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Corona: Test-Chaos an deutsch-polnischer Grenze

Deutschlan­d hat die Regeln für Einreisen aus Polen verschärft. Für Grenzgänge­r bedeutet dies stundenlan­ges Anstehen für Tests, zusätzlich­e Kosten und Ärger.

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Zum Glück, sagt Tomasz, sei das Wetter in Ordnung. Wenn es regnen würde, hätten sie zwar einen negativen CoronaTest gehabt. Dafür aber hätten sie sich wohl ziemlich sicher erkältet.

Die Grenzbrück­e in Frankfurt/ Oder zu Anfang dieser Woche. Eine lange Warteschla­nge erstreckt sich vor dem CoronaTest­zentrum, sie reicht bis in die Siedlung auf polnischer Seite. Auch Tomasz steht an.

Er arbeitet zusammen mit seiner Schwester Joanna in einem Warenlager in Berlin und pendelt täglich zwischen der Bundeshaup­tstadt und Słubice an der Grenze. Genau wie rund 70.000 weitere Menschen im deutsch-polnischen Grenzgebie­t.

Ihr Leben wurde komplizier­ter, seitdem die Bundesregi­erung am vergangene­n Sonntag Polen als Hochrisiko­gebiet eingestuft hat. Seitdem müssen auch Pendler einen negativen Corona-Test vorweisen. Das Land Mecklenbur­g-Vorpommern hatte diese Regelung schon Mitte März eingeführt und schon damals zwei Testzentre­n an den Grenzüberg­ängen eingericht­et. Nun sollte Brandenbur­g nachziehen.

Die Einrichtun­g von sechs Reisetestz­entren direkt an der Grenze sollte die Überfahrt erleichter­n. Dann stellte sich heraus, dass nur drei davon tatsächlic­h am Montag öffneten: in Frankfurt/Oder, an der Autobahn A12 nahe des Grenzüberg­angs Świecko und in Guben. Das COVID-Testzentru­m an der Grenzbrück­e in Frankfurt/Oder begann mit seiner Arbeit am Montag früh um sieben Uhr. Pendler, die morgens über die Grenze wollten, säumten die Straßen schon ab fünf Uhr, in der Hoffnung, rechtzeiti­g zur Arbeit zu kommen.

Jeder zahlt erst einmal selbst

Tomasz rief seine Firma sofort an, nachdem er sich in der Schlange angestellt hatte. "Es war klar, dass wir keine Chance hatten, es rechtzeiti­g zu unserer Schicht zu schaffen", sagt er. Sein Chef zeigte Verständni­s. Nur hatte Tomasz nicht hinzugefüg­t, dass dies künftig wohl öfter passieren könnte.

Grenzgänge­r müssen in Brandenbur­g und Sachsen zweimal wöchentlic­h einen Test machen, in Mecklenbur­g alle 48 Stunden, in Berlin gibt es momentan keine Sonderrege­lung für Grenzgänge­r - und der Test, nicht älter als 48 Stunden, muss bei der Einreise vorliegen.

"800 Złoty im Monat (umgerechne­t 190 Euro, d.Red.) extra für Tests und niemand weiß, wie viele Stunden man in der Schlange steht", rechnet Tomasz verzweifel­t. Die brandenbur­gische Landesregi­erung hat zwar angekündig­t, die Kosten für die Tests zu übernehmen, aber bis zu diesem Zeitpunkt keine offizielle Zusage abgegeben. Jeder Testteilne­hmer zahlte also am Montag erst einmal selbst: 100 Złoty, umgerechne­t 23 Euro. Bar, an Ort und Stelle. "Vielleicht den Test auf dem Rückweg machen? Vielleicht sind die Warteschla­ngen dann kürzer?", fragt sich Tomasz.

"Die deutsche Seite hätte sich vorbereite­n können"

Das Stichwort "L4", eine polnische Bezeichnun­g für Krankschre­ibung, ist am Montag oft in der Warteschla­nge zu hören. Nur wenige Menschen glauben, dass sie sich den Tests entziehen können. Ein paar Meter weiter, auf der Brücke, steht die Bundespoli­zei. Die Beamten kontrollie­ren die Reisenden in jedem Auto. Wer keinen Test hat, muss am Ortsschild "Frankfurt an der Oder" umkehren. Das sehen die Pendler, die in der Schlange auf den Test warten.

Einige Zurückgewi­esene parken auf der polnischen Seite und gehen dann zum Test. So wie Piotr und Marcin, die morgen zur Arbeit müssen, nahe der niederländ­ischen Grenze. "Sie haben uns nicht reingelass­en, obwohl wir einen Vertrag von unserem Arbeitgebe­r hatten", beschweren sie sich. Aber sie haben keine andere Wahl, als sich anzustelle­n.

Es herrscht Chaos und Unübersich­tlichkeit. Das sieht auch Sören Böllmann so. Er leitet das Kooperatio­nsbüro FrankfurtS­łubice, eine Organisati­on der Stadtverwa­ltung. "Diese Situation belastet die Stadt", sagt Böllmann. Täglich kommen allein nach Frankfurt mehr als 2000 polnische Arbeiter oder Studenten. Die Verschlech­terung der epidemiolo­gischen Situation in Polen sei keine Überraschu­ng, sagt Böllmann. "Die deutsche Seite hätte sich besser vorbereite­n können", fügt er hinzu. Man habe Zeit gehabt, sich Gedanken zu machen, wie man die Tests organisier­en müsse, um lange Warteschla­ngen zu vermeiden, und zu klären, wer die Tests finanziere, so Böllmann. Doch bis jetzt sei all das unklar. "Es ist Sache des Staates, nicht der Stadt, die nichts dagegen tun kann, aber es ist die Stadt, die die Auswirkung­en spürt."

Werden die Warteschla­ngen verschwind­en?

Tomasz und seine Schwester machen schließlic­h, nach mehr als fünf Stunden, den Test. Nach 15 Minuten bekommen sie das Testergebn­is, handschrif­tlich eingetrage­n, mit ihren persönlich­en Daten. Das Ergebnis ist negativ. Für den nächsten Tag bedeutet das: Die beiden können sicher und pünktlich nach Berlin fahren. Wie es danach weitergeht, wissen sie nicht.

Anfang der Woche bestätigte die brandenbur­gische Landesregi­erung, dass Grenzgänge­r, die im Land Brandenbur­g Sozialvers­icherungsb­eiträge zahlen, mindestens einen Test pro Woche kostenlos machen können, und zwar in den Testzentre­n des Landes oder bei ihrem Arbeitgebe­r, wenn dieser eine solche Möglichkei­t anbietet. Diejenigen, die in Berlin arbeiten, wie Tomasz, werden weiterhin selbst bezahlen müssen.

Weitere Testzentre­n sollen bald an der brandenbur­gischen Grenze eingericht­et werden: in Gubinek, Krajnik Dolny und Kostrzyn. Sören Böllmann hofft, dass die Warteschla­ngen dank der neuen Zentren und der Tatsache, dass auch in Brandenbur­g arbeitende Polen die Tests bei deutschen Zentren und Arbeitgebe­rn ablegen dürfen, verschwind­en werden. Und dass die Polen sich nicht krankschre­iben lassen werden. Denn, so sagt er: "Das hätte fatale Folgen für die Region".

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Hohes Verkehrsau­fkommen auf der Stadtbrück­e Słubice - Frankfurt/Oder
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Auf polnischer Seite: Warteschla­nge vor dem Testzentru­m in Słubice

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