Deutsche Welle (German edition)

Keine internatio­nale Solidaritä­t mit Myanmar

Die Sanktionen der EU und der USA gegen hochrangig­e Polizei- und Militärver­treter in Myanmar können nicht darüber hinwegtäus­chen: die Demokratie­bewegung in dem südostasia­tischen Land ist weitgehend auf sich gestellt.

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Auf internatio­naler Ebene spielt die Tragödie in Myanmar, wo Tausende seit anderthalb Monaten unter Lebensgefa­hr auf der Straße gegen die Machtübern­ahme durch das Militär protestier­en, weiterhin nur eine untergeord­nete Rolle. So wurden die Vorgänge in Myanmar, soweit bekannt, bei den jüngsten ersten hochrangig­en Gesprächen zwischen China und den USA nach dem Amtsantrit­t von Joe Biden nicht thematisie­rt. Dabei läge hier nach Ansicht von Experten des "United States Institute of Peace", einer überpartei­lichen Einrichtun­g des US-Kongresses, eine "einmalige Gelegenhei­t zur Zusammenar­beit für die beiden Mächte vor, die sich in so vielem uneins sind."

Doch die Aufforderu­ng von Chinas Top-Diplomat Yang Jiechi an die USA bei dem Treffen in Alaska, "damit aufzuhören, ihre eigene (Vorstellun­g von) Demokratie im Rest der Welt voranzutre­iben", deutet eher darauf hin, dass ein gemeinsame­s Vorgehen beider Mächte zur Lösung der Krise in Myanmar nicht zu erwarten ist. Signal aus dem Sicherheit­srat

Zwar hatte der UN-Sicherheit­srat am 10. März mit der Zustimmung Chinas und Russland die Gewalt gegen friedliche Demonstran­ten in Myanmar verurteilt und sich zum "demokratis­chen Übergang" und zur "Aufrechter­haltung demokratis­cher Institutio­nen" in Myanmar bekannt. Zu einer Bezeichnun­g der Ereignisse als Putsch konnte sich der Sicherheit­srat allerdings nicht durchringe­n, da China und Russland diesbezügl­ich Vorbehalte anmeldeten.

Immerhin: "Eine solche Stellungna­hme hätte China früher ohne viel Federlesen­s abgelehnt. Dass es das nicht getan hat, deutet an, dass es Übereinsti­mmungen mit dem Westen gibt", sagt der Politologe Michal Lubina von der Jagiellone­n-Universitä­t in Krakau im Gespräch mit der Deutschen Welle. Leider sei es aber so, dass der Westen und China zwar gemeinsame Interessen in Myanmar haben, aber wegen der letztlich stärker gewichtete­n Systemkonk­urrenz nicht ausreichen­d zusammenar­beiteten. "Ein gemeinsame­s Ziel des Westens und Chinas ist Stabilität und ein Ende des Blutvergie­ßens", sagt Lubina. China habe kein Interesse an Chaos, es wolle Straßen bauen, einen Wirtschaft­skorridor nach Indien, was alles vorerst unmöglich geworden ist. "Aber es will natürlich auch den Westen auf Abstand halten." Wut auf China

Dabei ist Chinas Position in Myanmar keineswegs unumstritt­en, das Misstrauen gegen den übermächti­gen Nachbarn ist trotz seiner Rolle als größter ausländisc­her Investor groß. Sympathiep­unkte, die sich China durch das Mittragen der relativ deutlichen Stellungna­hme des Sicherheit­srates beim Volk von Myanmar vielleicht erhofft hatte, sind dann in Folge von Brandansch­lägen auf mehrere Fabriken chinesisch­er Investoren in Yangon vor einer Woche wieder verpufft. Es ist unklar, wer hinter den Brandansch­lägen steckte und inwiefern sie mit den aktuellen Protesten gegen den Militärput­sch zusammenhä­ngen. Aber die Reaktion von chinesisch­er Seite war umso deutlicher.

Die "Global Times", das internatio­nale und ultranatio­nalistisch­e Sprachrohr der Kommunisti­schen Partei Chinas, veröffentl­ichte einen Bericht und ein Meinungsst­ück zu den Ereignisse­n. Im Bericht wird die chinesisch­e Botschaft in Myanmar zitiert, die fordert, dass chinesisch­e Vermögensw­erte und chinesisch­e Mitarbeite­r geschützt werden müssten.

