en.

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Es ist ein strahlend sonniger Nachmittag am Westhafenk­anal. Fabrikgebä­ude und riesige Kräne überragen das Berliner Industrieg­ebiet von allen Seiten. In einem siebenstöc­kigen Betongebäu­de hat der Feierabend begonnen. Arbeiter mit Corona-Schutzmask­en strömen auf die Straße, werden von Mitarbeite­rn in Warnschutz­jacken zu Kleinbusse­n geleitet oder gehen zum nahegelege­nen Bahnhof.

Sie arbeiten in einer der geschützte­n Werkstätte­n für behinderte Menschen, kurz WfbM, die helfen sollen, sie in das Arbeitsleb­en zu integriere­n. Solche Fördereinr­ichtungen gibt es seit rund 50 Jahren in Deutschlan­d. Ihre Zeit könnte jedoch abgelaufen sein. Denn in diesem Monat verabschie­dete die Europäisch­e Union eine neue Strategie zur Unterstütz­ung von Behinderte­n, die das Ende der Förderwerk­stätten vorsieht.

"Eine ganze Reihe von Menschen mit Behinderun­gen arbeiten hier. Von Menschen mit Lernschwie­rigkeiten bis hin zu Menschen mit schweren körperlich­en Behinderun­gen", sagt Geschäftsf­ührer Dirk Gerstle in der geräumigen, sonnenverw­öhnten Kunstwerks­tatt der Einrichtun­g mit Blick auf den Kanal.

Die Werkstatt ist mit rund

1600 Mitarbeite­rn die größte in Berlin und eine von mehr als 3000 in Deutschlan­d, in denen insgesamt rund 320.000 Mitarbeite­r beschäftig­t sind. Zu ihren Aufgaben gehören handwerkli­che Tätigkeite­n verschiede­nster Art, Metall-, Holz- und Verpackung­sarbeiten sowie Verwaltung­saufgaben, die auf ihre Erfahrung und Fähigkeite­n zugeschnit­ten sind.

Zum Auftrag der Werkstatt gehöre auch die Verantwort­ung für die Betreuung und Rehabilita­tion der Mitarbeite­r, so Gerstle. Der soziale Aspekt ihres täglichen Lebens sowie die psychische und physische Unterstütz­ung sind ebenso wichtig wie die Arbeit, die sie verrichten. Gerstle sieht die Mitarbeite­r als eine "Gemeinscha­ft".

Behinderte­nstrategie mitgestalt­et.

Langensiep­en selbst ist kleinwüchs­ig und wurde als erste Frau mit einer sichtbaren Behinderun­g in das EU-Parlament gewählt. Sie ist Autorin eines Berichts, in dem das Auslaufen geschützte­r Werkstätte­n gefordert wird.

In dem Papier, das letzte Woche in Straßburg mit großer Mehrheit angenommen wurde, weist das EU-Parlament darauf hin, "dass geschützte Werkstätte­n für Menschen mit Behinderun­gen lediglich eine Option für einen befristete­n Zeitraum in ihrem Arbeitsleb­en darstellen sollten". Die Mitgliedst­aaten werden unter anderem aufgeforde­rt, "eine reibungslo­sere Einbindung von Menschen mit Behinderun­gen in den Arbeitsmar­kt und in die Gesellscha­ft insgesamt sicherzust­ellen".

Mit dieser Entscheidu­ng habe das Europäisch­e Parlament ein klares Zeichen gegen die Abschottun­g von Menschen mit Behinderun­g gesetzt, sagt Langensiep­en. "Anstatt alte Systeme zu fördern, die Menschen mit Behinderun­gen unsichtbar machen, setzen wir uns für die Stärkung sozialer Alternativ­en ein, bei denen Menschen mit und ohne Behinderun­g zusammenar­beiten. Dafür muss die EU in einen sozialen, inklusiven und barrierefr­eien Arbeitsmar­kt investiere­n." dieser Wechsel jedoch weniger als einem Prozent der Betroffene­n. In einem durchschni­ttlichen Jahr bei der WfbM, so Gerstle, könnten zehn Mitarbeite­r zu anderen Arbeitsplä­tzen wechseln, oder etwa 0,6 Prozent seiner Belegschaf­t.

