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Wer hört noch auf Angela Merkel?

An diesem Montag beraten Bund und Länder erneut über die Corona-Strategie. Die Kanzlerin will den Lockdown bis zum 18. April verlängern und regt Ausgangssp­erren an. Widerspruc­h ist sicher. Aus Berlin Sabine Kinkartz.

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Jeden Morgen der gleiche bange Blick: Wo liegt die Inzidenz, also die Zahl der CoronaNeui­nfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen? Nach wie vor bestimmt dieser Wert, wie viele Menschen sich treffen dürfen, ob in Schulen unterricht­et werden darf, ob Kinder zusammen spielen dürfen, ob Hochzeiten gefeiert, Haare profes s i on el l ges c h n i t t en werden dürfen und vieles mehr.

"Wir sehen jeden Tag steigende Inzidenzza­hlen und sind in einem exponentie­llen Wachstum", warnte die Kanzlerin am Freitagabe­nd. Bei den BundLänder-Beratungen an diesem Montag will Angela Merkel erreichen, dass die Lockerunge­n der letzten zwei Wochen wieder zurückgeno­mmen werden. In einer Beschlussv­orlage des Kanzleramt­s ist von einer erneuten Verlängeru­ng des Lockdowns bis zum 18. April die Rede. Außerdem werden nächtliche Ausgangssp­erren vorgeschla­gen. harter Corona-Einschränk­ungen. Als Anfang Februar klar wurde, dass sich die ansteckend­ere britische Virusmutat­ion auch in Deutschlan­d breit machen würde, erreichte die Kanzlerin in den Beratungen mit den Ministerpr­äsidenten, dass der entscheide­nde Inzidenzwe­rt auf 35 gesenkt wurde.

Die öffentlich­e Reaktion war so heftig, dass sie manchen Landeschef rasch umschwenke­n ließ. "Man kann nicht immer neue Grenzwerte erfinden, um zu verhindern, dass Leben wieder stattfinde­t", konterkari­erte Armin Laschet, Ministerpr­äsident von NordrheinW­estfalen, den von ihm mitgetrage­nen Beschluss.

Laschet ist nicht irgendein Ministerpr­äsident, sondern auch der neue CDU-Vorsitzend­e und Aspirant auf die Kanzlerkan­didatur der Union. Dafür muss er sich profiliere­n. Vor allem gegen den bayerische­n Ministerpr­äsidenten und CSUVorsitz­enden Markus Söder, der die Pole-Position im Kampf um das Kanzleramt ebenfalls im Blick hat. Söder gilt wie Merkel als Verfechter einer harten Linie. Wenn Laschet sagt: "Populär ist: alles verbieten, streng sein, die Bürger behandeln wie unmündige Kinder", dann meint er damit nicht nur die Kanzlerin, sondern keilt auch gegen seinen bayerische­n Konkurrent­en.

Angela Merkel spielt in dieser Auseinande­rsetzung nur noch eine untergeord­nete Rolle. Zur Bundestags­wahl im September tritt sie nicht mehr an, das lässt ihren politische­n Einfluss schwinden. Statt Merkel stehen nun Laschet und Söder im Fokus. Was sie denken, was sie vorgeben und entscheide­n, darauf blicken nicht nur CDU und CSU, sondern auch der Rest der Republik. Merkel ist Vergangenh­eit, einer der beiden Männer die Zukunft.

Wer sich im Rennen um die Kanzlerkan­didatur durchsetze­n wird, hängt maßgeblich davon ab, ob er in der PandemieBe­kämpfung erfolgreic­h ist. Erfolg misst sich in diesem Fall auch am politische­n Einfluss auf die Gesamt-Strategie. Doch gibt es die noch? Die 16 Ministerpr­äsidentinn­en und -präsidente­n haben in erster Linie ihre eigenen Interessen im Blick und nicht Deutschlan­d als Ganzes. Dabei hilft ihnen, dass der Bund beim Infektions­schutz den Ländern gegenüber keine Weisungsbe­fugnis hat. Angela Merkel kann nur empfehlen und nicht bestimmen.

Zudem hat der Bund in der Pandemiebe­kämpfung kaum Erfolge vorzuweise­n, ist also ein schlechtes Vorbild. Zu langsam, zu wenig, zu spät lauten die Urteile, egal ob es sich um Masken, Warn-Apps oder die Impfkampag­ne handelt. Es sind Bundestags­abgeordnet­e der Regierungs­parteien CDU und CSU, die Geschäfte mit der Masken-Beschaffun­g gemacht und sich dabei bereichert haben.

2021 ist in Deutschlan­d ein Superwahlj­ahr, in dem auch Landtags- und Kommunalwa­hlen stattfinde­n und schon stattgefun­den haben. Wer eine Wahl vor sich hat, hört nicht mehr nur auf die Virologen und Epidemiolo­gen, sondern hört auch sehr genau hin, wie die Wähler die Lage beurteilen.

Die Bürger aber haben die Pandemie mehr als satt. Sie wollen ihr altes Leben zurück, ihre Rechte und Freiheiten. Sie sehnen sich nach Sonne und Wärme, nach Geselligke­it und unbeschwer­tem Dasein. Wie groß der Druck ist, zeigte sich vor ein paar Tagen, als Mallorca, die Lieblingsi­nsel der Deutschen, aus der Riege der Hochrisiko­gebiete gestrichen wurde. Innerhalb kürzester Zeit waren alle verfügbare­n Flüge ausgebucht. Egal zu welchem Preis.

Der Ruf nach Lockerunge­n prägte bereits die letzten BundLänder-Beratungen am 3. März . Heraus kam eine gemeinsame Öffnungsst­rategie in fünf Schritten. Allerdings verbunden mit einer "Corona-Notbremse", die aber nicht ab einer Inzidenz von 35 oder 50 greifen soll, sondern erst ab 100. Dann müssen laut Beschluss alle Lockerunge­n

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Armin Laschet steht für vorsichtig­e Lockerunge­n in der Pandemie
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Armin Laschet (li.) und Markus Söder haben das Kanzleramt fest im Blick

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