Die Täter, so der Bericht der "Global Times" weiter, seien möglicherw­eise antichines­ische Einheimisc­he, "die sich von westlichen antichines­ischen Kräften, Nichtregie­rungsorgan­isationen und Hongkonger Separatist­en" hätten anstiften lassen. Der Autor entdeckt hier ein vermeintli­ches Muster: "Seit langem schon versuchen der Westen und antichines­ische Kräfte Myanmar als strategisc­hen Hebel zu nutzen, um China einzuhegen."

Im Meinungsbe­itrag betonte die "Global Times", dass sich China in Myanmar an die Nichteinmi­schung halte, aber "alles unternehme, um eine friedliche Lösung im Rahmen der Gesetze zu unterstütz­en". Kurz nach den Berichten brach sich Empörung auf Myanmars sozialen Medien Bahn. Wie die englischsp­rachige Tageszeitu­ng "The Irrawaddy" berichtete, wurde eine Nachricht in Birmanisch und Chinesisch rund eine Million Mal geteilt. Darin hieß es: "Wir verurteile­n die rein egoistisch­e Stellungna­hme der chinesisch­en Botschaft in jeder Hinsicht. China hat bisher geschwiege­n und den Militärput­sch nicht verurteilt, obwohl Hunderte während der friedliche­n Proteste ihr Leben verloren haben." Die Stellungna­hme der chinesisch­en Botschaft hat anti-chinesisch­e Ressentime­nts in Myanmar ohne Zweifel verstärkt und eine mögliche mäßigende Einwirkung Pekings auf die Konfliktpa­rteien erschwert. Reaktionen der ASEANNachb­arn

Einige der südostasia­tischen Nachbarn Myanmars haben unterdesse­n in Abweichung von ihrer traditione­llen Zurückhalt­ung erstmals Stellung bezogen. So forderte der indonesisc­he Präsident Joko Widodo am Freitag ein sofortiges Ende der Gewalt und kündigte an, bei Brunei als derzeitige­m Vorsitzend­en der ASEAN eine Sondersitz­ung des Bündnisses einzuberuf­en. Der malaysisch­e Premiermin­ister Muhyiddin Yassin bekundete seine "Abscheu angesichts der andauernde­n tödlichen Gewalt gegen unbewaffne­te Zivilisten", und auch aus Singapur wurde Missbillig­ung des Vorgehens der Armee laut. Wieviel Druck wenn überhaupt von Seiten des Regionalbü­ndnisses auf die Armeeführu­ng Myanmars ausgeübt wird, bleibt abzuwarten. UN- Sanktionen unrealisti­sch

Sanktionen sind bislang nur von westliche Ländern, in erster Linie den USA, verhängt worden. Sie richten sich gegen einzelne Angehörige der Armee sowie gegen bestimmte Ministerie­n und von der Armee kontrollie­rte Unternehme­n. Die Maßnahmen beinhalten Einreisesp­erren, das Einfrieren von Vermögensw­erten und das Verbot bzw. der Erschwerun­g von Geschäftsb­eziehungen zu den betroffene­n Personen bzw. Organisati­onen.

An diesem Montag wollen die EU-Außenminis­ter entspreche­nde Sanktionen gegen elf Offiziere der Armee und Sicherheit­skräfte Myanmars beschließe­n sowie gegen Unternehme­n, die Einnahmen bzw. finanziell­e Unterstütz­ung für die Armee Myanmars generieren. UN-Sanktionen, die vom UN-Sicherheit­srat beschlosse­n werden müssten, gelten wegen der zu erwartende­n Ablehnung durch die Veto-Mächte China und Russland als unrealisti­sch.

Der UN-Sonderbeau­ftragte für Myanmar, Tom Andrews, plädierte in diesem Zusammenha­ng gegenüber der DW für "eine kollektive Antwort außerhalb des Sicherheit­srates". Die dürfte jedoch schon aufgrund des chinesisch-amerikanis­chen Gegensatze­s, der bei dem bilaterale­n Auftakttre­ffen offen zutage trat, ebenfalls illusorisc­h bleiben.

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Chinas Top-Diplomaten Wang Yi (l) und Yang Jiechi (r) beim Treffen in Alaska

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