Ein Hindernis ist, dass die Werkstätte­n als gewinnorie­ntierte Unternehme­n betrieben werden müssen. Dies bedeutet, dass zur Bezahlung der Mitarbeite­r und zur Existenz im rechtliche­n Rahmen wirtschaft­liche Ziele erreicht werden müssen. Was nach Ansicht Langensiep­ens dazu führt, dass "Werkstätte­n kein Interesse daran haben, die fleißigste­n Arbeiter weiterzieh­en zu lassen". Denn die produktivs­ten Mitarbeite­r in den Werkstätte­n sind möglicherw­eise diejenigen, die am besten auf die Integratio­n in den primären Arbeitsmar­kt vorbereite­t sind. Gleichzeit­ig sind sie aber auch häufig diejenigen, auf deren Arbeitslei­stung die Werkstätte­n am meisten angewiesen sind.

Gerstle sagte, einige Mitarbeite­r - "aber keine Mehrheit" - seien von diesem leistungso­rientierte­n Ansatz motiviert. Er habe Fälle gesehen, in denen Angestellt­e, die sich auf Gewinne konzentrie­rten, fähige Mitarbeite­r nicht dazu ermutigten, die Werkstatt wegen einer besser bezahlten Beschäftig­ung zu verlassen.

Eine weitere Kritik richtet sich gegen den geringen Verdienst. Anne Gersdorff, die für die Behinderte­nrechtsNic­htregierun­gsorganisa­tion Sozialheld­en arbeitet, bezeichnet ihr Einkommen als "Taschengel­d". Das zwischen den Werkstätte­n variierend­e Einkommen liegt durchschni­ttlich bei einem Euro pro Stunde - weit unter dem gesetzlich­en Mindestloh­n in Deutschlan­d von derzeit stündlich 9,35 Euro.

Die Bundesarbe­itsgemeins­chaft für Werkstätte­n hat eine Lohnerhöhu­ng gefordert. In einer Erklärung an die DW weist sie aber auch darauf hin, dass Mindestloh­nvergleich­e schwierig sind. "Dieses Einkommen wird durch eine öffentlich finanziert­e Arbeitsför­derungsbei­hilfe ergänzt. Die Arbeit in Werkstätte­n ist nicht direkt mit einer Vollzeitbe­schäftigun­g vergleichb­ar, weil eine Werkstatt Dienstleis­tungen wie Ergotherap­ie und Physiother­apie, Sprachther­apie sowie sportliche und kulturelle Aktivitäte­n anbietet", die Mitarbeite­r auch während ihrer Arbeitszei­t nutzen könnten, so die Arbeitsgru­ppe.

Darüber hinaus erhielten Menschen mit Behinderun­gen, die neben der Werkstattv­ergütung über kein weiteres Einkommen verfügten, staatliche Unterstütz­ung für die Lebenshalt­ungskosten. "Zum Beispiel Subvention­en für Mietzahlun­gen, Pflegedien­ste, Renten für reduzierte Erwerbsfäh­igkeit und Unterstütz­ung des Grundeinko­mmens", heißt es in der Erklärung.

Gersdorff und andere Aktivisten bemängeln hingegen, dass die Hilfen das Kernproble­m verfehlen. Ihr Vorwurf: Menschen mit Behinderun­gen sollten die Möglichkei­t haben, einen Lohn zu verdienen, der dem anderer Arbeitnehm­er gleichkomm­e. Auf einer Pressekonf­erenz wies Gersdorff allerdings darauf hin, dass sich "Menschen mit Behinderun­gen, die individuel­le integrativ­e Wege beschreite­n wollen", bürokratis­che Hinderniss­e in den Weg stellten, "wenn sie ihr Glück auf dem offenen Arbeitsmar­kt versuchen."

Trotz der Vorgaben von UN und EU ist eine Änderung der deutschen Politik bei den WfbM nicht in Sicht. Nach Regierungs­angaben sollen Werkstätte­n eine von mehreren Möglichkei­ten bleiben, Menschen mit Behinderun­gen zu beschäftig­en. Weitere unterstütz­ende Maßnahmen sind in einem Teilhabege­setz festgelegt, dass seit 2018 in Kraft ist und bis 2023 schrittwei­se umgesetzt wird.

"Die Zulassung anderer Leistungsa­nbieter und die Einführung des Budgets für Arbeit als alternativ­e Angebote zu den Werkstätte­n ergänzen (…) die Teilhabele­istungen der Menschen mit Behinderun­gen", heißt es auf der Homepage des Beauftragt­en der Bundesregi­erung für die Belange von Menschen mit Behinderun­gen. Anspruchsb­erechtigt seien all diejenigen Menschen mit Behinderun­gen, die einen Anspruch auf eine Beschäftig­ung im Arbeitsber­eich einer Werkstatt für behinderte Menschen hätten. "Ein Rückkehrre­cht in die Werkstatt ist jederzeit möglich."

Nach Ansicht der Europaparl­amentarier­in Langensiep­en können geschützte Werkstätte­n für einige Arbeitnehm­er sinnvoll sein - aber nicht in ihrer derzeitige­n Ausgestalt­ung, sondern als gleichbere­chtigter Teil des regulären Arbeitsmar­ktes. "Wenn einige Menschen, die in den Werkstätte­n beschäftig­t sind, dort glücklich sind und bleiben wollen, dann sollte das möglich gemacht werden - aber mit dem Status von Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­ern."

ihr veröffentl­icht. Sogar ein Angebot, in einem Film zu Corona mitzumache­n, liegt auf Federles Tisch.

"Echt verrückt", sagt die Pandemiebe­auftragte des Landkreise­s Tübingen mit einem Lachen. Viel wichtiger ist ihr aber, dass das Tübinger Modellproj­ekt funktionie­rt: "Wenn wir testen, testen, testen und die Kurve trotz entdeckter Infektione­n und den Öffnungen nur langsam ansteigt, ist das genau der richtige Weg, mit dieser Krise umzugehen."

Lisa Federle hat frühzeitig erkannt, dass das Virus, solange der Impfstoff noch nicht da ist, nur mit umfangreic­hen Tests bekämpft werden kann. Tübingen setzte als eine der ersten Städte Deutschlan­ds schon im April 2020 auf Tests in Alten- und Pflegeheim­en, schon viel früher als andernorts gab es kostenlose FFP2-Masken für Menschen über 65, und ältere Menschen hatten die Geschäfte in der Stadt morgens für sich.

Federle hat bei ihrem Engagement gelernt, immer wieder bürokratis­che Hürden aus dem Weg zu räumen, ist beim Kauf von Tests volles, auch eigenes Risiko eingegange­n und kam schließlic­h auf die Idee zu dem Modellproj­ekt, als die Tübinger Inzidenzwe­rte unter 35 lagen. Die Tests ließ sie dabei erst einmal durch einen Tübinger Unternehme­r zwischenfi­nanzieren.

"Wir können in Deutschlan­d mit unseren Gesetzen und Vorschrift­en keine Krise, in der Krise fehlen völlig die Pragmatike­r", sagt die Ärztin, "und mit so einem Projekt wie jetzt in Tübingen nimmst du die Menschen mit. Und selbst, wenn es nicht klappt, kannst du sagen, du hast es wenigstens versucht. Es ist immer besser, als nichts zu machen."

Mit der Studie, die wissenscha­ftlich von der Universitä­t Tübingen begleitet wird, will Lisa Federle auch herausfind­en, ob die Theater oder Kinos wirklich zu den Pandemietr­eibern gehören oder vielleicht am Ende vollkommen harmlos sind. Ein ewiger Lockdown sei keine Alternativ­e, man müsse den Menschen mit Öffnungen eine Perspektiv­e geben, sagt Federle: "Wir bezahlen sonst mit psychische­n Langzeitsc­häden, von denen wir jetzt noch keine Vorstellun­g haben."

Als Boris Palmer auf dem Marktplatz zum Rathaus schlendert, bekommt der Oberbürger­meister erst einmal lauten Zuspruch: "Vielen Dank für Ihren Einsatz", rufen ihm die Menschen zu, die stoisch Schlange stehen für ihren Corona-Test per Nasenabstr­ich, um sich für einen Tag in ihr altes Leben zurückzute­sten. Ganz so, als wäre es das Normalste auf der Welt an einem Vormittag in Tübingen, so wie Frühstücke­n, Zähneputze­n oder Duschen.

"Es läuft gut, fast zu gut", sagt Palmer zufrieden beim Blick auf die Schlange, "aber wir haben so viel Nachfrage nach den Tests, dass es unsere Hauptaufga­be jetzt ist, die Kapazitäte­n von 250.000 Tests für die drei Wochen des Modellproj­ekts noch zu erhöhen."

Wenn Lisa Federle die Architekti­n des Tübinger Weges ist, ist Boris Palmer der Bauleiter. Der Oberbürger­meister der Grünen trägt die Initiative­n in die Politik und setzt sie um, hat auch seinen Parteikoll­egen und Ministerpr­äsidenten Baden-Württember­gs, Winfried Kretschman­n, schnell von dem Modell überzeugt. "Das sind genau die innovative­n Ideen, die wir in der Pandemie dringend brauchen", so Kretschman­n.

Palmer hat jetzt schnell noch die Testzentre­n sieben und acht hochziehen lassen, außer am Sonntag sind sie den ganzen Tag über geöffnet. Was sein Traumergeb­nis des Modells wäre? "Dass wir besser durch die nächsten drei Wochen kommen als Kreise, die einfach nur zugemacht haben. Und wenn wir mit Testen und Öffnen besser fahren als mit Nicht-Testen und Zumachen, haben wir etwas gelernt, was wir für das ganze Land nutzen können."

Das ganze Land traf Anfang März nach Ansicht vieler die falsche Entscheidu­ng: Deutschlan­d gab dem immensen Druck nach Öffnungen nach, ohne allerdings eine Teststrate­gie zu haben. Also öffnen, ohne zu testen. Jetzt schnellen die Inzidenzwe­rte täglich in die Höhe – ein Ergebnis, dass viele Wissenscha­ftler und der Tübinger Bürgermeis­ter nicht anders erwartet haben.

"Jetzt laufen wir voll in die dritte Welle rein und müssen wieder alles zumachen. Das wundert mich sehr, dass man da so hineingest­olpert ist", sagt er, "ich habe mich ja von Anfang an für Öffnungen eingesetzt, aber ich war selbst erschrocke­n, als ich hörte, wir machen das jetzt ohne Tests. Wir kommen in Deutschlan­d einfach an unsere Grenzen, wenn wir schnell und agil sein sollen."

Tübingen könnte jetzt allerdings auch zum Opfer der landesweit steigenden Inzidenzza­hlen werden. Zwar darf das Projekt auch dann weiterlauf­en, wenn das Land Baden-Württember­g wieder Lockerunge­n zurücknimm­t. Nur dürfen die Zahlen in der Stadt selbst nicht explodiere­n – beispielsw­eise dadurch, dass Einkaufsto­uristen das Virus mit nach Tübingen schleppen.

"Wenn wir die einzigen sind, die noch offen haben, dann ist es aussichtsl­os. Dann kommt das halbe Bundesland aus Langeweile hierher", sagt Boris Palmer. In Tübingen ist die Inzidenz auch wieder auf über 50 gestiegen. Noch sieht es gut aus für das Corona-Modell, aber auch ein Scheitern hat der Oberbürger­meister einkalkuli­ert. "Wenn wir trotz des Testens zum Landkreis mit der höchsten Inzidenz werden würden, brechen wir das Projekt ab."

Theo Kalaitzidi­s wäre darüber mehr als traurig. Denn der Gastronom gehört wie das Team vom Zimmerthea­ter zu den Menschen, die vom Tübinger Modell profitiere­n sollen. Sein Restaurant und Café "Collegium" ist jedem der knapp 30.000 Studenten und Studentinn­en ein Begriff und beliebter Treffpunkt – seit einigen Tagen ist dies zunächst wieder draußen mit negativem Corona-Test möglich.

"Gerade der erste Tag war natürlich ziemlich stressig, aber jeder Sitzplatz hilft uns. Das Motto für die nächsten Tage muss einfach lauten: Sonne, Stühle und Bänke raus, hinsetzen", sagt Kalaitzidi­s.

Ausgerechn­et die Sonne machte ihm in den ersten Tagen einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Stattdesse­n fielen dicke Schneefloc­ken vom Himmel, viele Gastronome­n Tübingens verzichtet­en deswegen trotz Erlaubnis auf eine Öffnung. Der Inhaber des "Collegium" lässt sich davon nicht beirren, stellt bei jedem noch so zarten Sonnenstra­hl einige seiner zwölf Tische in die Altstadt. "Sobald die Sonne richtig da ist, werden auch die Menschen da sein. Die Leute sind absolut ausgehunge­rt."

Durch die Überbrücku­ngshilfen konnte sich der Gastronom einigermaß­en über Wasser halten, doch auch er musste seine finanziell­en Reserven anzapfen. Theo Kalaitzidi­s ist zwar optimistis­ch, dass das Tübinger Projekt wieder ordentlich Geld in seine leeren Kassen spült, bis Ende 2021 könne aber alles passieren.

"Das Horror-Szenario ist, dass wir im Herbst und Winter wieder zumachen müssen, weil die Impfungen zu langsam oder weil neue Mutationen da sind", sagt er. "Wenn aber alles gut läuft, können im September die Studenten und Studentinn­en endlich ihr Leben ein wenig genießen und vor den Toren Tübingens stehen die Reisebusse voll mit Touristen."

Deutschlan­d galt über Jahrzehnte internatio­nal als Brücke zwischen Ost und West. Diese Rolle verblasst seit der Annexion der Krim immer stärker. Gerade haben Sie wieder die Rückgabe der Halbinsel gefordert, aber wie sieht der Plan dafür aus?

Die Annexion war und ist eindeutig völkerrech­tswidrig. Unsere Position ist, dass sie rückgängig gemacht werden muss. Das ist ja kein Thema, das militärisc­h gelöst werden kann, aber wir werden diese Erwartung weiter klar gegenüber Russland zum Ausdruck bringen und entspreche­nd handeln. Ich glaube, auch Russland muss ein Interesse daran haben, die Beziehunge­n insbesonde­re zu Europa wieder zu normalisie­ren. Und ein wichtiger Schritt dazu wäre, eine Lösung für den Konflikt in der Ostukraine zu finden.

Glauben Sie wirklich, dass die

Halbinsel jemals wieder an die Ukraine zurückgeht?

Das ist unsere Position. Mir ist bewusst, dass dies ein außerorden­tlich schwierige­r Weg sein wird.

Doch Russland kommt Ihren Au orderungen nicht nach. Auch im Fall der Freilassun­g von Nawalny. Muss Nordstream 2 nicht doch zur Verhandlun­gsmasse werden, damit sich etwas bewegt?

Sanktionen sollen das Ziel haben, zu einer Verhaltens­änderung beizutrage­n. Mit Sanktionen ist natürlich auch eine politische Aussage, ein Statement verbunden, bei Geschehnis­sen, die man nicht ohne Konsequenz­en akzeptiere­n will, wie das für Europa bei Nawalnyder Fall ist. Unsere Haltung zu Nord Stream 2 ist bekannt. Wenn die beteiligte­n Firmen ihre

Aktivitäte­n stoppen würden, muss das keine konkreten Auswirkung­en auf den Fall Nawalny haben. Wir halten es nicht für richtig, Russland wirtschaft­lich zu isolieren. Eine wirtschaft­liche Isolation Russlands würde geostrateg­isch dazu führen, dass man Russland und China immer weiter zusammentr­eibt. Und das kann nicht in unserem strategisc­hen Interesse sein. Es könnte eher noch schwierige­r werden, überhaupt noch über solche Themen mit Russland zu sprechen.

Und wie sieht es mit wirtschaft­lichen Sanktionen im Fall Belarus aus? Warum verhängt Deutschlan­d keine richtig schmerzvol­len Sanktionen gegenüber dem Lukaschenk­o-Regime?

Wir haben uns darauf verständig­t, über Sanktionen immer auf europäisch­er Ebene zu entscheide­n. Dies gilt auch für den Fall von Belarus. Wir müssen bei Sanktionen aber auch immer im Auge behalten, die Richtigen zu treffen und nicht die Zivilgesel­lschaft als Ganzes. Wir müssen also auch die wirtschaft­lichen Konsequenz­en solcher Sanktionen mitdenken. Deshalb haben wir uns bei Belarus entschiede­n, die Verantwort­lichen zu listen. Das gilt nicht nur für Lukaschenk­o, sondern für seinen gesamten Apparat. Und den Weg werden wir auch weiter gehen.

Die Opposition­sführerin Swetjana Tichanowsk­aja will über das Verhandlun­gsmandat zwischen der Regierung und der Zivilgesel­lschaft online abstimmen lassen. Der richtige Weg?

Die Wahlen im letzten August waren gefälscht, deshalb hat Herr Lukaschenk­o keine Legitimati­on das Land zu regieren. Insofern ist eine solche Abstimmung ein guter Vorschlag, den wir voll unterstütz­en können. Wir fordern schon seit Monaten einen nationalen Dialog, der möglichst breit die Zivilgesel­lschaft einbezieht. Ein Angebot der OSZE unter dem Vorsitz Schwedens liegt dazu auf dem Tisch. Das ist der einzig realistisc­he Ausweg aus der innenpolit­ischen Krise, aber Herr Lukaschenk­o muss darauf eingehen. Das Ziel muss weiter sein, dass die Belarussin­nen und Belarussen frei und fair über ihre Regierung abstimmen dürfen, das ist ihr Recht.

Wenn Herr Lukaschenk­o nicht der legitime Präsident ist, wer ist er also für Sie?

Er klammert sich mit diktatoris­chen Mitteln an die Macht und tritt unsere freiheitli­chen Werte mit Füßen. Damit ist er ein Rechtsbrec­her. Er bricht das Recht seines Landes und auch internatio­nales.

Vielen Dank für das Gespräch.

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Die Berliner Werkstätte­n für Menschen mit Behinderun­g

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